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Als Stahlkonzern wird Thyssen-Krupp bislang wahrgenommen. Bei der Historie von Thyssen und Krupp ist das kein Wunder. Der ehemalige Siemens-Industrievorstand Heinrich Hiesinger will nun in Essen einen „integrierten Industriekonzern“ schaffen.

© dapd

Thyssen-Krupp: Industrie statt Stahl

Der größte deutsche Stahlkonzern bemüht sich um ein neues Image. Thyssen-Krupp wird umgebaut. Aufsichtsrat und Gewerkschaft stimmen zu.

Berlin - „Wir haben das Ziel, Thyssen-Krupp zu einem diversifizierten Industrieunternehmen zu entwickeln“, sagte der Vorstandsvorsitzende Heinrich Hiesinger am Freitag am Unternehmenssitz in Essen. Damit scheinen die Hoffnungen vieler im Konzern aufzugehen: Der von Siemens zu Thyssen-Krupp gekommene Industriemanager Hiesinger wird den von seinem Vorgänger Ekkehard Schulz über zehn Jahr geprägten Stahlkurs behutsam korrigieren. Dazu werden, wie berichtet, diverse Geschäftsfelder und Tochterfirmen mit insgesamt 35.000 Mitarbeitern und zehn Milliarden Euro Umsatz verkauft oder an die Börse gebracht.

Hiesinger bekam dafür am Freitag die Zustimmung des Aufsichtsrats – inklusive der Arbeitnehmer. Vorstand, Betriebsrat und IG Metall hatten in den vergangenen Tagen Vereinbarungen getroffen, wonach die Arbeitnehmervertreter in die Verkaufsverhandlungen einbezogen werden. Ferner gibt es einen Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen und Werksschließungen. „Das ist eine ganz wichtige Botschaft“, sagte Hiesinger, und hatte dabei vermutlich auch Bundespräsident Christian Wulff im Blick. Der hatte vor einer Woche sehr kurzfristig den Besuch des neuen Stahlwerks in Brasilien abgesagt. Der Präsident war pikiert über die Umbaupläne, von denen er im Übrigen gerne vorab informiert worden wäre.

Brasilien ist gemeinsam mit dem ebenfalls neuen Stahlwerk im US-Staat Alabama die einzige Konzernsparte mit Verlust. Im ersten Halbjahr des laufenden Geschäftsjahres (bis 30.9.) belastete dieser „Steel Americas“ genannte Bereich das Ergebnis mit knapp 700 Millionen Euro. Beide Anlagen, die zusammen fast zehn Milliarden Euro gekostet haben, waren im vergangenen Jahr in Betrieb gegangen, weshalb der Konzern hier noch von „hochlaufbedingten Verlusten“ spricht. Diese verringern sich aber nun kontinuierlich. Es sind indes vor allem die Stahlwerke, die die Schulden auf 6,5 Milliarden Euro steigen ließen. Auf diese Problematik wies auch Hiesinger hin. Er wisse sehr wohl, so der Vorstandsvorsitzende, dass es in den kommenden Jahren darauf ankomme, „die richtige Balance zwischen der Reduzierung unserer Finanzverbindlichkeiten und dem Ausbau unserer Geschäfte zu finden“.

Beim Ausbau von alten und neuen Geschäften setzt der Vorstand vor allem auf die Ingenieurskompetenz des Konzerns und die weltweiten Megatrends. Hiesinger nannte die Demografie, die Urbanisierung, den weltweiten Warenverkehr und die Ressourceneffizienz. Von heute sieben Milliarden werde die Zahl der Menschen bis 2050 auf neun Milliarden steigen. Dazu komme „ein Plus von weltweit einer Milliarde Autos bis 2050“. Auch deshalb würden allein in China in den nächsten fünf Jahren 1500 Milliarden Dollar in Infrastruktur und moderne Industrien investiert.

Parallel dazu sieht Hiesinger den Markt für alternative Energien bis 2020 auf 3200 Milliarden Dollar steigen und das bei einem stark anziehenden Bedarf an Primärenergie. Mit „Besser“-Konzepten will der Ruhrkonzern daran partizipieren: Effizientere Ressourcennutzung, Energieeinsparung, umweltschonende Herstellung und Nutzung von Konsum- und Industriegütern. Hiesinger nannte leichte Werkstoffe für den Automobilbau, effiziente Wälzlager für Windkraftanlagen, intelligente Aufzüge, die Energie zurückgewinnen, Anlagen zur Rohstoffgewinnung aus Ölsand sowie moderne Düngemittel- und Zementfabriken.

Aktuell sieht es trotz der Anlaufkosten auf dem amerikanischen Kontinent gut aus. Der Auftragseingang stieg im ersten Halbjahr, das im Oktober 2010 begann, um 22 Prozent, der Umsatz um 21 Prozent. Das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis erhöhte sich um 35 Prozent auf 770 Millionen Euro. „Wir profitieren von steigenden Preisen und Mengen im Werkstoff- und Komponentengeschäft“, sagte Hiesinger. Und auch mit Aufzügen und Industrieanlagen verdient der Konzern glänzend. Hiesinger sprach etwas verschwurbelt von einer „hohen Planbarkeit auf Basis eines starken Auftragsbestands mit hoher Ergebnisqualität“. Für das gesamte Jahr erwartet er nun einen Umsatzanstieg um bis zu 15 Prozent und ein bereinigtes Ergebnis von zwei (1,2) Milliarden Euro.

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