zum Hauptinhalt

Wirtschaft: „Ikea ist für viele Leute eine Art Ausflugsziel“

Der Deutschlandchef von Ikea, Werner Weber, über Möbel für Hunde, Einrichtungsgegenstände für Senioren und schwedisches Essen

Herr Weber, was kostet ein BillyRegal?

Puh. 39 Euro?

49 Euro. Obwohl Ikea damit wirbt, die Preise massiv gesenkt zu haben, ist das Billy-Regal jetzt teurer geworden. Wie geht das zusammen?

Wir haben in den letzten Jahren im Schnitt für all unsere Produkte die Preise um sechs Prozent gesenkt. Dass einzelne Produkte doch mal teurer werden, lässt sich aufgrund von Verhandlungen mit Produzenten und vielen anderen Faktoren nie ganz ausschließen.

Warum aber sind die gleichen Sachen bei Ikea in Deutschland oft teurer als bei Ikea in Österreich oder in England?

Es wird immer von einer Europäisierung des Marktes gesprochen, aber nie von einer Europäisierung des Lohnniveaus. Wenn ich Deutschland mit England vergleiche, dann haben wir hier in unserem täglichen Geschäft wesentlich höhere Kosten. Und die wirken sich natürlich auf den Preis aus.

Da passt es ja gut, dass kein anderes Volk in Europa bereit ist, so viel Geld für Möbel auszugeben wie die Deutschen.

Das stimmt, aber wir machen unsere Preise nicht davon abhängig, was die Leute bereit sind, für ihr Zuhause auszugeben. Sondern wir wollen auf dem jeweiligen Markt bei vergleichbaren Produkten mit Abstand den besten Preis bieten.

Seit kurzem gibt es bei Ikea die Schausonntage. Gekauft werden kann an diesen Tagen nichts, kommen trotzdem Leute?

Im Schnitt haben wir pro Filiale 3000 Besucher gezählt. Vor allem die Restaurants sind gut gefüllt, die dürfen wir ja ganz legal öffnen.

Die Leute kommen also um zu essen?

Ikea ist für viele so etwas wie ein Ausflugsziel. Die Leute kommen um Möbel zu gucken und zu essen. Wir dürfen an den Sonntagen weder verkaufen noch beraten und haben auch gar keine eigenen Mitarbeiter im Einsatz. Wir nutzen externe Dienstleister. Unsere Betriebsräte waren gegen Sonntagsarbeit.

Und dagegen haben Sie sich nicht durchsetzen können?

Das haben wir gar nicht versucht. Die Lösung mit den Externen ist völlig in Ordnung. So kann wenigstens niemand behaupten, Ikea versuche hintenrum aus den Sonntagen doch noch verkaufsoffene Tage zu machen.

Gibt es vor Weihnachten bei Ikea Rabatte?

Nein. Nach Weihnachten kommt Knut ...

... so nennen Sie Ihre Schlussverkäufe

... und dann geht’s los, dann lassen wir die Preise wieder ordentlich purzeln.

Was ist, wenn die Konkurrenz schon vor Weihnachten die Preise purzeln lässt, ziehen Sie dann nach?

Unsere Preise sind verlässlich niedrig. Rabattschlachten sind kontraproduktiv. Kein Kunde kauft gerne bei einem Laden, der andauernd die Preise senkt.

Wie bitte?

Na ja, wenn ein Sofa heute um 30 Prozent reduziert ist und morgen schon um 50 Prozent, dann frage ich mich als Kunde doch, ob ich es übermorgen vielleicht 70 Prozent billiger bekommen kann. Der Kunde weiß also nie, wann der richtige Zeitpunkt ist um zuzugreifen.

Sie haben jetzt 33 Filialen in Deutschland. Wie viel Ikea geht hier noch?

Bis 2010 werden wir in Deutschland noch etwa 17 Häuser mehr haben.

In Berlin haben Sie drei Häuser. Nehmen die sich nicht gegenseitig die Kunden weg?

Ikea hat durch das dritte Haus in Tempelhof neue Kunden gewonnen. In den anderen Häusern ist die Kundenzahl dafür rückläufig, damit haben wir auch gerechnet. Da hat eine durchaus gewollte Umverteilung stattgefunden. Allerdings liegt der Umsatz der drei Häuser insgesamt leicht hinter unseren Erwartungen.

Also wird es ein viertes Ikea-Haus in Berlin nicht geben?

Oh doch, wir haben schon ein Grundstück in Lichtenberg auf der Frankfurter Allee gekauft. Aber wir warten erst die Entwicklung der drei anderen Häuser ab und entscheiden dann, wann wir das vierte eröffnen.

Neue Häuser, das ist ein Weg zu wachsen. Es geht aber auch über neue Sortimente.

Der Markt der Zukunft liegt in multifunktionalen Möbeln. Patchworkfamilie, Wochenendbeziehung oder zwischen zwei Wohnorten pendeln – so sieht die Lebenssituation von immer mehr Menschen aus, und der müssen sich die Möbel anpassen.

Ein Beispiel?

Etwa ein multifunktionaler Stuhl, der so konstruiert ist, dass er Sitzgelegenheit und Abstellfläche in einem ist. An solchen Ideen arbeiten unsere Designer.

