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Trübe Aussichten gibt es für drei VW-Werke in Deutschland.

© dpa/Uwe Zucchi

Deutsche Schlüsselbranche in der Krise: Es geht um mehr als nur um Autos

Der Standort Deutschland kämpft mit hohen Energie-, Arbeits- und Bürokratiekosten sowie schwindender Wettbewerbsfähigkeit. Die Schwierigkeiten im Autobau laufen wie in keiner anderen Branche zusammen.

Henrik Mortsiefer
Ein Kommentar von Henrik Mortsiefer

Stand:

In einer Welt einfacher Wahrheiten sind die Schuldigen für den Niedergang der deutschen Automobilindustrie schnell gefunden. Die Manager sind schuld – saturiert und verschlafen haben sie nicht kommen sehen, dass die Schecks aus China geringer, die neuen Wettbewerber besser und ihre E-Autos nicht nachgefragt werden. Oder: Die Grünen sind es. Ideologisch verbohrt haben sie die Branche zu Tode reguliert, mit unrealistischen Klimagesetzen und ihrem Anti-Auto-Kurs. Oder aber: Die IG Metall ist schuld, weil sie ihre Macht missbraucht und Privilegien der Beschäftigten gegen alle Kostenvernunft verteidigt hat.

Aber langsam! Die deutsche Autowelt steht noch nicht morgen vor dem Niedergang. Und die Sache mit den Schuldigen ist so einfach leider nicht. Der Industriegipfel, der gestern im Kanzleramt stattfand, zeigt: Es geht nicht mehr allein um die Autoindustrie und ihre Zulieferer, sondern auch um die Stahl-, die Chemie-, die Energiebranche und andere.

Der Standort insgesamt kämpft mit hohen Energie-, Arbeits- und Bürokratiekosten sowie seiner schwindenden Wettbewerbsfähigkeit. Nur laufen die Schwierigkeiten im Autobau wie in keiner anderen Branche zusammen.

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Gebraucht wird eine handlungsfähige Regierung

Zu einfach macht es sich deshalb der Kanzler, wenn er das VW-Management auffordert, keine Werke in Deutschland zu schließen. Als wären damit die Probleme vom Tisch. Aber der Sozialdemokrat ist längst im Wahlkampfmodus. So wie sein liberaler Ampel-Opponent Christian Lindner, der am selben Tag den Mittelstand um sich scharte. In den Unternehmen schüttelt man nur noch den Kopf über diese Kakophonie.

Das darf nicht sein in der derzeitigen Lage, in der Hunderttausende Beschäftigte um ihre Jobs in der Automobilindustrie fürchten müssen. Gebraucht würde eine handlungsfähige Regierung, die eine Vorstellung davon hat, wie die Probleme gelöst werden könnten. Im Idealfall im Austausch mit den Besten der Branche, denen die Zukunft der Schlüsselindustrie für einen Moment wichtiger ist als die kurzfristige Gewinnmarge des eigenen Ladens. Früher hätte man das „Konzertierte Aktion“ genannt oder „Agenda 2035“.

In den deutschen Fußgängerzonen müssen zahlreiche Geschäfte aufgeben.

© dpa/Peter Kneffel

Stattdessen gehen erstmal alle aufeinander los. Daniela Cavallo, die VW-Konzernbetriebsratsvorsitzende, warnt davor, „dass hier bald alles eskaliert“. Und das VW-Management bilanziert das eigene Versagen mit dem Satz „So wie bisher können wir nicht weitermachen“ – und erhöht die Zahl der angedrohten Werksschließungen von zwei auf drei.

Immerhin macht Hoffnung, dass beide Seiten bei der Diagnose nicht so weit auseinander liegen. Der Autostandort Deutschland kann nur so viel teurer sein, wie er im globalen Wettbewerb besser ist. Zwei Stellhebel müssen parallel bedient werden: Die Kosten müssen runter, die Qualität rauf.

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VW-Werke in Deutschland sollen nach Plänen des Managements dichtgemacht werden.

Unmöglich ist das nicht, auch nicht bei Volkswagen. Der IG Metall ist die Forderung aus dem Frühsommer nach sieben Prozent mehr Lohn intern nicht mehr heilig. In der VW-Arbeitnehmerschaft, die in den Genuss eines stets noch komfortableren Haustarifvertrags kam, wird durchaus gesehen, dass nicht alle Privilegien Bestand haben können. Und das Management hat verstanden, dass sich Wettbewerbsfähigkeit nicht über einen starken Markennamen von selbst einstellt.

Nur kein Neustart der Verbrennertechnik

Ausreichen wird all das wahrscheinlich nicht. Am Ende dürften Schmerzen stehen, vielleicht auch Werksschließungen. Einen Fehler sollten die Automanager beim Krisen- und Kostenmanagement aber nicht machen: auf einen politisch flankierten Neustart der Verbrennertechnik zu setzen und zu glauben, dass sich mit renovierten Benzinern und Dieselautos die Zukunft gewinnen lässt.

„Nein, natürlich nicht“ hört man dazu aus der Industrie. Langfristig seien wir alle software-definiert, elektrisch und autonom unterwegs, auch jene mit kleinem Geldbeutel. Und ja, das Auto allein werde die Mobilitätsbedürfnisse nicht befriedigen. An Bekenntnissen mangelt es nicht. Nur sind mit Ausnahmen die Produkte „Made in Germany“ gemessen am Preis nicht gut genug – nicht mal die von Deutschen günstig in China produzierten. Das muss sich schnell ändern.

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