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Grillen ist in Deutschland zur Kultur geworden.

© dpa

Feuer und Zange: Eine kleine Kulturgeschichte des Grillens

Sommer, Sonne, Weltmeisterschaft: Es wird wieder gebrutzelt. Und der Spaß wird immer komplexer (gemacht). Wann ist der Markt so groß geworden?

Angefangen hat es wahrscheinlich beim Urmenschen. Ein Kundschafter streifte durchs Unterholz, entdeckte eine beim Waldbrand umgekommene Hirschkuh und fand: schmeckt prima. Er erzählte es den Kumpels, die probierten die Sache auch aus, und davon haben wir nun heute den Nachhall: Den ewigen Grilldunst am Gartenzaun, der uns immer noch scharf macht, weil in ihm das genetische Erbe des Urmenschen mitschwingt.

Nur erklärt das natürlich nicht, woher eigentlich der aktuelle Rummel kommt. Die Pfadfinder der Nachkriegszeit nämlich taten es den Wandervögeln nach und grillten irgendwas am Lagerfeuer, das war es dann aber auch schon. Der Wirtschaftswunderbürger hatte seine Einbauküche und dachte gar nicht daran, sich auch noch einen Grill zuzulegen.

Was es dennoch gab, kam von der Tanke und war aus Blech – allenfalls ausreichend, um die Würste vom Discounter nebenan in Schrumpelfleisch, Benzpyren und Nitrosamine zu transformieren. Und es entstanden die bis heute rätselhaft beliebten Grillspieße, die auf der fixen Idee beruhen, es könne gelingen, Zwiebeln, Paprika und Schweinebauch über offenem Feuer gleichzeitig gar zu kriegen.

Die Amerikaner haben die Grillkultur erfunden

Während der deutsche Freizeitkönig das Thema also gewissermaßen auf kleinster Flamme garen ließ, entwickelte sich im kulinarisch so gern gescholtenen Amerika eine hochdifferenzierte Grillkultur: das Barbecue. Produkte wie Schweinerippchen, die es bei uns allenfalls gekocht auf den Sauerkrauthügel schafften, wurden dort als „Spare Ribs“ Gegenstand eines Marinier- und Garkults ohnegleichen, und wer die dicksten Steaks am saftigsten hinkriegte, war der König. Also entfaltete sich auch der Gerätepark, und neben das simple Stahlgitter mit Glut drunter traten Gas- und Elektrogeräte. Der Kugelgrill, der langsames Nachgaren erlaubt, wurde zum Standard, und der „Smoker“ kam auf, der die Grillhitze über ein Kaminrohr zum Räuchern und behutsamen Garen nutzt. Wann und wie diese Idee den Durchbruch in Deutschland schaffte, ist nur schwer genau zu sagen. Der magische WM-Sommer 2006, das wachsende Angebot guter Fleischqualitäten, zunehmende Marketing-Attacken von Geräteherstellern wie Weber, der Überdruss an der feinen, aber als immer blutleerer empfundenen Gourmetküche – es kam allerhand zusammen in den letzten, sagen wir: 20 Jahren.

Inzwischen ist der Grill für den Haushalt eine Anschaffung geworden wie ein neuer Fernseher oder eine Waschmaschine. 200 Euro sind längst eher eine Untergrenze, denn wer auf sich hält, der installiert mehrflammige Gas-Kochmaschinen auf der Terrasse, die im Extremfall so teuer sein können wie ein neuer Kleinwagen. Technisch ist es längst kein Problem mehr, Fleischfeinden mit saftig gegrilltem Fisch zu imponieren, und auch Vegetarier kennen längst unzählige Möglichkeiten, Gemüse über dem Feuer in Delikatessen zu verwandeln – dafür sorgen schon die Kochbuchverlage, die zur Saison immer neue „Grillbibeln“ auf den Markt werfen, vegetarische Versionen eingeschlossen. Und was heißt schon „Saison“? Wer es draufhat, der grillt im Winter erst recht. Umgekehrt gedeiht auch das Angebot von Indoor-Grills, die das Thema inzwischen sogar auf die Speisekarten von Sternerestaurants gebracht haben.

Der Markt, so scheint es, ist noch lange nicht gesättigt. Nach Prognosen der IfH Köln liegt das Marktvolumen 2014 bei 1,19 Milliarden Euro, 2017 sollen es sogar 1,3 Milliarden sein. Und der Spaß am Grillen nimmt vermutlich mit jedem Tor der deutschen Mannschaft noch ein Stück zu.

Streit mit den Nachbarn: Worauf Freizeit-Griller achten sollten, lesen Sie hier.

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