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Wer gibt den Ton an? Verbandspräsident Cramer (vorn) und Minister Röttgen bei der Vorstellung des neuen Förderkonzepts. Foto: dpa

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Solarenergiebranche: Die Sonne würde Schwarz-Gelb wählen

Selbst Atomkonzerne sind erschrocken, wie gut Deutschlands Solarlobby die Regierung im Griff hat.

Berlin - Wer hier Koch ist und wer Kellner, war nicht sofort allen klar. Zumindest staunten einige der 60 wartenden Journalisten, wer da in Begleitung von Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) vor knapp zwei Wochen vor die Bundespressekonferenz trat, um seinen neusten Gesetzesvorschlag zu präsentieren. Es ging um eine Anpassung der Sonnenstromförderung. Neben Röttgen nahm ausgerechnet Günther Cramer Platz, der amtierende Präsident des Bundesverbandes Solarwirtschaft, kurz BSW-Solar. Das ist ein mit 30 festen Mitarbeitern eher kleiner Lobbyverband, der offenbar aber Einfluss gewonnen hat. Manche sagen: unheimlich viel Einfluss.

Vor einem Jahr, als der damals noch frisch ernannte Umweltminister voller Tatendrang die Subventionen für Sonnenstrom kräftig kürzen wollte, hatte der BSW-Solar Parolen veröffentlicht wie „Massenprotest gegen Röttgens Rotstift“. Der Verband koordinierte Demonstrationen bei den Mitgliedsunternehmen. Mitarbeiter von Modulherstellern setzten sich Pappmasken mit dem Gesicht von Röttgen auf, nahmen Vorschlaghämmer in die Hand und zertrümmerten für die Kameras teure Solarmodule.

Vergeben und vergessen? Jetzt, ein Jahr später, gibt sich derselbe Verband geschmeidig – nachdem er in Verhandlungen mit dem Minister erreicht hat, dass die Branche weiter indirekt einen satten Anteil an den Milliardensubventionen erhält, die alle Stromkunden über eine Umlage zahlen. Zuletzt war diese Erneuerbare-Energien-Umlage um 75 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen, was bei größeren Haushalten die Stromkosten um 40 bis 50 Euro pro Jahr hochtreiben dürfte. 13,5 Milliarden Euro werden in diesem Jahr so umverteilt – was nach Ansicht der meisten Experten auch Sinn macht, will dieses Land unabhängiger von Öl- und Gasimporten werden und den Klimaschutz vorantreiben.

Was aber mittlerweile sogar ökostromfreundliche Wirtschaftsforscher beunruhigt: 45 Prozent dieser Summe erhalten die Erzeuger von Sonnenstrom und damit indirekt die Hersteller entsprechender Anlagen – zu festgelegten Sätzen, über 20 Jahre garantiert. Dabei deckt die Photovoltaik nicht einmal zwei Prozent des Strombedarfs hierzulande. Investoren oder Privatleute, die Strom mit Windkraft oder Biomasse erzeugen, produzieren ein Vielfaches des Energiebedarfs, begnügen sich aber mit der anderen Hälfte der Fördersumme. Sobald das der Mehrheit der Verbraucher bewusst wird – so die Sorge der Ökostromfreunde –, lehnen die Bürger die regenerativen Energien als Ganzes ab.

Dieses Problem ist sowohl Röttgen als auch dem BSW-Solar bewusst. Daher schlug der Verband nach eigenen Angaben selbst vor, eine für Anfang 2012 geplante Subventionskürzung schon auf Mitte 2011 vorzuziehen. Wie hoch die ausfällt, soll davon abhängen, wie viele neue Solaranlagen im Laufe des Frühjahres neu installiert werden. Sind es extrem viele, wie im vergangenen Jahr, beträgt die Kürzung maximal 15 Prozent, sonst deutlich weniger. Das verkaufte Röttgen als Erfolg im Sinne des Stromkunden und lobte die „äußerst konstruktive Mitarbeit“ der Branche. Als Börsenhändler erfuhren, dass die Kürzung so milde ausfallen soll, kauften sie massenhaft Solaraktien, die an dem Tag bis zu zehn Prozent an Wert gewannen. Leonhard Birnbaum, Strategievorstand beim Kohle- und Atomkonzern RWE, sprach dieser Tage ein vergiftetes Lob aus: „Die Solarlobby ist mit weitem Abstand die beste Lobby, die wir in Deutschland haben.“

Die 800 teils sehr kleinen Firmen, die Mitgliedsbeiträge an die BSW-Zentrale am Berliner Ostbahnhof überweisen, wissen ihr Geld dort gut angelegt: Mit den rund zwei Millionen Euro Etat pro Jahr lobt der Verband zum Beispiel Preise an sonnenfreundliche Politiker aus. 2008 ließen sich Baden-Württembergs Umweltministerin Tanja Gönner (CDU) und der Bundestagsabgeordnete Ulrich Kelber (SPD) mit Goldmedaille und Blumenstrauß von den Lobbyisten feiern. Anfang 2009 jedoch, als die politische Stimmung kippte, setzte der Verband frühzeitig auf die FDP. Auf einer mitgliederinternen Internetseite beschreibt der BSW-Solar ausführlich, wie Teilnehmer des 60. Bundesparteitags im Mai bearbeitet werden konnten. Einer reichte schließlich einen Änderungsantrag zum Wahlprogramm ein, das massive Einschnitte der Solarförderung vorgesehen hatte. Am Ende stimmte eine knappe Mehrheit für ein klares Bekenntnis zum Erneuerbare-Energien-Gesetz und der Solarwärmeförderung. Der Verband hebt die Rolle der BSW-Vorstände Klaus Hofmann von Schott und Frank Asbeck, Gründer und Chef des Solarkonzerns Solarworld, hervor. Sie hätten schon im Vorfeld ihre guten FDP-Kontakte genutzt. Asbeck, übrigens Gründungsmitglied der Grünen, hatte sich kräftig ins Zeug gelegt. Am 12. September 2009, nur 15 Tage vor der Wahl, war er Gastgeber eines „Fundraising-Dinners“ für die FDP. Er begrüßte 280 Gäste in seiner neuen Firmenzentrale im ehemaligen Bonner Wasserwerk, darunter Guido Westerwelle. Gereicht wurde gegrilltes Wildschwein aus der Jagd des Gastgebers. Teilnehmerzahl wie auch die dort generierte Spendensumme seien „absoluter Rekord“ gewesen, freute man sich bei der FDP.

Lobbyarbeit hin oder her: Auch in der Sonnenbranche ist sich im Zweifel jeder selbst der nächste. Tage nach dem Dinner gewann Westerwelle die Wahl, wurde Bundesaußenminister. Keine vier Monate später reiste er in die arabischen Staaten. Mit an Bord: Solarworld-Chef Frank Asbeck, der in Katar einen Großauftrag an Land zog. Jeden Zusammenhang weist man noch heute in FDP-Kreisen empört zurück. Es sei doch selbstverständlich, dass der Außenminister als Türöffner für die Wirtschaft diene. Andere Solarunternehmer, die ebenfalls gerne durch arabische Türen gegangen wären, waren später sauer: Sie hatten nichts von dieser Reise gewusst.

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