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Vorsorgen: Riester hängt in der Luft

Die staatlich geförderten Vorsorgeverträge bleiben bei der Wertentwicklung hinter herkömmlichen Mischfonds zurück

Martin M. traute seinen Augen nicht: Seit 2005 zahlt er auf ein Riester-Konto ein. Aktuell liegt das Konto – vergleicht man alle Einzahlungen inklusive staatlicher Zulagen mit dem aktuellen Wert – 10,5 Prozent im Minus. Da sein Riester-Produkt, die Toprente Balance der DWS, ein Fondsprodukt mit meist 50 Prozent Aktien- und 50 Prozent Rentenquote ist, rechnete Martin M. einfach mal grob nach: Wäre das Geld 2005 je zur Hälfte in einen weltweit investierenden Aktien-ETF-Fonds (minus zwölf Prozent) und einen ETF-Fonds für deutsche Staatsanleihen (plus 26,2 Prozent seither) geflossen, läge er dank des Rentenanteils, dank deutlich geringerer Kosten und trotz Finanzkrise heute ordentlich im Plus. Und dies ohne die Garantie auf Erhalt der Einzahlungen, die Riester-Produkte nach den gesetzlichen Vorschriften liefern müssen. Zieht man ins Kalkül, dass ein Riester-Sparplan regelmäßig bedient wird, somit auf der Aktienseite auch von den günstigen Einstiegskursen seit dem letzten Jahr profitiert haben müsste, so sieht die vergleichende Bilanz noch ungünstiger aus.

AUF NUMMER SICHER

Die Sicherheit des eingezahlten Geldes ist gerade in der Finanzkrise ein Verkaufsargument, das zieht: 12,42 Millionen Riester-Verträge lagen Ende März 2009 in den Schubladen der Deutschen, das waren 270 000 mehr als ein Quartal zuvor. Den Löwenanteil von 9,4 Millionen haben deutsche Sparer seit der Einführung der Riester-Altersvorsorge im Jahr 2002 bei Versicherungen abgeschlossen, 2,44 Millionen liegen bei Fondsgesellschaften. Marktführer ist hier mit weitem Abstand die Union Investment aus dem Verbund der Volks- und Raiffeisenbanken, gefolgt von der DWS, die zur Deutschen Bank gehört. Darüber hinaus bieten beispielsweise auch die Allianz, die Sparkassen-Tochter Deka und Hansa-Invest einen RiesterFondssparplan.

Doch nicht nur bei der DWS rätseln Riester-Sparer, ob ihre Vorsorgebemühungen sich später wirklich lohnen werden und ob sie jenseits der Beitragsgarantien eine Wertsteigerung erwarten können. Bei der Union Investment etwa mussten im März 360 000 vor allem ältere Kunden erfahren, dass der Aktienanteil ihrer Depots nahe dem Tiefpunkt an den Börsen komplett mit Verlust verkauft und zur Sicherung der Garantie dauerhaft in Rentenpapiere umgeschichtet wurde.

NEID AUF DIE DAX-PERFORMANCE

Dem Kursanstieg zwischen März und Juni – der Dax legte in diesem Zeitraum rund 40 Prozent zu – haben diese Kunden größtenteils nur vom Seitenaus zugesehen. Denn nur neue Einzahlungen gehen seither wieder in Aktien. Wie sich die Umschichtungen generell auf die Rendite auswirken, hängt von der vorherigen Anlagedauer ab: Je länger der Kunde zuvor eingezahlt hat, desto größer der Schaden, bestätigen die Riester-Experten der Stiftung Warentest. Die Reißleine werde grundsätzlich gezogen, sagt Union-Sprecher Markus Temme, wenn für ein Anlegerdepot eine bestimmte Mindestrendite unterschritten werde. Man habe nun auch verschiedene Börsenszenarien der Zukunft rechnerisch simuliert – nur in exakt der Hälfte der Fälle wäre demnach ein Rücktausch in Aktien sinnvoll.

