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Chinas Staatspräsident Xi Jinping am Dienstag in Peking.

© imago/Xinhua

Außenwirtschaft: Eine Verordnung für alle, gemünzt auf China

Sicherheitsbehörden horchten auf, als China Kontrolle über eine für Deutschland wichtige Infrastruktur gewinnen wollte. Zu Recht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Kevin P. Hoffmann

Wäre die Weltlage nicht so, wie sie gerade ist, wäre der Tagesordnungspunkt auf der heutigen Sitzung des Bundeskabinetts kaum der Rede wert gewesen. Er heißt: „Novelle der Außenwirtschaftsverordnung“. Klingt nach Kleinigkeit, nach Stellschräubchenjustieren, nach Formsache oder dem Schließen eines Schlupflochs. Dabei steckt viel mehr dahinter.

Man kann die Novelle der Außenwirtschaftsverordnung als Ausdruck eines neuen Selbstbewusstseins lesen, einer nationalen Industriepolitik, die viele Regierungen stets vermieden haben, weil „national“ nicht zu einem Land passt, das seinen Wohlstand maßgeblich dem Export verdankt. Diese Reform signalisiert gleichwohl ein Aufwachen aus einem naiven Traum, in dem diese Volkswirtschaft ihren Wohlstand noch auf Jahrzehnte erhalten könnte – wenn sich die Politik nur hübsch aus allem heraushielte.

Im Kern will die Regierung die Regeln verschärfen, nach denen Investoren aus Nicht-EU-Ländern Anteile an heimischen Firmen kaufen können. Bisher war dies weitgehend „Privatsache“ der Unternehmen. Erst bei Übernahme von mehr als 25 Prozent und unter sehr speziellen Bedingungen durften Behörden die Übernahmepläne prüfen und in letzter Konsequenz untersagen. Künftig kann die Regierung schon bei einer Übernahme von nur zehn Prozent der Anteile prüfen – das aber weiterhin auch nur, sofern das Unternehmen sich mit sicherheitsrelevanten Themen befasst, also Rüstungsgüter herstellt zum Beispiel.

Kritische Infrastruktur in Chinas Hand?

Die geänderte Verordnung gilt naturgemäß für alle, doch sie ist klar gemünzt auf China, die nicht mehr ganz so neue Wirtschaftssupermacht. Ein Anlass waren die Bemühungen des staatlichen Stromnetzbetreibers SGCC, Teile des Unternehmens 50Hertz zu übernehmen, welches das Höchstspannungsnetz im gesamten Osten Deutschlands und in Hamburg betreibt.

In Sicherheitsbehörden wurde manchem Beamten schlecht bei dem Gedanken, dass ein von der Kommunistischen Partei Chinas gesteuerter Konzern mit rund einer Million Mitarbeitern die Kontrolle über eine für Deutschland so wichtige „kritische Infrastruktur“ gewinnt. Zu Recht. Zu lange hat man sich auch hierzulande blenden lassen von dem sagenhaften (Wieder-)Aufstieg des Landes, das man man sich gut und gern auf vielen Feldern – Wirtschaft, Wissenschaft bis hin zur Kultur – als Partner wünschen möchte. Aber besser nicht als Eigentümer, Vermieter, Kontrolleur.

Am Dienstag erinnerte Präsident Xi Jinping in der Großen Halles des Volkes an die „Öffnung“ seines Landes vor 40 Jahren. Er erklärte, „niemand kann dem chinesischen Volk diktieren, was zu tun oder nicht zu tun ist“. Aber wer will das denn? Bei Lichte betrachtet wohl nicht einmal Donald Trump.

Doch Xi glaubt, nationale Töne anschlagen zu müssen, um die Kontrolle in seinem Vielvölkerstaat behalten zu können. Seine Verwaltung perfektioniert mithilfe fortschrittlichster Technologien – auch aus Deutschland – die Überwachung der Bürger, sie hat Parteikader in fast jedem Unternehmen installiert.

Xi präsentiert sich im Ausland gern als Bewahrer des freien Welthandels. Und es stimmt ja: Während Deutschland seine Markteintrittshürden für ausländische Investoren gerade aufbaut, baut China seine ab. Der Grund: Xi braucht solche Regularien nicht mehr, um die Kontrolle zu behalten, da seine KP mittlerweile Einblicke in jede Firma und jede Familie hat. So stark ist der Staat inzwischen.

Der Ärger über den Hasardeur Trump, die Angst vor der eiskalten Machtpolitik des Wladimir Putin haben hierzulande den Blick auf die größere Bedrohung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung lange verstellt. Die wirtschaftspolitischen Beschlüsse in Berlin helfen beim Auflösen eines anhaltenden Missverständnisses: Ja, China „öffnet“ sich seit 40 Jahren – in Handelsfragen. Das hat Peking geholfen, den Hunger vieler Millionen Menschen zu stillen. Innenpolitisch aber baut Xi einen Staat, in dem wohl kaum ein Europäer leben wollte.

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