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Kein Ausweg. Ex-Chef Braun ist auf freiem Fuß, nach Ex-Vorstand Marsalek wird gefahndet.

© Christof Stache/AFP

Update

Haftbefehle nach Bilanzskandal bei Wirecard: Ex-Vorstand Marsalek will sich nun auch der Staatsanwaltschaft stellen

Seit Mittwoch wird Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek per Haftbefehl gesucht. Nun will er sich stellen – um wie Markus Braun wieder auf freien Fuß zu kommen.

Nach dem Ex-Chef des Finanzdienstleisters Wirecard, Markus Braun, will sich wohl auch Ex-Vorstand Jan Marsalek der Staatsanwaltschaft München stellen. Braun war am Mittwoch gegen die Zahlung einer Kaution von fünf Millionen Euro vorläufig wieder auf freien Fuß gelassen worden – darauf hofft laut einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ nun auch Marsalek.

Dieser wird nach einem Bericht des „Handelsblatts“ per Haftbefehl gesucht, weil er im Verdacht steht, die Bilanzsumme und das Umsatzvolumen von Wirecard durch vorgetäuschte Einnahmen aufgebläht zu haben.

Marsalek halte sich mit hoher Wahrscheinlichkeit in der philippinischen Hauptstadt Manila auf, wie das „Handelsblatt“ auf Berufung auf das erweiterte Umfeld des österreichischen Ex-Managers berichtete. Marsalek, der bereits freigestellt war, war am Montag bei Wirecard entlassen worden.

Wie die „Süddeutsche Zeitung“ aus Kreisen von Kennern des Münchner Ermittlungsverfahrens erfahren haben will, will sich Marsalek stellen, um im Gegenzug wie Braun von einer Untersuchungshaft verschont zu werden.

Wo sind die Wirecard-Milliarden? Jetzt meldet sich der Treuhänder.
Wo sind die Wirecard-Milliarden? Jetzt meldet sich der Treuhänder.

© REUTERS/Michael Dalder/File Photo

Der philippinische Justizminister hatte am Mittwoch angegeben, dass die Datenbank der Einwanderungsbehörde lediglich anzeige, dass Marsalek am 3. März in die Philippinen gereist ist und am 5. März wieder abgereist sei. Es gebe aber Indizien, dass Marsalek kürzlich wieder auf die Philippinen zurückgekehrt ist und sich noch immer im Land befinden könnte. Er habe dazu eine Untersuchung beauftragt.

Ex-Chef Braun verkauft Großteil seiner Aktien

Ex-Wirecard-Chef Braun hat derweil einen Großteil seiner Aktien des skandalgeschüttelten Dax-Konzerns verkauft. In mehreren Verkäufen am Donnerstag und Freitag hat er rund 155 Millionen Euro erlöst. Dies geht aus mehreren Ad-hoc Mitteilungen hervor, die Wirecard am Dienstagabend veröffentlichte.

Der zurückgetretene Vorstandschef Markus Braun wurde am Dienstag festgenommen – nachdem bereits am Montag ein Haftbefehl beantragt worden war.

Markus Braun, früherer Geschäftsführer bei Wirecard
Markus Braun, früherer Geschäftsführer bei Wirecard

© dpa/Lino Mirgeler

Braun will nach Angaben der Ermittler kooperieren. „Er hat im ersten Gespräch seine Mitarbeit zugesagt“, sagte die Sprecherin der Ermittlungsbehörde, Anne Leiding. Der österreichische Manager habe sich am Vorabend selbst gestellt und sei aus Wien angereist, nachdem er wohl von dem Haftbefehl erfahren habe.

Vorgeworfen werden Braun derzeit „unrichtige Angaben“ in den Wirecard-Bilanzen und Marktmanipulation, doch kommen auch andere Straftaten in Betracht. „Wir führen unsere Ermittlungen ergebnisoffen“, sagte Leiding dazu.

Wirecard hatte mitgeteilt, dass 1,9 Milliarden Euro, die das Unternehmen auf Treuhänderkonten in Südostasien verbucht hatte, „mit überwiegender Wahrscheinlichkeit“ nicht existieren. Deswegen prüft der Konzern die nachträgliche Korrektur seiner Bilanzen: „Mögliche Auswirkungen auf die Jahresabschlüsse vorangegangener Geschäftsjahre können nicht ausgeschlossen werden.“

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Im Zentrum des Skandals stehen der ehemalige Wirecard-Finanzchef in Südostasien und ein ehemaliger Treuhänder, der das mutmaßlich zum Großteil gar nicht existierende Geschäft mit Drittfirmen betreute.

Anwalt sieht sich selbst als Wirecard-Opfer

Die Ermittler gehen nun jedoch davon aus, dass es Mitwisser beziehungsweise Mittäter in der deutschen Unternehmenszentrale gab. Untersuchungshaft kann verhängt werden, wenn die Justiz von Flucht- oder Verdunkelungsgefahr ausgeht.

Die Münchner Staatsanwaltschaft ermittelt bereits seit Wochen gegen Braun, allerdings ursprünglich lediglich wegen des Verdachts, Anleger in zwei Ad-hoc-Mitteilungen falsch informiert zu haben. Braun war nach Bekanntwerden des Skandals zurückgetreten.

Der philippinische Anwalt, der im Fall der verschwundenen Wirecard-Milliarden in den vergangenen Tagen ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt ist, sieht sich unterdessen selbst als Opfer. „Das Geld auf den Konten reichte gerade einmal für ein iPhone“, sagte Mark Tolentino.

Wirecard hatte den 39 Jahre alten Juristen den Buchprüfern als Treuhänder von Konten über 1,9 Milliarden Euro vorgeführt – Bankguthaben, die „mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht bestehen“, wie der Zahlungsdienstleister am Montag einräumte. In philippinischen Medien sprach Tolentino nun erstmals öffentlich über seine Sicht auf den Fall. Er fühlt sich hereingelegt.

Scholz findet Fall Wirecard „in höchstem Maße besorgniserregend“

Bundesfinanzminister Olaf Scholz sieht in dem Skandal mögliche Versäumnisse bei der Aufsicht über das Unternehmen. „Der Fall Wirecard ist in höchstem Maße besorgniserregend“, sagte der SPD-Politiker am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters. Nach der Strafanzeige durch die Aufsichtsbehörde BaFin gegen vier Vorstandsmitglieder sei die Staatsanwaltschaft gefragt, mögliche Manipulationen durch das Unternehmen rückhaltlos aufzuklären.

„Kritische Fragen stellen sich auch der Aufsicht über das Unternehmen, insbesondere mit Blick auf die Rechnungslegung und die Bilanzkontrolle“, sagte Scholz. „Hier scheinen Wirtschaftsprüfer wie Aufsichtsbehörden nicht effektiv gewesen zu sein.“

Scholz nahm auch die seinem Ministerium unterstellte BaFin ins Visier. „Die BaFin hat eigene Fehler bereits eingeräumt, sie müssen schleunigst identifiziert und abgestellt werden“, sagte der Finanzminister, der schärfere Regeln in Aussicht stellte.

„Wir müssen schnell klären, wie wir unsere regulatorischen Vorschriften ändern müssen, um auch komplexe Unternehmensgeflechte flächendeckend, zeitnah und schnell überwachen zu können“, sagte Scholz. „Das sind wir Anlegern, Beschäftigten und Investoren schuldig - und dem Finanzplatz Deutschland.“ (AFP, dpa, Reuters)

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