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Sneakers werden immer mehr zum modischen Accessoire.

© AFP

Geschäft mit limitierten Sneakers: Händler wehren sich gegen Schuh-Spekulanten

Mit dem Weiterverkauf von Sneakers lässt sich kräftig Geld verdienen. Händler finden mit Tricks heraus, wer sich wirklich für die Schuhe interessiert.

Von Laurin Meyer

Nur wer so schnell war wie David Wong hatte Grund zum Feiern. Der Berliner Student ergatterte als einer der wenigen einen echten „Sacai Waffle LDV“. Es ist das neuste Sneaker-Modell des Herstellers Nike, produziert in ganz kleiner Stückzahl. Wong ist einer von fast 500 Schuhsammlern, die es am Donnerstag in den Skatepark nahe des Rosenthaler Platzes in Berlin zog. Denn dort wurde der seltene Treter verkauft. Allerdings nicht in einem Schuhladen. Wer sich in der Nähe des Platzes aufhielt, bekam stattdessen Zugang zu einem Onlineshop.

Die digitale Schnitzeljagd war eine Marketingaktion von Nike. Der Hersteller feierte den zweiten Geburtstag seiner „Sneakrs“-App. Doch schon nach zehn Minuten seien alle Schuhe verkauft gewesen, berichtet Wong. Wer wie er erfolgreich war, stieß mit einem Glas Wein an, die anderen ließen die Köpfe hängen. Die Jagd auf exklusive Sneakers ist für den jungen Berliner mittlerweile zu einem Hobby geworden. Zu Hochzeiten hatte Wong gut 150 Paar in seiner Sammlung, mittlerweile hat er aber einige wieder verkauft – teilweise für mehrere Tausend Euro das Paar. Dadurch müsse er neben seinem Studium nicht arbeiten, sagt er.

Das Potenzial der Treter haben längst nicht nur Sneaker-Fans wie Wong entdeckt. Einige Raritäten sind so wertvoll, dass auch findige Geschäftsleute profitieren wollen. Sogenannte Reseller kaufen die Bestände der kleinen Shops auf. Selbst tragen wollen sie die Schuhe nicht. Stattdessen verknappen sie das Angebot, um die Sneaker noch teurer weiterverkaufen zu können. Trittbrettfahrer also. Ihre Methoden sind ausgeklügelt: Automatisierte Computerprogramme, sogenannte Bots, durchforsten die Onlineshops der Schuhverkäufer nach limitierten Neuerscheinungen – und schlagen in Sekundenschnelle zu. Schließlich wären die meisten Raritäten auch unter Fans teils innerhalb weniger Minuten ausverkauft.

Wie groß der Ansturm ist, bekommt Martin Schreiber regelmäßig zu spüren. Der junge Unternehmer führt ein kleines Skater-Geschäft in Frankfurt am Main, betreibt zudem einen Onlineshop. Bietet Schreiber dort einen neuen exklusiven Schuh an, verzeichnet er manchmal 700.000 Klicks gleichzeitig – zu viel für den kleinen Server. Die Seite stürzt ab, Schreiber kann in dieser Zeit keine Schuhe verkaufen. Als Nike zuletzt seinen neuen „SB x Parra“ herausbrachte, kam Schreiber deshalb auf eine skurrile Idee. Er vertrieb nicht etwa den Schuh über seine Seite, sondern lediglich Bilder vom Schuh.

Ein Trick. Denn die Bots erkannten den Unterschied nicht – und kauften Mengen an nutzlosen Bildern. „Wir haben das ganz klar gekennzeichnet“, sagt Schreiber, „nämlich in der Artikelbeschreibung und den Geschäftsbedingungen“. Und allein schon der Preis hätte Nutzer stutzig machen müssen. Schreiber verkaufte die Bilder nur zu je zehn Euro. „Jedem normalen Kunden wäre das sofort aufgefallen“, sagt er. Wie viel Geld der Ladenbesitzer mit der Finte einstreichen konnte, will er nicht verraten. Doch schon ein einzelner Reseller habe kurzerhand Bilder für rund 7000 Euro gekauft. Ein Rückgaberecht haben die reingelegten Spekulanten übrigens nicht, denn Schreiber verkaufte nur digitale Bilder. Die sind vom Umtausch ausgeschlossen.

Angeblicher Junge wollte sein Geld zurück

„Natürlich gab es da Beschwerden“, sagt der Unternehmer. So meldete sich etwa ein chinesischer Junge beim ihm, der angeblich mit der Kreditkarte seines Vaters gespielt und versehentlich bestellt hätte. Doch Schreiber konnte den vermeintlichen Jungen schnell als Reseller enttarnen – und blieb hart. „Es geht hier um die Community“, sagt Schreiber. Er will, dass seine Kunden die Schuhe selbst tragen und nicht als Spekulationsobjekt betrachten.

Das Geschäft mit den hippen Tretern ist mittlerweile milliardenschwer. Im vergangenen erwirtschafteten Schuhhersteller mit dem Verkauf von Sneakers knapp zwei Milliarden Euro – fast doppelt so viel wie noch im Jahr 2012. Das zeigt eine aktuelle Studie des Kölner Instituts für Handelsforschung (IFH). Damit machen Sneakers inzwischen mehr als ein Fünftel des Gesamtvolumens aus. Die Branche scheint jedenfalls voll auf den Erfolg der Sportschuhe zu setzen, sind diese doch nahezu der einzige Wachstumstreiber. Zum Vergleich: Der gesamte Schuhmarkt legt jährlich nur um spärliche 0,7 Prozent zu.

