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Das denkmalgeschützte Ensemble verfällt seit 1997. Seit 2009/10 gehört es dem Möbelhändler Kurt Krieger.

©  Reinhart Bünger

Gerichtsurteil zum Pankower Tor: Investor muss denkmalgeschützte Lokschuppen retten

Seit zehn Jahren lässt Kurt Krieger seine Lokschuppen verfallen. Damit ist jetzt Schluss, sagte das Gericht. Der Beschluss ist unanfechtbar.

Wenn es um große Erfolge geht, sind Pressestellen in der Regel durchaus redselig. In dieser Hinsicht unterscheidet sich ein Bezirksamt in Berlin – sagen wir: in Pankow – nicht von kommerziellen Unternehmen: So sieht man „Pankow auf dem Weg zur kinderfreundlichen Kommune“. Auch der „Baubeginn auf den zwei Spielplätzen in der Jablonskistraße“ gehörte kürzlich in das amtliche Sprachrohr – völlig zurecht.

Umso erstaunlicher, dass sich das Bezirksamt nicht für einen Erfolg feiern lassen will, dass seine eigene Untere Denkmalschutzbehörde unter Leitung von Kerstin Lindstädt jüngst vor Gericht verbucht hat: Möbelmilliardär Kurt Krieger ist – bereits am 17. Februar – krachend vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) mit der Vorstellung gescheitert, ihm sei es aus wirtschaftlichen Gründen nicht zuzumuten, ein denkmalgeschütztes Ensemble notdürftig zu schützen, das er selbst seit 2009/2010 verfallen lässt, weil er es ohnehin abreißen lassen möchte.

Keine Presseerklärung aus dem Bezirksamt: Ein Maulkorb in eigener Sache?

Keine Zeile also zum Aktenzeichen OVG 2S 5.19. Weder im Pressedienst des OVG, der der Öffentlichkeit in dieser Angelegenheit keinen Dienst geleistet hat, auch keine Zeile in den Verlautbarungen der Pankower Bezirksleitung. Was ist da los? Fast scheint es, als habe sich das Bezirksamt selbst auf Weisung seiner politischen Führung – Bürgermeister: Sören Benn (Die Linke), Baustadtrat Vollrad Kuhn (Bündnis 90/Grüne) – einen Maulkorb verpasst.

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Auch aus der sonst so rührigen Pressestelle von Berlins Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Die Linke) zur stadtpolitisch bedeutsamen OVG-Causa – die eine Entscheidung für den Denkmalschutz ist – kein Wort. Vertreter der Senatorin sitzen bei entscheidenden Abstimmungsrunden in Pankow stets mit am Tisch. Warum also das gesammelte Schweigen?

Vielleicht, weil man sich auf der politischen Ebene sowohl im Bezirk als auch im Senat längst darüber einig ist (wie unter der Hand offen zugegeben wird): Die Denkmäler sollen weg.

Am 10. März 2020 soll der Aufstellungsbeschluss des Bebauungsplans zum Bauprojekt „Pankower Tor“ gefeiert werden. Nach zehn Jahren– so lange nämlich gehört der Krieger Projektentwicklung GmbH die Brache. Die OVG-Entscheidung dürfte die Freude eintrüben: Solange der Streit über den Fortbestand der Denkmäler nicht entschieden ist, dürfte es schwer werden, hier die geplante Schule zu bauen. Sie würde planungsräumlich in einer Spange liegen, die das künftige Neubaugebiet Blankenburger Süden mit dem Pankower Tor verbindet.

Die Ausgangslage sieht derzeit so aus: Das Oberverwaltungsgericht Berlin- Brandenburg hat im Eilverfahren entschieden, dass Investor Kurt Krieger (Möbel Höffner, Möbel Walter, Möbel Kraft, Sconto etc.) die denkmalgeschützten Güterbahnanlagen in Pankow-Heinersdorf mit Rundlokschuppen, Ringlokschuppen und Sozialgebäude erhalten muss.

Über den Abriss wurde in der Hauptsache noch nicht entschieden

Mit seinem Beschluss stellte das Gericht klar, dass Krieger trotz des noch zu entscheidenden Widerspruchverfahrens in der Hauptsache (Abrissantrag) der Sicherungsanordnung des Bezirks vorläufig Folge zu leisten hat.

