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Wirtschaftsminister Peter Altmaier auf dem Future Mobility Summit des Tagesspiegels

© Kai-Uwe Heinrich

Elektromobilität: Der Wirtschaftsminister hadert mit der Autobranche

Peter Altmaier auf dem Future Mobility Summit des Tagesspiegels: Nicht nur Kommissionen bilden, sondern endlich konkurrenzfähige Elektroautos auf die Straße bringen.

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Die Geduld des Wirtschaftsministers mit den Autobauern scheint am Ende. „Wenn es an mir wäre“, sagte Peter Altmaier (CDU) am Dienstag auf dem Future Mobility Summit des Tagesspiegels, „dann müsste die Autoindustrie für jeden zusätzlichen Euro Fördergeld ein attraktives Elektromodell präsentieren.“ Das Auto hätte zehn Kilometer mehr Reichweite als Tesla, wäre fünf Dollar billiger und sähe genauso gut aus - dann wäre es nach dem Geschmack des Ministers.

Peter Altmaier ärgert sich darüber, dass die von Bund und Industrie finanzierte Kaufprämie für Elektroautos - zusammen immerhin 1,2 Milliarden Euro - nicht abfließt, „weil es keine attraktiven Modelle gibt“. Stattdessen werde diskutiert, würden Arbeitskreise gebildet und an allen technologischen Fronten geforscht. „Die Forscher gehen dann irgendwann zu Google, weil wir es nicht auf die Straße bringen“, beklagte Altmaier. Technologieführer für die Mobilität der Zukunft werde die deutsche Industrie so nicht. 

Die Bundesregierung fordert ein stärkeres, abgestimmtes Engagement von Politik und Industrie für eine nachhaltige Verkehrswende. „Wir dürfen nicht nur planen und Kommissionen einsetzen - wir müssen jetzt entscheiden und umsetzen“, sagte Altmaier.

Auch das Bundesumweltministerium sieht Handlungsbedarf. Sie plädiere für eine „konzertierte Aktion aller Stakeholder an der Mobilitätswende“, inklusive der Industrie, sagte Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter. „Mit Bedenkenträgern waren wir noch nie erfolgreich.“ 

Altmaier zufolge ist der Bund prinzipiell willens, den Aufbau einer Batteriezellfertigung zu fördern - vorausgesetzt, die Industrie trifft eine Investitionsentscheidung. „Die Bundesregierung ist bereit, im Rahmen des Beihilferechts Geld in die Hand zu nehmen“, sagte der Minister. Denkbar sei zum Beispiel eine Befreiung der Unternehmen von der EEG-Umlage. Die EU-Kommission prüfe derzeit, ob eine Zellfabrik als Projekt von gemeinsamem europäischem Interesse deklariert werden und damit von den strengen Beihilferegeln der EU ausgenommen werden könnte.

Altmaier warnte, die allseits postulierte „Technologieoffenheit“ - also die parallele Forschung und Entwicklung zu Verbrennungsmotoren, Brennstoffzellen- oder Batteriefahrzeugen - dürfe nicht dazu führen, „dass wir am Ende gar nichts tun“. Der Minister appellierte an die Autobranche: „Sie müssen irgendwann auf eine Karte setzen.“ In der Zukunft werde es anstelle des Verbrennungsmotors nicht sieben oder acht alternative Antriebe geben, die sich flächendeckend durchsetzen, sondern vielleicht zwei oder drei. Zudem werde es für längere Zeit eine Koexistenz von sauberen Verbrennungsmotoren und alternativen Antrieben geben. Klar müsse aber sein, wohin die Reise gehe. Dann sei der Staat auch bereit, zum Beispiel bei der Förderung einer Batteriezellenfabrik Geld in die Hand zu nehmen.

Rückstand bei der Zellfertigung

Immer wieder kehrt die Diskussion auf dem Summit zum Thema Zelle zurück. Von einer notwendigen „strategischen Weichenstellung für die Industriepolitik“ sprach am Dienstag auch Stephan Weil (SPD), Ministerpräsident von Niedersachsen und Mitglied im VW-Aufsichtsrat. Werde nicht in die Zellfertigung in Europa investiert, seien allein im Autoland Deutschland mit mehr als 800.000 direkt Beschäftigten in der Branche bis zu 110.000 Arbeitsplätze bis 2030 in Gefahr. Um so mehr bedauere er, dass eine Fabrik „heute nicht realistisch“ sei. Deutschland und Europa müssten zuerst bei Forschung und Entwicklung den Anschluss an die asiatischen Wettbewerber schaffen. 

Weil sprach sich gegen Fahrverbote und Diesel-Hardwarenachrüstungen aus. „Niemand sollte die Wirkungsmacht des Klimaschutzes unterschätzen“, sagte er. „Ich befürchte, dass wir dabei sind, direkt aus der Dieselfalle in die CO2-Falle zu tappen.“ Komme es zu Fahrverboten für Diesel, werde der Anteil der Benziner im Straßenverkehr steigen, und damit der Spritverbrauch und CO2-Ausstoß. Hardware-Nachrüstungen bei älteren Dieseln, zu denen die Bundesregierung die Autohersteller womöglich verpflichten wird, seien „kein Schlüssel zum Erfolg“. Wirksamer für die Luftreinhaltung in den Städten sei die Umsetzung der „konkreten Maßnahmen in den Städten und Kommunen“, die auf dem Dieselgipfel 2017 vereinbart worden seien. Bund und Industrie stellen dafür in einem Mobilitätsfonds jährlich eine Milliarde Euro zur Verfügung. „Diese Summe brauchen wir sicher noch ein paar Jahre lang“, sagte Weil.

Wie in der DDR: Lange Wartezeiten auf neue Fahrzeuge

Fehlende Angebote, wenig Mut zu Investitionen, ein ramponiertes Image - die Autobauer stehen allseits in der Kritik. „Es ist wie in der DDR“, sagte Sigrid Nikutta, Chefin der Berliner Verkehrsbetriebe. Die BVG wolle in diesem und in den kommenden Jahren jeweils 30 Elektrobusse kaufen, müsse aber darauf warten wie man in der DDR auf einen neuen Trabi oder Wartburg gewartet habe. „Und dann kosten die Busse drei Mal so viel wie herkömmliche, haben ein Drittel weniger Reichweite und die Lebensdauer der Batterie ist auch ungewiss“, beklagte sich Nikutta. Die Hersteller müssten mehr Tempo machen. „Wir wollen hochfahren“, versicherte die BVG-Chefin. Der ÖPNV sei schließlich „das Rückgrat der Mobilität der Zukunft“. 

Was mit der Nachfrage nach E-Autos passiert, wenn der Staat aus der Förderung aussteigt, zeigt das Beispiel Holland. Nach dem Auslaufen der Steuerbegünstigung sei der Anteil an den Neuzulassungen von 6,7 Prozent im Jahr 2016 auf 2,6 Prozent im vergangenen Jahr gesunken, sagte Bert Klerk, Vorsitzender der niederländischen Plattform für Elektromobilität, Formule E-Team.

Weitere Artikel zur Mobilität der Zukunft finden Sie auf unserer Themenseite. 

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