BVG machte aus einem Schuh ein Ticket

Die Vorherrschaft auf dem Sneaker-Markt ist jedoch hart umkämpft. Die bekannten Sporthersteller wie Adidas, Nike und Co. versuchen, ihre funktionalen Laufschuhe als beliebtes Modestück zu verkaufen. Sie setzen dabei auf die Zusammenarbeit mit Sportidolen wie dem US-Basketballer Michael Jordan, aber auch mit Rappern wie Kanye West, der Sneakers für die Adidas-Reihe „Yeezy“ entworfen hat. Das zieht vor allem bei Jugendlichen, die ihren Stars nacheifern. Doch auch Luxusmarken wie Louis Vuitton und Prada wollen profitieren und bringen eigene Modelle auf den Markt – als teure Designerstücke.

Bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) ist der Schuh das Ticket.
Bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) ist der Schuh das Ticket.

© dpa

Selbst die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) stiegen im vergangenen Jahr ins Sneaker-Geschäft ein, wenn auch nur für eine einmalige Werbeaktion. Gemeinsam mit Adidas brachte die BVG einen Schuh mit dem bekannten Camouflagemuster der Berliner U-Bahnsitze heraus. Die Besonderheit: Der Schuh war gleichzeitig ein Jahresticket. Statt eine Fahrkarte vorzuzeigen, konnten sich Besitzer mit dem Schuh ausweisen – vorausgesetzt, sie trugen ihn bei der Kontrolle. Nur 500 Paar gab die BVG damals aus, zu je 180 Euro. Wer den Schuh nachträglich kaufen will, muss bei Zweithändlern mittlerweile 400 Euro und mehr hinlegen. Und das, obwohl der Schuh als Ticket längst nicht mehr gültig ist.

Ein Paar für 400.000 Dollar

Auf der Internetseite StockX.com werden Sneakers wie diese professionell gehandelt, ähnlich wie an der Börse. Abhängig von Angebot und Nachfrage verändern sich die Kaufpreise in Echtzeit. Wie am Aktienmarkt machen Kunden ihre Kaufentscheidung hier von der aktuellen Wertentwicklung abhängig, von der Volatilität oder dem Verhältnis zwischen dem aktuellen Angebots- und dem damaligen Originalpreis. Alles, um der Frage nachzugehen: Steigt das Modell womöglich noch weiter im Wert?

Er gehört zu den wertvollsten Sneakers: ein Paar der Nike "Mags"
Er gehört zu den wertvollsten Sneakers: ein Paar der Nike "Mags"

© AFP

Erst vor wenigen Wochen hat der Sturm auf seltene Treter einen neuen Höhepunkt erreicht. Im New Yorker Auktionshaus Sotheby's wechselte ein einzelnes Paar Sneakers für mehr als 400000 Dollar den Besitzer. Es handelte sich dabei um eine Rarität von Sporthersteller Nike, den „Moon Shoe“ aus dem Jahr 1972. Nur zwölf Paar wurden davon jemals produziert. Nike-Gründer Bill Bowerman soll das Modell persönlich entworfen haben. Für das spezielle Aussehen der Sohle goss er angeblich Gummi in das Waffeleisen seiner Frau. Der neue Besitzer und Sammler, Miles Nadal, will das Modell nun in seinem Privatmuseum ausstellen.

Der Markt ist volatil

Sneakers eignen sich jedoch nur bedingt als Wertanlage, weiß Viet Duc Le, Sammler und Szenekenner aus München. „Der Markt ist sehr volatil.“ Denn wie sich die Preise entwickeln, bestimmen ganz unterschiedliche Faktoren. Liegt das Design im Trend oder ist es zeitlos? Veröffentlicht der Hersteller die Stückzahl oder nicht? Auch ein berühmter Träger oder eine skurrile Hintergrundgeschichte könnte den Preis plötzlich in die Höhe treiben.

Den Traditionalisten gehen die Spekulationen mit ihren Lieblingsschuhen zu weit. Ähnlich wie Schreiber haben auch andere Ladenbesitzer mittlerweile Hürden beim Kauf eingebaut, um Schuh-Spekulanten abzuschrecken. In einigen Shops werden Kaufrechte verlost, in sogenannten Raffles. Andere verlangen von Interessenten, an einer Schnitzeljagd teilzunehmen. So wollen die Händler sicherstellen, dass ihre Kunden den Schuh auch wirklich selbst tragen wollen.

Auch Le hat schon einiges auf sich genommen, um einen begehrten Treter zu bekommen. Einmal hat er sechs Stunden lang versucht, unter die besten zehn beim bekannten Konsolenspiel „Pong“ zu kommen. Denn nur wer das schaffte, durfte bei dem veranstaltenden Händler ein Paar Sneakers kaufen, berichtet er. Das wollten auch andere. „Ich kam nicht mal unter die besten 1000 Spieler.“

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