Möbelhändler und Investor Kurt Krieger bei einer Begehung seines denkmalgeschützten Rundlokschuppens am S-Bahnhof Pankow Heinersdorf am 2. September 2016.
Möbelhändler und Investor Kurt Krieger bei einer Begehung seines denkmalgeschützten Rundlokschuppens am S-Bahnhof Pankow Heinersdorf am 2. September 2016.

© Reinhart Bünger

Unter Denkmalschutz stehen der in den Jahren 1901-1906 errichtete Ringlokschuppen (Objekt-Dokumenten-Nummer: 09085379) des Betriebswerks Pankow, dazu der 1889 entworfene und 1893 fertiggestellte Rundlokschuppen Pankow für Güter- und Rangierlokomotiven (09050599) – beide in Auftrag gegeben von der Königlichen Eisenbahndirektion Berlin – sowie das zu DDR-Zeiten errichtete Sozialgebäude (09085380), das aus den Jahren 1960/61 datiert und von der Deutschen Reichsbahn in Auftrag gegeben wurde.

Zwar könnte das juristische Verfahren in den nächsten Jahren noch in der Hauptsache vor Verwaltungs- und Oberverwaltungsgericht weitergehen, bis dahin sind jedoch die vorläufigen Sicherungsmaßnahmen durch den Investor umzusetzen: Die Dächer müssen instandgesetzt und neu eingedeckt werden, beim Sozialgebäude wird der Beton saniert, zum Schluss erhalten alle drei Gebäude eine Bauwerksentwässerung. Das ist das Mindeste.

Das OVG bestätigte eine frühere Entscheidung des Verwaltungsgerichts (AZ.: VG13 L 271.18 Berlin), dass nämlich „die Schäden an den Gebäuden auf unterlassenen Instandhaltungen beruhen“. Dem sei „die Antragstellerin (die Krieger Handel SE, d. Red.) nicht entgegengetreten. Sie hat vielmehr bestätigt, dass die eingetretenen Gebäudemängel ausschließlich auf fortschreitender Alterung beruhen und die Baulichkeiten seit 1997 nicht mehr instandgehalten wurden“.

Eigentumsverhältnisse am Pankower Tor.
Eigentumsverhältnisse am Pankower Tor.

© Nils Klöpfel/TSP

Krieger muss jetzt aktiv werden, sonst wird der Bezirk auf seine Kosten aktiv „Ersatzvornahme“ heißt das unter Juristen. Das weiß niemand besser als Edda Metz, Geschäftsführerin der Krieger Projektentwicklung GmbH. „Gemäß Entscheidung des OVG müssen wir die drei Denkmäler, Rundlokschuppen, Ringlokschuppen und Verwaltungsgebäude gegen Verfall sichern, und genau das tun wir. Die Leistungen werden derzeit ausgeschrieben.

Wir werden nur an ein Büro vergeben, das Erfahrung mit Denkmalsicherung hat und öffentlich bestellte Sachverständige sind“, sagt Metz auf Anfrage: „Wir investieren über drei Millionen in diese Sicherung, ohne dass über das Hauptsacheverfahren, nämlich den Abriss, entschieden ist. Ein Denkmal kann abgerissen werden, wenn es keine wirtschaftlich tragfähige Nutzung dafür gibt, oder ein öffentliches Interesse besteht, z.B. der Bau einer Schule. Dieses Hauptsacheverfahren ist noch bei Gericht anhängig.“

Der Investor will zwei Denkmäler abreißen, eines erhalten

Einen Antrag von Krieger auf Erteilung einer Abbruchgenehmigung hat das Land Berlin mit Bescheid vom 6. Dezember abgelehnt. Dagegen hat Krieger mit Schreiben vom 17. Dezember 2018 Widerspruch erhoben. In diesem Hauptsacheverfahren ging es bisher nicht weiter.

Das dürfte aber nun der Fall sein, nachdem klar ist, dass Krieger den Zustand der Gebäude erst einmal stabilisieren muss. „In dem Verfahren, das wir jetzt verloren haben, ging es ja allein darum, dass wir Sicherungsmaßnahmen gegen den Verfall durchführen müssen.

