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Das Bauvorhaben der CG Gruppe am Halleschen Ufer

© imago/Schöning

Sozialwohnungen in Berlin: „Wieder bei Null“: Postscheckamt wird neu geplant

Der Investor strebt eine neue Verteilung von Gewerbe- und Wohnflächen an. Kreuzbergs Bauausschuss ist von den neuen Plänen enttäuscht.

Die Schaffung neuer und dringend benötigter Sozialwohnungen in Berlin wird nach Informationen dieser Zeitung weiter zurückgeworfen: Das Umbauprojekt der CG Gruppe in Kreuzberg liegt wieder auf Eis. In das alte Postscheckamt Berlin West werden weiterhin keine Wohnungen eingebaut, weil es keinen städtebaulichen Vertrag und damit in absehbarer Zeit auch kein Baurecht gibt.

Berliner kennen das Gebäude am U-Bahnhof Möckernbrücke noch als Verwaltungsgebäude der Postbank.

Investor Christoph Gröner sagte dieser Zeitung, dass sich sein Vorhaben nach ein aufgeregten Sitzung des Bauausschusses der Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg am Mittwoch vergangener Woche um mindestens ein Jahr verzögert. Baustadtrat Florian Schmidt (B’90/Die Grünen) war für den Tagesspiegel in dieser Angelegenheit nicht zu erreichen; seine Pressesprecherin Sara Lühmann konnte auf Anfrage keine Auskunft zum Stand der Dinge geben.

Der Streit im Bauausschuss der BVV

Berlins Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) will das Vorhaben trotz der jahrelangen Hängepartie nicht an sich ziehen, erklärte eine Sprecherin der Senatorin auf Anfrage. Dies sei nur möglich „wenn dringende Gesamtinteressen Berlins beeinträchtigt sind oder im dringenden Gesamtinteresses Berlins ein Bebauungsplan erforderlich ist (siehe dazu Paragraf 7 AGBauGB)“.  Der Bau von Sozialwohnungen liegt an dieser Stelle ergo offenbar nicht dringend im Gesamtinteresse Berlins.

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© Tsp

Der Streit im Bauausschuss der BVV entzündete sich an der neueren Planung der CG Gruppe, die nun eine andere Verteilung von Gewerbe- und Wohnflächen in ihrem Bauprojekt anstrebt. War zunächst stets von dreißig Prozent für das Gewerbe und siebzig Prozent für das Wohnen die Rede, so geht es jetzt um eine jeweils hälftige Verteilung der Nutzungsarten. Gröner begründete dies dem Tagesspiegel gegenüber mit der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung, die vom Bezirk gewünscht werde. Die Öffentlichkeit dringe darauf, dass mehr Gewerbeflächen auch für den kleinen Geldbeutel eingeplant würden und das habe die CG Gruppe getan. „Nun haben wir das Gefühl, bei diesem Bauvorhaben wieder bei Null zu sein.“ Zunächst seien 750 Wohnungen an Ort und Stelle geplant gewesen, die Zahl habe man nun auf 500 reduziert und stattderer in der gleichen Kubatur die Zahl der Büroflächen gesteigert.

58 mietpreisgedämpfte Wohnungen fallen weg

Bereits im Dezember 2017 waren im Turm neue Bewegungen in Richtung Gewerbe zu erkennen. Das Entertainment-Unternehmen Sky Deutschland mietete sich auf einigen Etagen ein. „Jetzt wurden in der 11. bis 14. Etage des Hochhauses Hallesches Ufer 60 in 10963 Berlin-Kreuzberg Wände herausgerissen, Leitungen verlegt und Möbel eingeräumt“, hieß es in einer Mitteilung. „Hochmoderne, ergonomische Arbeitsplätze auf mehr als 4000 Quadratmetern über den Dächern Berlins“, sollten geschaffen werden, so Sky am 26. Januar: „In den nächsten zwei Jahren: Ausbau auf bis zu 300 neue Arbeitsplätze.“ Derzeit läuft die Recruiting-Phase für den neuen Standort; in den durch Kreuzberg laufenden U-Bahn-Zügen hängen entsprechende Stellenanzeigen. Das neue Center ist der zweite Sky Standort im Berliner Raum. Schon seit 2012 betreibt das Unternehmen ein Service Center in Teltow.

Strittig ist neben der Wohn-/Gewerbenutzung nach Gröners Angaben auch die Tiefgaragenzufahrt: Der Senat meine, vom Halleschen Ufer aus könne man hier nicht ein- und ausfahren. Der Bezirk dagegen wolle nicht, dass der neue Standort von der Großbeerenstraße aus erreicht wird. Will man nicht ernsthaft Lufttaxis in Betracht ziehen, dürfte dieser Konflikt schwer lösbar sein. Den Ärger um die Gewerbeflächen versteht Gröner nicht: Es spreche in Anbetracht des Verkehrslärms wenig dagegen, auf der dem Halleschen Ufer zugewandten Gebäudeseite Büros unterzubringen.

Marlene Heihsel, Mitglied der Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg und Mitglied des Bauausschusses, bedauert auf Anfrage, dass es in Kreuzberg nicht voran geht. „Wir haben im Oktober 2017 endlich die ersten Schritte Richtung Bebauungsplan eingeleitet – da ging es noch um 70 Prozent Wohnen und 30 Prozent Gewerbe.“ Nun wisse man aber erst seit der vergangenen Woche von der Fifty-Fifty-Variante und sei enttäuscht, dass im Zuge der Neuplanung 58 mietpreisgedämpfte Wohnungen wegfallen würden – zugunsten des Gewerbes. Immerhin, so Heihsel: „Es gibt nun eine Etage im Wohnturm, die für Kultur und Kleingewerbe vorgesehen ist.“ Die Mietpreise sollten so gestaltet werden – versicherten Vertreter der CG-Gruppe im Ausschuss – dass Künstler sie sich leisten könnten, berichtet Heihsel. „Gewerbeflächen sind im Bezirk knapp“, sagt die FDP-Politikerin zur Positionsbeschreibung ihrer Partei: „Aber Wohnraum sollte priorisiert werden.“ Man wisse im Moment nur nicht so recht, welche Rolle das Bezirksamt spiele.

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