Was wird in Zukunft noch wichtig?

Möbel für Haustiere. Viele Menschen wollen nicht, dass ihr kleiner Liebling auf irgendeiner Decke schläft, sie soll bequem sein, gut aussehen und zur Einrichtung passen. Wir haben schon jetzt Hundekörbchen, Fressnäpfe und Katzendecken im Sortiment und das werden wir im kommenden Jahr noch ausweiten.

Ausgeweitet haben Sie das Angebot von Möbeln im Landhausstil. Ist das der Versuch, eine Linie für Senioren einzuführen?

Der Landhausstil ist in Deutschland einer der beliebtesten Einrichtungsstile überhaupt – in allen Altersklassen. Da geht es also eher um eine Geschmacks- als eine Altersfrage. Klar ist, Familien mit Kindern bleiben eine unserer Hauptzielgruppen.

Eine große Familie sind angeblich ja auch auch die Ikea-Mitarbeiter: Alle duzen sich und sind immer wahnsinnig nett zueinander.

Wir denken eben nicht hierarchisch, jeder wird gleich behandelt. Bei uns fährt auch der Vorstand einen Passat als Firmenwagen und fliegt Economy. IkeaGründer Ingvar Kamprad hat das schon vor 50 Jahren formuliert, da hatte er noch gar keine Ahnung von Managergehältern und Neiddebatten. Er hat sich einfach nur gedacht, wenn ich für meine Kunden ein Low-Price-Unternehmen sein will, dann geht das nur glaubwürdig, wenn ich auch ein Low-Cost-Unternehmen bin.

Bei Ikea ist also ist die Verkäuferin in der Textilabteilung genauso wichtig wie Sie als Chef?

Klar, weil diese Mitarbeiterin viel besser als ich weiß, was in unserem Textilsortiment gut läuft und was die Kunden denken. Das ist in jedem Unternehmen so. Aber bei uns können die Mitarbeiter ihr Wissen auch einbringen. Sie sind dazu sogar ausdrücklich aufgefordert.

Man kann also einfach in Ihr Büro kommen und sagen „Du Werner, ich hab da mal eine Idee“?

Ja. Letztes Jahr Weihnachten saß ich in der Kantine beim Essen, da kam eine Mitarbeiterin und haute mir einen Stapel Zettel auf den Tisch. Das waren Kundenbeschwerden, weil wir keine Weihnachtsstoffe mehr geführt haben. „Wir müssen die unbedingt wieder ins Sortiment nehmen“, hat sie gesagt und mich losgeschickt, das zu organisieren.

Und wenn es Verspannungen gibt, dann lassen sich Ikea-Mitarbeiter während der Arbeitszeit auf Firmenkosten massieren?

Ja. Ein Großteil unserer Mitarbeiter bewegt am Tag relativ viel Ware, die auch schwer ist. Wir können zwar nicht die Gesundheitsreform beeinflussen, aber wir haben mit dem Betriebsrat überlegt, was wir für die Mitarbeiter tun können. Dabei ist die Idee mit der Massage entstanden.

Warum gibt es bei Ikea keine Betriebskindergärten?

Mit dem Thema beschäftigen wir uns seit Jahren. Aber die Idee von Betriebskindergärten ist an der deutschen Bürokratie gescheitert. Wenn sie als Unternehmen da etwas tun wollen, ist es unglaublich auf wie viele bürokratische Hindernisse sie stoßen. Allein die Unterschiede in der Gesetzgebung von Berlin bis Bayern sind der helle Wahnsinn.

Wenn der Ladenschluss liberalisiert wird, wollen sie dann bis 22 Uhr öffnen?

Das muss man sich für jeden Standort genau anschauen. Aber in den Stadtlagen könnten wir uns schon vorstellen, unter der Woche länger zu öffnen.

Würden Ihre Mitarbeiter das mitmachen oder wäre es dann bei Ikea mit der heilen Betriebswelt vorbei?

Als der Einzelhandel samstags bis 20 Uhr öffnen durfte, haben wir das von Anfang an genutzt. Das haben wir zum einen durch Mitarbeiter abgedeckt, die wir extra für die Samstage eingestellt haben. Es gibt aber auch eine Reihe von Mitarbeitern, die gerade zu diesen Zeiten arbeiten möchten, weil es zu ihrer Lebenssituation passt. Ähnlich sähe das auch aus, wenn wir unter der Woche länger öffnen. Natürlich sind wir uns darüber im Klaren, dass ein Teil unserer Mitarbeiter darüber nicht sehr erfreut sein würde.

Ikea gibt es seit 30 Jahren in Deutschland. Wie hat Ikea das Wohnen verändert?

Wir haben Farbe in die Wohnungen gebracht. Und wir haben den Menschen gezeigt, dass man sich nicht mit 20 eine komplette Einrichtung kaufen muss, die sich dann nie mehr verändern darf. Aber Ikea hat nicht nur das Was, sondern auch das Wie beim Möbelkauf verändert. Oder können Sie sich dran erinnern, dass man vor Ikea Möbel in flachen Paketen gekauft und dann selbst aufgebaut hat?

Das Gespräch führte Dagmar Rosenfeld

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false