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Mehr Farbe für den Finanzplatz. Wirecard lässt Banken alt aussehen.

© Wolfgang Rattay/rtr

Update

Deutscher Akteinindex: Wirecard ersetzt Commerzbank im Dax

Wirecard ist wertvoller als die Deutsche Bank oder die Commerzbank - jetzt steigt das bayerische Unternehmen auf.

Das „weithin unbekannte Unternehmen“, wie Wirecard bis vor Kurzem genannt wurde, steht spätestens seit Mittwochabend im Rampenlicht. Der bayerische Finanztechnologie- und Bankkonzern ist in den Dax aufgestiegen, die deutsche Börsenbundesliga, in der die 30 wertvollsten Unternehmen Deutschlands notiert sind. Im Gegenzug steigt die Commerzbank, ein Gründungsmitglied des Deutschen Aktienindex, mangels Börsenmasse ab. Aufstieg und Fall markieren einen Paradigmenwechsel am Finanzplatz Deutschland. Die Deutsche Börse teilte den Wechsel am späten Mittwochabend nach Börsenschluss mit

Mit einem Aktienkurs von (am Mittwoch) gut 191 Euro, der mehr als doppelt so hoch liegt wie am Jahresanfang, ist Wirecard ein Schwergewicht am Kapitalmarkt geworden. Mittlerweile stellt das Unternehmen mit einem Börsenwert von mehr als 20 Milliarden Euro sogar die Deutsche Bank in den Schatten. Wer Deutschlands wertvollster Finanzdienstleister ist, erwirbt fast automatisch ein Ticket für den Dax.

Wirecard steuert Geldströme im Internet

In dem Maße wie die Traditionsbanken an Marktmacht und Kundenakzeptanz verlieren, gewinnt das Fintech Wirecard an Bedeutung. Denn das Unternehmen aus dem Münchner Vorort Aschheim profitiert nicht nur von der Verlagerung der Geldströme ins Internet – Wirecard steuert sie: Der Dienstleister wickelt mit Online-Technologie für andere Firmen den wachsenden Zahlungsverkehr ab und kassiert dafür Provisionen.

Egal, ob Verbraucher auf Internetseiten oder per Smartphone-App Bücher kaufen oder Reisen buchen, kostenpflichtige Software herunterladen oder Online-Spiele bezahlen: Oft ist Wirecard im Hintergrund der zentrale Vermittler zwischen Käufer, Verkäufer und deren Banken. Das Unternehmen sorgt dafür, dass die Geldbeträge beim Empfänger verbucht werden, und übernimmt auch das Risikomanagement. Zu den Partnern zählen Finanzinstitute wie die Commerzbank, Mastercard und Visa, Technologiekonzerne wie Microsoft und Apple, Verkehrsunternehmen wie die Österreichischen Bundesbahnen sowie Handelsketten wie Aldi und Lidl. Aus Europa expandierte Wirecard zunächst vor allem nach Asien, wo der chinesische Internetkonzern Alibaba zu den wichtigsten Partnern gehört, und vor zwei Jahren auch nach Nordamerika.

Ziele für Umsatz und Gewinn übertroffen

Das vollständig auf die heutige, stark vernetzte und technologisch aufgerüstete Finanzwelt ausgerichtete Geschäftsmodell zahlt sich aus: Wirecard-Chef Markus Braun steckt sich fortwährend höhere Umsatz- und Gewinnziele, die er „konservativ“ nennt und regelmäßig übertrifft. Der Jahresumsatz lag zuletzt bei 1,5 Milliarden Euro und soll sich binnen zwei Jahren verdoppeln. Im Gesamtjahr erwartet Braun ein Betriebsergebnis (Ebitda) von 530 bis 560 Millionen Euro. Gemessen an den beiden Großbanken mit ihren Zehntausenden Mitarbeitern beschäftigt das Tec-Dax-Unternehmen weltweit nur 5000 Menschen. Aber Wirecard ist dank des zunehmenden Onlinehandels auf Wachstumskurs: „Alles, was wir bis jetzt erreicht haben, ist meines Erachtens nur ein müder Abklatsch dessen, was wir in den nächsten zehn Jahren erreichen können“, sagte Markus Braun im April auf der Bilanzpressekonferenz.

Blickt man zehn Jahre zurück, dürfte es manchem Anleger trotz der soliden Geschäfte schwindelig werden. Die Wirecard-Aktie hat in einer Dekade beinahe 3000 Prozent an Wert gewonnen. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 63 ist die Aktie allerdings nicht mehr günstig.

Zwar sagen Prognosen voraus, dass das bargeldlose Zahlen in den kommenden Jahren kräftig zulegen wird – vor allem in Asien. So werden laut Wirecard weltweit erst 15 bis 20 Prozent aller Zahlungen elektronisch abgewickelt. Viel Spielraum also für eine Ablösung des Bargelds. Dennoch bleiben viele Verbraucher vorsichtig, weil sie Zweifel an der Sicherheit haben und Cyberattacken auf ihr Geld befürchten. (mit Reuters)

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