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© Getty Images/Jay Yuno

Fehlzeiten im Job weiter gestiegen: Psychische Erkrankungen treiben Krankenstand bei der KKH auf Rekordhoch

Die Kaufmännische Krankenkasse meldet für 2024 einen Rekord bei Krankmeldungen. Statt „Blaumachen“ diagnostiziert man vor allem mehr psychische und muskuläre Erkrankungen.

Stand:

Die Debatte um vermehrtes „Blaumachen“ in Deutschland läuft und dürfte durch neue Zahlen einer der größten Krankenkassen des Landes weiter angetrieben werden.

Für das abgelaufene Jahr 2024 meldete die KKH Kaufmännische Krankenkasse am Montag 206 Krankmeldungen pro 100 Mitgliedern. Nach 204 Fällen im Vorjahr erreicht die Zahl krankheitsbedingter Fehltage am Arbeitsplatz auch bei der KKH ein neues Rekordniveau. Vor der Coronapandemie wurden gerade einmal halb so viel Atteste eingereicht.

Woran liegt das? Nach Angaben der Ersatzkrankenkasse vor allem daran, dass historisch viele Menschen an psychischen oder Muskel-Skelett-Erkrankungen leiden.

Psychische und muskuläre Erkrankungen auf Rekordniveau

Die Fehlzeiten wegen psychischer Erkrankungen wie Anpassungsstörungen, Depressionen und chronischer Erschöpfung stiegen im letzten Jahr auf einen neuen Rekordwert von 392 Fehltagen pro 100 Versicherten an. Das sind fünf Tage mehr als im Vorjahr. Vor wenigen Jahren lag der Wert noch bei 298 Tagen. Auch bei Muskel-Skelett-Leiden wie Rückenschmerzen oder Bandscheibenvorfällen verzeichnete die KKH mit 466 Tagen einen neuen Höchststand.

Mit über 1,5 Millionen Versicherten gehört die KKH nach AOK, Techniker, Barmer und DAK zu den mitgliederstärksten Kassen in Deutschland. Alle meldeten zuletzt einen hohen Anstieg bei psychischen Erkrankungen. Neben dem individuellen Leiden für Betroffene hat das auch enorme volkswirtschaftliche Kosten.

Einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zufolge kostet die Behandlung psychischer Erkrankungen jeden Bundesbürger 680 Euro pro Jahr. Die psychische Gesundheit vor allem von Beschäftigten unter 50 Jahren liegt dem Institut zufolge aktuell auf dem niedrigsten Stand seit über 20 Jahren.

Ein weiterer Grund für das Fehlzeitenhoch ist aus Sicht der KKH die Einführung der elektronischen Krankschreibung (eAU) und die damit verbundene automatische Weiterleitung aller Krankmeldungen an die Krankenkassen. Dies geschieht seit 2023. Zuvor mussten das Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer selbst vornehmen, was viele bei kurzzeitigen Krankschreibungen vermutlich nicht taten. Das macht sich laut KKH vor allem bei Attesten über wenige Tage wegen Atemwegsinfekten bemerkbar: Die Fehlzeiten wegen Erkältungen und grippaler Infekte seien von 179 Tagen im Jahr 2021 auf aktuell 447 Tage nach oben geschnellt.

Warnungen vor Misstrauenskultur in Unternehmen

Für einen systematischen Missbrauch der elektronischen Krankschreibung, die bei der Debatte um den Rekordkrankenstand häufig ins Feld geführt wird, gibt es im Fehlzeitenreport der KKH keine Anzeichen. Diesen konnte auch die DAK in einer kürzlich veröffentlichten Untersuchung unter 2,4 Millionen Versicherten nicht feststellen. Insgesamt nähmen Krankmeldungen wegen leichter Erkältungskrankheiten, unabhängig von der telefonischen Krankschreibung, einen „saisonalen Verlauf“.

Die KKH-Arbeitspsychologin Antje Judick warnt daher vor einer zunehmenden Misstrauenskultur in Firmen und Auswirkungen auf die Gesundheit von Beschäftigten aus: Sie löse bei Arbeitnehmenden ein Gefühl mangelnden Vertrauens aus, was wiederum Motivation und Psyche negativ beeinflussen könne.

Vorschläge zur Wiedereinführung eines Karenztages lehnt die Arbeitspsychologin daher ab. „Wer krank arbeitet, gefährdet nicht nur die Kolleg*innen, sondern auch die eigene Gesundheit, indem er andere ansteckt, Erkrankungen verschleppt und am Ende viel länger im Job ausfällt“, so Judick. Stattdessen müssten sich Arbeitgeber stärker mit psychischen Erkrankungen auseinandersetzen und transparent kommunizieren, wie sie betroffene Mitarbeitende unterstützen.

Zuvor hatten sich auch andere Vertreter der Kassen gegen den von Allianz-Chef Oliver Bäte ins Spiel gebrachten Vorschlag zur Streichung der Lohnfortzahlung am ersten Tag der Krankmeldung ausgesprochen.

TK-Chef Jens Baas sprach gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ von einer „ablenkenden Diskussion“. Denn Krankentage kämen überwiegend von Menschen, die lange krank seien, etwa aufgrund von Krebs oder psychischem Leiden. Baas appellierte stattdessen an die Arbeitgeber, die Arbeitszufriedenheit und so die Anwesenheitsquote zu erhöhen. (mit AFP)

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