Wie sich die Umschichtungen auf die Wertentwicklung und die spätere Rente ausgewirkt haben, lässt sich laut Union Investment gar nicht konkret sagen. „Jeder Riester-Sparer hat bei uns ein anderes Depot, je nach Anlagedauer, Anlagesumme und Alter ist die Aufteilung in Renten und Aktien unterschiedlich“, sagte Temme. Auch bei der DWS tut man sich beim meistverkauften Produkt, der Riester-Rente Premium, schwer mit konkreten Zahlen. Die Toprente Balance und die aktienlastigere Toprente Dynamik sind laut DWS seit Auflage Anfang 2002 beide im Minus: Minus 0,72 Prozent pro Jahr waren es beim Toprente Balance, minus 1,77 Prozent beim Dynamik. Hätte der Anleger im gleichen Zeitraum komplett in den Dax investiert, läge sein Minus übrigens bei knapp über fünf Prozent.

Außerplanmäßige Umschichtungen zugunsten von Rentenpapieren seien bei der Toprente nicht vorgenommen worden, sagt Frank Breiting, Herr über die Altersvorsorgeprodukte bei der DWS. Da je nach Alter des Kunden ein Teil der Einzahlungen in Staatsanleihen gehe, genüge der Zinsgewinn, um die Garantie der Beiträge zu sichern. Die Premiumvariante mit rund 313 000 Kunden berechnet dagegen taggleich und für jeden Kunden individuell einen geeigneten Anleihen- und Aktienanteil.

Dass sich das neuere Riester-Modell der DWS gut verkauft, liegt vermutlich auch am Vertrieb. Denn wie bei einer Versicherung erhalten Vertreter und Berater 5,5 Prozent der erwarteten Einzahlungssumme als Obolus, und zwar in den ersten fünf Jahren. Die Stiftung Warentest hat in einem Vergleich aller Riester-Fonds-Produkte ausgerechnet, dass dies die Kosten auf gut 14 Prozent erhöht.

WERTSTEIGERUNG VON ACHT PROZENT 

Nach Darstellung der DWS kann der Anleger mit der Premium-Fondsvariante dennoch eine erheblich höhere Rente erwarten: Ein 30-jähriger lediger Mann ohne Kinder, der 2100 Euro pro Jahr in den DWS Riester Premium einzahle, rechnet die DWS vor, könne nach 35 Jahren Laufzeit mit 325 333 Euro rechnen, während eine Versicherung am Ende im Schnitt nur 252 068 Euro zahle. Während die Fondsergebnisse auf der Annahme einer achtprozentigen Wertsteigerung im Schnitt und pro Jahr beruhen, sind die Zahlen der Versicherer belegt: Denn es steht ja bereits beim Abschluss fest, welche Mindestrente ein Versicherungskunde am Ende erhält.

HOHE KOSTEN FÜR BÜROKRATIE

Dies sei der Hauptgrund dafür, dass die meisten Deutschen auch bei ihrer Riester-Altersvorsorge eine Versicherung einem Fonds vorziehen, meint Martin Schulz, Projektleiter Versicherung bei der Stiftung Warentest. Der Kunde nehme dabei jedoch in Kauf, dass bis zu 17 Prozent seiner Beiträge von Verwaltungs- und Abschlussgebühren aufgezehrt werden. Zwischen Januar und März, im tiefsten Strudel der Finanzkrise, galt dies offenbar ganz besonders: Von den 270 000 neuen Riester-Kunden entschieden sich 187 000 für eine Versicherung, 58 000 für die Fondsvariante, 18 000 für einen Banksparplan und 12 000 für die Bausparvariante „Wohn-Riester“. Dass ungesicherte Pensionskassen und Pensionsfonds 2008 wegen des Aktien-Crashs weltweit rund 3,9 Billionen Dollar und damit ein Viertel des angesparten Kapitals verloren haben, hat wohl der Riester-Vorsorge viele zusätzliche Kunden beschert.

Insgesamt haben erst geschätzte 50 Prozent der Förderberechtigten einen Riester-Vertrag. Alle Anbieter rätseln zudem, warum 15 bis 20 Prozent ihrer Kunden jedes Jahr auf die staatlichen Zulagen verzichten. Immerhin zahlt der Staat eine jährliche Grundzulage von 154 Euro, plus 185 pro Kind und 300 Euro für jeden ab 2008 geborenen Sprössling.

Veronika Csizi

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