zum Hauptinhalt
Ein Mercedes auf der Hauptversammlung der Daimler AG

© dpa/Britta Pedersen

Hauptversammlung in Berlin: Es liegt ein Schleier über Daimler

Von der Diesel-Krise bis hin zu Kartellvorwürfen: Trotz geschäftlicher Rekorde arbeiten sich die Daimler-Aktionäre an den Baustellen des Autobauers ab.

Li Shufu, dem neuen, chinesischen Großaktionär, lässt Daimler den Vortritt. Gleich zu Beginn ihrer Reden auf der Hauptversammlung in Berlin sprechen Daimler-Chef Dieter Zetsche und der Aufsichtsratsvorsitzende Manfred Bischoff den Chinesen an. "Unsere Gespräche mit Li Shufu waren bislang sehr positiv", sagt Zetsche am Donnerstag.

Kein Grund zur Sorge also. Im Gegenteil, der Investor, der knapp zehn Prozent am Stuttgarter Autokonzern erworben hat, sei willkommen und wolle sich langfristig engagieren, er unterstütze die Strategie der Deutschen. Nicht ausgeschlossen, dass Daimler die Zusammenarbeit mit Li Shufu und dessen Autokonzern Geely intensiviert. Nach Berlin gekommen ist Li nicht.

Die rund 6000 Aktionäre sind nicht so sorglos wie Zetsche und Bischoff. Ingo Speich, Fondsmanager bei Union Investment, der für mehr als vier Millionen Daimler-Aktionäre spricht, warnt: "Li Shufu könnte auch ein Wolf im Schafspelz sein." Redet der Geely-Konzern künftig auch außerhalb von China mit? Welche Pläne hat Li Shufu mit Daimler wirklich?

Beim Knowhow-Transfer nach China, dem wichtigsten Markt für die Stuttgarter, sei jedenfalls Vorsicht geboten, sagt Speich. Wo doch Daimler schon mit den chinesischen Partnern BAIC und BYD kooperiert. Ist Geely "ein chinesischer Partner zu viel?", fragt der Fondsmanager. "Wir sind in China offen für alles, was im Einklang mit den Interessen unseres langjährigen Partners BAIC steht", sagt Zetsche. Li Shufu sei in erster Linie Aktionär, weitere Abkommen mit ihm gebe es nicht. Winfried Mathes, Sprecher der Fondsgesellschaft Deka, hat einen nicht ganz ernst gemeinten Wunsch: "Tauschen Sie den Stern nicht durch einen chinesischen Drachen aus."

Der Schleier über der Daimler-Aktie

Der Chinese, die Diesel-Krise, Tierversuche, Klagen im Lkw-Kartellverfahren, die Kartellvorwürfe im Pkw-Geschäft, der niedrige Aktienkurs - Daimler hat viele Baustellen, an denen sich die Aktionäre abarbeiten. Die glänzenden Geschäftszahlen im Jahr 2017, ein Rekordjahr für Daimler, fallen am Donnerstag kaum ins Gewicht.  "Daimler macht nicht nur Spaß", sagt Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Es liege ein "Schleier" über der Daimler-Aktie, für die die Anteilseigner immerhin 3,65 Euro Dividende pro Stück erhalten, 40 Cent mehr als im Vorjahr. 

Doch während der Dax 2017 um zehn Prozent zugelegt hat, fiel das Daimler-Papier zurück - trotz der Bestwerte bei Umsatz (164 Milliarden Euro) und Jahresüberschuss (10,5 Milliarden Euro). "Warum steigen die Aktien von Spotify, obwohl die keinen Cent verdienen, während Aktien von Daimler bei einem Gewinn von 10 Milliarden Euro auf der Stelle treten?", fragt ein Aktionär.

Daimler begründet dies mit belastenden "Makro-Fragen" wie der politischen Großwetterlage und den technologischen Umbrüchen in der Autobranche. Die Aktionäre blicken vor allem auf Skandale. "Man fragt sich, was kommt als nächstes", sagt Tüngler und appelliert an Vorstand und Aufsichtsrat. "Reden Sie nicht nur über Euro und Dollar, sondern über eine andere Währung: Vertrauen." Und: "Machen Sie es besser als Volkswagen." Applaus. 

Auch gegen Daimler ermittelt die Justiz. Sie geht, wie auch bei BMW, dem Verdacht nach, der Hersteller habe wie Volkswagen bei der Diesel-Abgasreinigung illegale Abschalteinrichtungen eingebaut. "Daimler ist in immer mehr Kontroversen verwickelt", stellt Fondsmanager Ingo Speich fest. "Manipulationsvorwürfe kommen aus allen Teilen der Welt." Doch erwiesen ist bislang nichts.

Herausforderungen in der Zukunft

"Wir Autohersteller stehen in der Verantwortung, wenn es darum geht, individuelle Mobilität, Klimaschutz und Luftreinhaltung in Einklang zu bringen", sagt Zetsche. "Mehr Fakten und Sachlichkeit" seien aber in der Diesel-Diskussion vonnöten. "Wir stehen voll und ganz hinter dem modernen Diesel." Die Antriebsart jetzt abzuschaffen, wäre ein "großer ökonomischer und ökologischer Fehler."

Statt auf Fahrverbote setze Daimler auf Innovation. Hardware-Nachrüstungen für ältere Diesel spricht Zetsche nicht explizit an. Daimler befürworte, "was technisch sinnvoll und finanziell verantwortbar" sei, sagt der Vorstandsvorsitzende nur und verweist auf die freiwilligen Software-Updates für rund drei Millionen Mercedes-Diesel. 

Zetsche stimmt die Aktionäre am Donnerstag zugleich darauf ein, dass die Milliardeninvestitionen in die Elektromobilität nicht ohne Folgen für die Bilanz bleiben „Mehr Elektroautos sind gut für die CO2-Bilanz. Aber nicht so gut für unsere Konzern-Bilanz – jedenfalls vorübergehend.“ Daimler sei aber trotz der "extremen Investitionen" in der Lage, aktuell eine Rendite von acht bis zehn Prozent zu erwirtschaften.

Gleichwohl läuft der Autobauer Gefahr, die strengeren CO2-Grenzwerte der EU im Jahr 2021 (95 Gramm/km) zu verfehlen – wenn sich Elektroautos nicht wie erwartet verkaufen, der Diesel weiter Marktanteile verliert und die SUV-Nachfrage so hoch wie heute bleibt. 2017 ist der CO2-Wert im Daimler-Flottendurchschnitt um zwei Gramm auf 125 Gramm gestiegen, etwa 100 Gramm muss der Autobauer in rund drei Jahren schaffen.

"Hat Daimler die Zeichen der Zeit zu spät erkannt", fragt Deka-Sprecher Mathes. Dieter Zetsche antwortet dialektisch: "Der Erfolg des Autos ist seine größte Herausforderung. Dieses Paradoxon zu lösen, ist unsere Aufgabe." Der Daimler-Chef wird dafür üppig bezahlt. 2017 verdiente Zetsche gut 8,6 Millionen Euro, die Pensionsansprüche des 64-Jährigen summieren sich auf 42 Millionen Euro.

Zur Startseite