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Wohnen am Prachtboulevard Ku'damm. Luxusimmobilien werden hierzulande immer unbeliebter. Wer kann sich denn so etwas leisten?

© imago/Müller-Stauffenberg

Wohnungspolitik: Versagt der Staat oder der Markt?

"Real Estate Conference Berlin" diskutiert die Folgen der Globalisierung. Die Hauptstadt könne im Wohnungsbau mehr tun, sagen die Experten.

Deutschlands Luxusimmobilien werden immer beliebter, besonders die in der Hauptstadt: Die Nachfrage nach Berlins gehobenen Immobilien ist im ersten Halbjahr 2016 um durchschnittlich 14 Prozent gestiegen. Damit ist Berlin Deutschlands größter Markt für Luxusimmobilien für In- und Ausländer. Das jedenfalls will die Online-Plattform „LuxuryEstate.com“ laut Mitteilung nach einer Auswertung von Suchanfragen im ersten Halbjahr 2016 im Vergleich zum ersten Halbjahr 2015 ermittelt haben.

Während Berliner Luxusimmobilien zum Beispiel bei US-Amerikanern immer beliebter werden, werden sie hierzulande immer unbeliebter: Wer kann sich denn so etwas leisten? Das fragen sich viele. Die Kaufinteressierten aus dem In- und Ausland wären im Schnitt bereit, drei Millionen Euro in deutsche Immobilien zu investieren, teilte „LuxuryEstate.com“ mit.

Die Schere zwischen Mittel- und Oberschicht klafft immer weiter auseinander. Die Folgen der Globalisierung sind auf den Immobilienmärkten angekommen, so auch in deutschen Großstädten. Die größte Nachfrage aus dem Ausland zielt auf Berlin, gefolgt von München und Frankfurt am Main.

Bundesbauministerin will Familien mit Eigenkapitalzuschüssen unterstützen

Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) will nun sogar mit einem Förderprogramm auf eine vermeintliche Schieflage im deutschen Immobilienmarkt reagieren. „Selbst Familien mit mittleren Einkommen können sich in größeren Städten heute kein Eigentum leisten, weil die Grundstücke zu teuer sind“, sagte die Ministerin Presseberichten zufolge. „In besonders nachgefragten Lagen müssen wir deshalb auch besondere Maßnahmen ergreifen.“ Einmal mehr geht es – nach der weitgehend erfolglosen Einführung der „Mietpreisbremse“ und der Neuordnung der Grundsteuer – um die Regulierung von Teilbereichen eines angeblich nicht funktionierenden Marktes.

Zur Förderung von Eigentum in besonders nachgefragten Regionen sollen Familien mit Eigenkapitalzuschüssen nun gezielt unterstützt werden, sagte Hendricks: „Die Unterstützung soll zwischen mindestens 8000 und rund 20 000 Euro liegen, je nach Kinderzahl“, kündigte Hendricks an, ohne weitere Details zu nennen. Das Förderprogramm, über das noch im November entschieden werden soll, soll 2017 beginnen. Ein Schritt in die richtige Richtung?

Die verantwortlichen Immobilienpolitiker in Deutschland hantieren derzeit mit gefährlichen Werkzeugen, finden Vertreter der Immobilienwirtschaft. Ihre Protagonisten kamen in dieser Woche in Berlin zum ersten großen Event nach der internationalen Immobilienfachmesse Expo in München zusammen, um auf Einladung der internationalen Transaktionskanzlei Greenberg Traurig eine makro- und mikroökonomische Zwischenbilanz nach der Lehman-Pleite 2008 zu ziehen.

„Eine Regulierung des Marktes ist mit Hilfe der Marktwirtschaft eher zu erreichen als gegen sie“, sagte Steffen Sebastian vom Lehrstuhl für Immobilienfinanzierung an der International Real Estate Business School (IREBS).

"Wir haben keine Wohnungsnot, wir haben einen Wohnungsmangel"

In der deutschen Wohnungswirtschaft gebe es keine Monopole, demzufolge auch kein Marktversagen, infolgedessen auch keine Gründe für ein Eingreifen des Staates. Der Professor aus Regensburg wusste sich dabei sogar mit Hendricks Staatssekretär Gunther Adler einig, der auf der Veranstaltung im Atrium des Gebäudes Potsdamer Platz 1 sagte: „Wir haben keine Wohnungsnot, wir haben einen Wohnungsmangel.“

Eigentlich sei auf den Immobilienmärkten – mehr oder weniger – alles im Lot. Die Ängste vor sozialem Abstieg müsse man natürlich ernst nehmen. Nicht zulassen dürfe man, dass sich „das Gefühl der Konkurrenz in unserer Gesellschaft verfestigt“, sagte Adler zum Zuzug von Flüchtlingen. Aber: „In den ersten sechs Monaten sind rund 30 Prozent mehr Wohnungen genehmigt worden als im Vorjahr. Wenn die Entwicklung so andauert, werden wir am Ende der nächsten Legislatur das selbst gesteckte Ziel von 350 000 bis 400 000 Neubauwohnungen erreicht haben.“

Eine Immobilie ist eine gute Alternative zum Sparkonto

Fragt sich nur, wer in die neu gebauten Wohnungen einzieht und zu welchen Konditionen. Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und Professor für Makroökonomie an der Humboldt-Universität zu Berlin, riet auf der Real Estate Conference Berlin (ReCon Berlin) dringend zur Eigentumsbildung. „Wir haben in Deutschland eine eigenartige Weise zu sparen – dabei sind doch Immobilien Alternativen zum Sparkonto.“

Das findet auch Christian von Stetten, für die CDU Mitglied des Deutschen Bundestags und dort Mitglied im Finanzausschuss: „Menschen in Eigentum zu bringen wird wichtiger denn je. Das muss das Ziel für die nächsten zwanzig Jahre sein – dann haben wir auch das Problem der drohenden Altersarmut gelöst.“ (Siehe dazu auch Seite I 3).

Die Hauptstadt könne im Wohnungsbau deutlich mehr tun, sagte Fratzscher: „Berlin hat fantastische Möglichkeiten, die freien Flächen auszubauen – die Hauptstadt wird die Metropole in Europa sein, die weiter an Attraktivität gewinnt.“

Einig waren sich die Teilnehmer der ReCon – Lukas Siebenkotten, Direktor des Deutschen Mieterbundes, einmal ausgenommen –, dass die „Mietpreisbremse“ nach der Bundestagswahl im kommenden September verschrottet werden sollte. Es gebe ja auch keine Preisbremse beim Verkauf von Lebensmitteln an Minderbemittelte, gab Steffen Sebastian zu bedenken. Durch das Instrument werde zudem preiswerter Wohnraum vernichtet, weil für die Neuvermietung einer durchmodernisierten Wohnung zunächst keine Preisbremse greife. Und einig waren sich Vertreter aller Parteien und des Immobiliendachverbandes ZIA auf der Veranstaltung auch, dass endlich ein Mietenspiegel auf Grundlage aller abgeschlossenen Mietverträge in Deutschland erhoben werden sollte. Dann hätten auch die Investoren aus dem Ausland einen besseren Überblick.

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