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Besucher betrachten auf der Elektronikmesse IFA Fernseher auf dem Stand der Marke LG. Mehr als 1100 Aussteller zeigen auf der IFA die Neuheiten der Unterhaltungselektronik und der Hausgeräte. Foto: Fabian Sommer/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

© dpa/Fabian Sommer

Hat sich Berlin verzockt?: Funkausstellung Ifa in Gefahr

Der Rechteinhaber gfu droht mit einer Ausschreibung, die zu einer Verlegung nach München, Frankfurt oder Köln führen könnte.

Die „Berliner Abendschau“ gehört offenbar nicht zu den TV-Sendungen, die man bei der Messe Berlin und in der Senatsverwaltung für Wirtschaft zur Kenntnis nimmt. Am 6. September, dem letzten Tag der Funkausstellung Ifa, berichtete der rbb über die Leitmesse der Unterhaltungselektronik- und Hausgeräteindustrie. Auch Volker Klodwig kam zu Wort. Der Aufsichtsratsvorsitzende der gfu Consumer & Home Electronics GmbH, zog erst ein positives Fazit der Messe und kündigte dann eine „faire und transparente Ausschreibung“ über den künftigen Veranstaltungsort der Ifa an.

Die zwölf gfu-Gesellschafter beraten

Für Berlin ist das eine bedrohliche Nachricht, weil München, Frankfurt (Main), Köln oder Düsseldorf nur zu gerne die weltberühmte Ifa ausrichten würden und vermutlich auch mit materiellen Anreizen locken. Eigentlich will die gfu, der die Ifa gehört, in Berlin bleiben, wo die Funkausstellung erstmals 1924 ausgerichtet wurde. Doch nachdem die Verhandlungen mit der Messe Berlin über die Zukunft der Ifa sich inzwischen über ein Jahr hinziehen, hat gfu-Chef Klodwig die Nase voll. An diesem Donnerstag befassen sich die zwölf gfu-Gesellschafter mit dem weiteren Vorgehen. Und der möglichen Ausschreibung.

„Eine Information, dass die gfu eine Ausschreibung für den künftigen Veranstaltungsort angekündigt hat, liegt uns nicht vor“, teilt die Senatsverwaltung für Wirtschaft dazu auf Anfrage mit. Wirtschaftssenator Stephan Schwarz (parteilos, für die SPD) sitzt als Vertreter des Gesellschafters, die Messegesellschaft gehört dem Land, im Aufsichtsrat der Messe Berlin GmbH. „Nach uns vorliegenden Informationen haben sich die Verhandlungsführer des neuen Konsortiums von gfu und Clarion mit der Messe Berlin zuletzt auf die Grundzüge eines Vertragsentwurfs geeinigt.“ Über diese Interpretation des Verhandlungsstandes wundert man sich in gfu/Clarion-Kreisen. Das Konsortium (30 Prozent gfu, 70 Prozent Clarion) hatte sich im vergangenen Jahr gebildet, um künftig die Ifa zu veranstalten.

Wir haben uns mit dem Konsortium von gfu und Clarion auf Grundzüge eines Vertrags verständigt.

Messe Berlin

„In den vergangenen Wochen und Monaten hat die Messe Berlin intensiv mit den Verhandlungsführern des neuen Konsortiums von gfu und Clarion verhandelt“, teilt das Unternehmen mit. Man habe sich auf „Grundzüge eines Vertragsentwurf verständigt“. Das war im vergangenen November auch schon der Fall. Damals unterschrieb Messechef Martin Ecknig ein Eckpunktepapier. Doch dann eskalierte der Konflikt, indem Ecknig und der Messe-Aufsichtsratsvorsitzende Wolf-Dieter Wolf den Ecknig-Vorgänger Christian Göke als Schurken im Ifa-Spiel ausmachten. Göke, Ende 2020 bei der Messe ausgeschieden und seit 2021 im Beteiligungsmanagement des früheren IHK- und Hertha-Präsidenten Werner Gegenbauer tätig, agierte als Clarion-Berater. Die Personalie belastete die Verhandlungen, sodass sich Göke im Juni zurückzog.

Wenn man nicht zu einer Lösung kommt, sind wir aufgefordert, dieses Format auszuschreiben.

Volker Klodwig, gfu-Aufsichtsrat

Bereits ein paar Wochen zuvor, zu Pfingsten, war Ecknig zu Clarion nach London geflogen, um sich mit Simon Kimble, dem Chef von Clarion Events zu treffen. Eigentlich ist die Ausgangslage simpel: Der Rechteinhaber gfu hat einen Vertrag mit der Messe Berlin, wonach die Messegesellschaft bis einschließlich 2023 die Ifa veranstaltet und dafür der gfu eine Art Lizenzgebühr zahlt. Von 2024 an möchte die gfu die Messe selbst organisieren - mit einem Partner. Um die Ifa digital weiterzuentwickeln hat sich die gfu mit Clarion verbündet; der Eventkonzern aus London will einen Millionenbetrag investieren und die Ifa in Berlin fortsetzen. Wie auch die gfu. Doch angeblich hat Ecknig mit immer neuen Vorschlägen und Vertragsinhalten eine Verständigung verhindert, heißt es in Kreisen des Konsortiums.

Wow! gfu-Aufsichtsrat Volker Klodwig zeigt Franziska Giffey auf der Ifa die neuesten Waschmaschinen.
Wow! gfu-Aufsichtsrat Volker Klodwig zeigt Franziska Giffey auf der Ifa die neuesten Waschmaschinen.

© AFP/John MacDougall

Das erinnert an Aussagen Klodwigs im vergangenen April. Damals hatte der gfu-Chef, der beruflich für das Marketing von Bosch-Siemens-Hausgeräte zuständig ist, in der „FAZ“ erstmals eine Ausschreibung und damit einen Wegzug aus Berlin ins Gespräch gebracht. Ecknig habe die Grundlagen des Eckpunktepapiers verlassen und „exorbitante zusätzliche Forderungen formuliert“, sagte Klodwig damals und stellte den Berlinern den Worst Case in Aussicht. „Wenn man nicht zu einer Lösung kommt, sind wir aufgefordert, dieses Format auszuschreiben, eventuell international.“ Jetzt ist es offenbar soweit. Es sei denn, die gfu-Gesellschafter pfeifen Klodwig auf ihrer Sitzung am 15. September zurück.

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Neben BSH/Klodwig gehören unter anderem Philips und Sony, Liebherr und Miele, Panasonic und Samsung zu den Gesellschaftern. Die meisten von ihnen wollen in Berlin bleiben, doch wer weiß schon, was am Ende einer Ausschreibung passiert. Als Anfang 2020 die Standortentscheidung für die neue Automobilausstellung IAA anstand, war Berlin haushoher Favorit. Doch dann winkte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder mit großen Scheinen, und die IAA ging nach München. „Die Ifa und Berlin gehören zu Berlin, und wir müssen alles dafür tun, dass die Ifa auch hierbleibt“, hat Franziska Giffey anlässlich der Eröffnung der Ifa gesagt. Die Botschaft ist bei der gfu angekommen. Taten werden noch vermisst.

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