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Wirtschaft: Flaute in der Rentenkasse

Die Rücklage der gesetzlichen Rentenversicherung ist im April auf einen historischen Tiefstand gesunken

Berlin – Die anhaltende Misere am Arbeitsmarkt belastet die Rentenkassen deutlich stärker als bislang von der Bundesregierung erwartet. Nach Angaben des Bundesversicherungsamtes sind die Rücklagen der Alterskassen, die zum Jahresanfang noch fünf Milliarden Euro ausmachten, im April auf 1,5 Milliarden Euro oder neun Prozent der Monatsausgaben geschrumpft. Dies ist ein historischer Tiefstand. Damit haben die Rentenversicherungen kaum noch Spielraum, um kurzfristige Engpässe in der Liquidität auszugleichen. Spätestens im September werde Finanzminister Hans Eichel (SPD) den Bundeszuschuss vorzeitig überweisen müssen, bestätigte der Parlamentarische Staatssekretär im Sozialministerium, Franz Thönnes (SPD), im Bundestag.

Erstmals bezifferte Thönnes am Mittwoch auch das voraussichtliche Loch in den Rentenkassen. Nach den aktuellen Zahlen des Schätzerkreises fehlen in diesem Jahr 1,5 Milliarden Euro und im nächsten Jahr weitere 3,5 Milliarden Euro. Rechnerisch müsste daher der Beitragssatz zum Jahreswechsel von derzeit 19,5 auf 20 Prozent angehoben werden.

Das will die Bundesregierung jedoch unter allen Umständen verhindern. Sozialministerin Ulla Schmidt (SPD) greift deshalb zu einem Buchungstrick: Nach ihren Plänen müssen die Arbeitgeber vom nächsten Jahr an die Sozialbeiträge zwei Wochen früher als bisher überweisen. Faktisch erhalten die Rentenkassen 2006 wegen der Umstellung einmalig 13 Monatsbeiträge. Vertreter der Opposition kritisierten diese Notoperation im Bundestag scharf. Es drohe nicht nur ein bedenkliche Liquiditätsentzug für die Wirtschaft, sagte der CDU-Abgeordnete Andreas Storm. Vielmehr bringe die Umstellung auch eine „erhebliche Belastung“ für Länder und Kommunen, die alleine etwa 2,5 Milliarden Euro aufbringen müssen.

Ministerin Schmidt räumte ein, dass die gesetzliche Rentenversicherung derzeit eine „schwierige Phase“ durchmache. Verantwortlich dafür sei die schleppende Entwicklung der Konjunktur. Nachdem Arbeitnehmer und Rentner jedoch schon Opfer zur Sicherung des Beitrags gebracht hätten, müssten nun auch die Unternehmer „das Ihrige“ tun. Eine moderate Belastung der Betriebe mit den Finanzierungskosten von etwa 400 Millionen Euro sei auf jeden Fall besser als eine Beitragserhöhung, sagte auch Grünen-Expertin Biggi Bender.

Das Vorziehen des Zahlungstermins bringt den gesetzlichen Alterskassen laut Thönnes 2006 zusätzlich 9,6 Milliarden Euro. Das Geld haben die Rentenversicherer auch nötig: Nach den jüngsten Prognosen der Rentenschätzer wird die Rücklage zum Jahresende 2005 nur noch 1,8 Milliarden Euro beinhalten. Im Laufe des nächsten Jahres würde die „eiserne Reserve“ auf etwa 1,1 Milliarden Euro abschmelzen. Gesetzlich vorgeschrieben ist zum Jahresende ein Bestand von mindestens 3,2 Milliarden Euro. Durch den Einmaleffekt will die Regierung die Rücklagen im Wahljahr 2006 kurzfristig auf 7,6 Milliarden Euro aufblähen.

In früheren Berechnungen unterstellte die Regierung zu positive Wirtschaftsdaten. Schmidt rechnete noch im November mit einem Wachstum der Beitragseinnahmen von 1,2 Prozent (2005) und 2,6 Prozent (2006). Inzwischen kalkulieren ihre Fachleute nur noch mit einem Plus von 0,2 und 0,9 Prozent. doe/HB

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