Das bedeutet aber auch, dass der Raum immer noch offen ist für einen gerichtlichen Vergleich“, deutet Edda Metz Bewegung an. Kriegers „Vergleich“ zielt weiterhin darauf, zwei der drei  erworbenen – aber ungeliebten – Denkmäler durch Abriss loszuwerden. „Soll heißen“, so die Geschäftsführerin weiter: „In einem Vergleich würden wir uns zur denkmalgerechten Sanierung des Rundlokschuppens verpflichten – hierauf besteht ungeachtet des vorliegenden Urteils und des noch ausstehenden Hauptsacheurteils kein Anspruch der Denkmalbehörde. Dafür wird der Ringlokschuppen und das Verwaltungsgebäude zugunsten einer Schule für 1500 Kinder abgerissen.“

Eigentum verpflichtet? Der Rundlokschuppen am S-Bahnhof Heinersdorf verfällt seit 1997. Das kreisrunde Gebäude mit 64 Meter Durchmesser steht wegen der so genannten Schwedlerkuppel in 38 Meter Höhe unter Denkmalschutz.
Eigentum verpflichtet? Der Rundlokschuppen am S-Bahnhof Heinersdorf verfällt seit 1997. Das kreisrunde Gebäude mit 64 Meter Durchmesser steht wegen der so genannten Schwedlerkuppel in 38 Meter Höhe unter Denkmalschutz.

© Reinhart Bünger

Deal! Deal?

Berlins obere und untere Denkmalschutzbehörden sind qua Gesetz verpflichtet bei neuen Vorhaben abzuwägen: Steht der Bau einer Schule – die letztlich auch anderenorts errichtet werden könnte – höher im öffentlichen Interesse als die Erhaltung von Denkmälern und kann Krieger wirklich nicht zugemutet werden, die Denkmäler zu sichern und instandzusetzen?

Klar ist: Wenn es keine Entscheidung in der Hauptsache gibt, oder diese zu Ungunsten Kriegers ausfällt, bleiben die nun dringend zu schützenden Denkmäler zunächst so in der Landschaft stehen. Allerdings könnte der Bezirk über seine Untere Denkmalschutzbehörde verlangen, dass die Gebäude denkmalgerecht wiederhergestellt werden - und eine  Wiederherstellungsanordnung erlassen.

Dann gibt es allerdings auch keine Schule, für die in diesem Falle auch kein Platz da wäre. In einer städtebaulichen Studie des Bezirkes zur „Entwicklung Heinersdorf“ liegt die Schule auf dem Gelände des Bundeseisenbahnvermögens (BEV), das derzeit von Kleingärtnern genutzt wird.

Krieger würde die Schule – vielleicht – sogar auf eigene Kosten bauen, wenn er sich vergleicht. Sein Unternehmen müsste nicht ausschreiben, sondern könnte das Grundstück übertragen – die Erschließungsmaßnahmen würde Krieger eventuell auch tragen. Dann hätte man in spätestens 3 bis 5 Jahren ein Gemeinschaftsschule für etwa 1500 Schüler.

Das Hauptsacheverfahren könnte verloren gehen, deutete das OVG an: „Dem Beschwerdevorbringen ist nicht zu entnehmen, dass es seit der Entwidmung der Objekte im Jahr 1997 weder rechtlich noch tatsächlich irgendeine Nutzungsmöglichkeit für die Gebäude gibt.“

Und: „Das Wirtschaftlichkeitsgutachten belegt auch nicht, dass eine wirtschaftliche Nutzung zum gegenwärtigen Zeitpunkt offensichtlich ausgeschlossen wäre.“ Drittens sei nicht dargestellt worden, dass ein Verkauf unmöglich wäre oder unzumutbar sei. Krieger erwägt nach Tagesspiegel-Informationen inzwischen, das Hauptsacheverfahren nicht mehr weiter zu verfolgen. Die Niederlage vor dem OVG war deutlich.

Wenn die von Krieger beauftragten Unternehmen entlang der Bahntrasse am S-Bahnhof Heinersdorf mit der Aufstellung von Sicherungsgerüsten beginnen, wird es wieder eng auf dem nahe gelegenen Park+Ride-Parkplatz: Ohne Gleissperrungen und Fahrleitungsabschaltungen wird da nichts zu machen sein. Wer bezahlt eigentlich den Ersatzverkehr?

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