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Die deutsche Autoindustrie steckt in der Krise.

© picture alliance/dpa/Julian Stratenschulte

Trump verschärft die Krise nur: Die Zukunft unserer Autoindustrie entscheidet sich anderswo

Kanzler Merz lädt demnächst zum Autogipfel. Dort müssen Politik und Vertreter der Industrie den Weg endlich klar abstecken, wie Deutschland der Konkurrenz aus China und den USA begegnen soll.

Henrik Mortsiefer
Ein Kommentar von Henrik Mortsiefer

Stand:

Die Anschaffung eines Autos ist für die meisten Menschen ein finanzieller Kraftakt. Nach Hausbau oder Wohnungskauf verschlingt der eigene Pkw das meiste Geld aus einer durchschnittlichen Lebenshaltungskasse.

Die Autohersteller geben sich sehr viel Mühe, dies vergessen zu machen und bei der Zielgruppe stattdessen ungehemmte Begehrlichkeiten zu wecken. In der kommenden Woche wird man dies auf der Mobilitätsmesse IAA in München wieder erleben können, wo die Industrie mit Pomp und Gloria zeigt, was sie verkaufen will.

13
Jahre alt sind Autos auf deutschen Straßen im Schnitt.

Die Autos auf deutschen Straßen sind im Schnitt 13 Jahre alt. Die Deutschen betreten also selten ein Autohaus – und wenn, dann schauen sie sich keine Neuwagen, sondern Gebrauchte an. Kleine, erschwingliche Modelle finden sie kaum.

Das wäre nicht weiter schlimm, wenn bei den wichtigsten Kunden der Industrie – Unternehmen, Gewerbetreibenden und Selbstständigen – das Geld noch locker säße. Doch auch die Dienstwagen-Verkäufer tun sich schwerer als früher.

Von jenen Privatmenschen, die überhaupt an die Anschaffung eines neuen Autos denken (können), würde laut Umfragen nur etwa ein Fünftel ein Elektroauto wählen. Hier sind die Anschaffungskosten noch höher, die kleinen Einstiegsautos noch seltener, und den Herstellern ist es immer noch nicht gänzlich gelungen, die Bedenken zu zerstreuen, die recht neue Technologie sei nicht alltagstauglich.

An der Schnittstelle zur Elektromobilität ist das Geschäftsmodell der Autobauer ins Rutschen geraten. Hier wird das Thema politisch und global. Denn auf dem Weltmarkt ergeht es der deutschen Autoindustrie nicht anders. Nur hat sie es dort mit mächtigen Gegenspielern zu tun: chinesischen E-Autoherstellern und amerikanischen Tech-Konzernen, die Vieles schneller, besser und preiswerter anbieten können als die Deutschen. Europäische Hersteller haben seit 2017 ein Fünftel ihres weltweiten Marktanteils verloren.

Wem das bekannt vorkommt, weil es schon bei der letzten IAA vor zwei Jahren und davor diskutiert wurde, liegt richtig. So schnell lassen sich die Rahmenbedingungen der Schlüsselbranche, die in Europa 14 Millionen Menschen beschäftigt, nicht drehen. Was die Lage im Jahr 2025 aber besonders schwierig macht, ist mit dem Namen Donald Trump verbunden.

Die Autowelt zerfällt in drei Teile

Der US-Präsident hat mit seiner Strafzoll-Politik nicht nur einen Exportkanal der deutschen und europäischen Autobauer sechsmal so teuer gemacht wie vorher. Trump cancelt gerade auch die verkehrspolitische Klimapolitik seines Vorgängers, streicht Abgasvorschriften und CO₂-Ziele, postuliert im MAGA-Wahn das Comeback des Verbrennungsmotors und der traditionellen US-Hersteller.

Trump nährt damit weltweit Zweifel an dem, was man Antriebs- und Verkehrswende nennt: Die Transformation des motorisierten Individualverkehrs in eine klimaneutrale, gesellschaftlich verträgliche Fortbewegungsform. Die europäische Autobranche gibt jedes Jahr 150 Milliarden Euro in Zukunftstechnologien wie Elektromobilität und softwarebasierte Fahrzeuge aus, um wettbewerbsfähiger, resilienter und nachhaltiger zu werden. War das alles umsonst?

Gewiss nicht. Der Paradigmenwechsel in den USA zeigt nur, dass die Autowelt endgültig in drei Teile zerfällt – einen europäischen, einen chinesisch-asiatischen und einen US-amerikanischen.

Während China unbeirrt und staatlich subventioniert Richtung Elektromobilität fährt und Trump dem Verbrenner huldigt, muss sich Europa entscheiden. Gibt man dem Drängen der Industrie nach und senkt man das Ambitionsniveau auf dem Weg Richtung Klimaneutralität? Oder hält man den Kurs bis zum Ende des Verbrennungsmotors im Jahr 2035?

Um diese Fragen wird es gehen bei den Gesprächen der EU-Kommission mit den Autobossen in der kommenden Woche und beim nächsten Autogipfel im Kanzleramt. Wie man die Deutschen ins E-Auto befördert, ist dabei keine Nebensache. Es wäre gut, wenn es gelänge. Aber die Zukunft unserer Autoindustrie, die Dreiviertel ihrer Produktion auf dem Weltmarkt verkauft, entscheidet sich anderswo.

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