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Wirtschaft: Hauptstadt der Zeitarbeit

Die Zuwachsraten sind im Raum Berlin am höchsten

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Berlin - Leiharbeit nimmt in den Unternehmen in Berlin und Brandenburg derzeit so stark zu wie nirgends sonst in der Bundesrepublik. 42,5 Prozent mehr Beschäftigte als noch ein Jahr zuvor arbeiteten im Juni 2006 nach Angaben der Gewerkschaft IG Metall in einer Zeitarbeitsfirma, insgesamt waren es knapp 27000. In den kommenden Jahren werde sich deren Zahl verdrei- oder vervierfachen, schätzt die IG Metall. „Zeitarbeit wird in den Betrieben in zunehmendem Maße zum Abbau der Stammbelegschaften genutzt“, kritisierte der Vorsitzende Jürgen Peters am Mittwoch.

Zeit- oder Leiharbeitsfirmen stellen Personal ein und verleihen es gegen eine Gebühr an Industrie- oder Dienstleistungsbetriebe weiter. Große Anbieter wie Adecco oder Randstad verzeichnen im Zuge des Aufschwungs hohe Zuwachsraten. Bundesweit hätten Zeitarbeitsverträge bis Mitte 2006 um rund 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zugenommen, sagte Olivier Höbel, IG-Metall-Bezirkschef in Berlin, Brandenburg und Sachsen. Insgesamt gibt es momentan rund 600 000 Beschäftigte in dieser Branche.

Die Arbeitnehmervertreter sehen diesen Zuwachs kritisch. „Die Leiharbeit frisst sich durch“, sagte Peters. Lange schon decke sie nicht mehr nur Auftragsspitzen ab, sondern sei Teil der Personalplanung in den Firmen geworden. Als Beispiele nannte Peters Airbus, wo von 22000 Beschäftigten 7000 nicht fest zum Konzern gehörten, und das BMW-Werk Leipzig, wo auf 2400 Festangestellte 1200 Zeitarbeiter kämen. Peters fügte hinzu, der Übergang in ein Dauerarbeitsverhältnis im entleihenden Betrieb – über den so genannten Klebeeffekt – sei nur in einem von zehn Fällen festzustellen.

Die Bezahlung der Zeitarbeiter ist Peters zufolge weitaus geringer als die des fest angestellten Personals. Drei von vier Beschäftigten verdienten momentan weniger als 2000 Euro im Monat, obwohl es sich meist um Facharbeiter handele, die nach Tarif deutlich mehr bekommen müssten. „Der Grundsatz ,gleicher Lohn für gleiche Arbeit’ muss wieder eingehalten werden“, forderte der Gewerkschaftschef. Für die Branche gibt es derzeit verschiedene Tarifverträge. Die Regierung solle die Vereinbarung für allgemeinverbindlich erklären, den die DGB-Gewerkschaften mit dem Bundesverband Zeitarbeit Personal-Dienstleistungen abgeschlossen haben. Er sieht einen Mindest-Stundenlohn von 6,10 (neue Länder) und 7 Euro (alte Länder) vor.

Auch die Arbeitsbedingungen der Leiharbeiter hält die IG Metall für schlechter. Dazu hat sie in einem „Sozialreport“ Berichte über Schicksale von Zeitarbeitern zusammengestellt. So hätten Leiharbeiter es schwerer, einen Betriebsrat zu gründen. Zudem stünden sie bei Erkrankungen unter höherem Druck und müssten schneller damit rechnen, gekündigt zu werden. „Wir akzeptieren nicht, dass es hier Arbeitnehmer zweiter Klasse geben soll“, sagte Höbel.

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