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Vorsorge. Ein Mitarbeiter versprüht Desinfektionsmittel in einer Maschine der Vietnam Airlines am Flughafen Noi Bai in Hanoi.

© Kham/Reuters

Luftzirkulation und Filter: Ist man im Flugzeug vor Corona sicherer als in der Bahn?

Züge, Busse oder Schiffe sind meistens nicht mit Spezialfiltern gegen Viren ausgerüstet – anders als Flugzeuge. New Yorks U-Bahn wird nun desinfiziert.

Zwei Verdachtsfälle, 1200 Passagiere: Auf der „Aida Aura“ wurde in Norwegen Corona-Alarm ausgelöst. Die beiden Gäste seien vor einer Woche mit einem Corona-Patienten in Kontakt gekommen. „Alle Passagiere verbleiben an Bord“, teilte die deutsche Kreuzfahrtreederei am Dienstag mit. Es war ein Fehlalarm. Die Fahrt geht nun weiter, aber die Nervosität in der Branche bleibt.    

Auf der „Diamond Princess“ hatten sich vor der japanischen Küste zuvor 600 Passagiere mit dem Coronavirus angesteckt, sieben Patienten starben bislang. Die Infektionsrate an Bord des Schiffes war viermal höher als in stark betroffenen Corona-Gebieten auf dem Land, so eine erste Studie der schwedischen Umeå-Universität. Mit ein Grund dafür könnten womöglich die Lüftungssysteme an Bord gewesen sein.

„Die Klimaanlagen von Kreuzfahrtschiffen mischen Außenluft mit Innenluft, um Energie zu sparen. Das Problem ist, dass diese Systeme keine sehr kleinen Partikel herausfiltern können. Wenn das Coronavirus ungefähr die gleiche Größe wie Sars hat, würde die Klimaanlage das Virus in jede Kabine befördern“, sagte Qingyan Chen. Der Professor an der US-amerikanischen Purdue University erforscht die Verbreitung von Viren und Bakterien in unterschiedlichen Verkehrsmitteln.

Im Bahnverkehr sei die Ausgangslage ähnlich. „Auch die meisten Züge nutzen einen Mix aus zirkulierter und frischer Luft von außen, wobei die am häufigsten eingesetzten Filtersysteme kleinste Corona-Partikel nicht effizient entfernen können“, sagte Chen Tagesspiegel Background. Das könnten nur die sogenannten Hepa-Filter, die in Zügen, Schiffen, Bussen oder U-Bahnen aber nicht eingesetzt würden.

Flugzeug-Luft so sauber wie im OP?

Hepa steht für High-efficiency particulate air und soll auch kleinste Virenpartikel aus der Luft filtern können. Solche Systeme werden bei Verkehrsmitteln bislang nur in Flugzeugen eingesetzt. „Der Abscheidegrad dieser Filter entspricht dem Standard der Filter eines klinischen Operationssaals“, heißt es bei der Lufthansa, „darüber hinaus findet die Luftströmung in Flugzeugen von oben nach unten statt. Eine horizontale Luftströmung seitwärts oder in Längsrichtung findet nicht statt“.

Im Flugzeug hängt das Übertragungsrisiko dadurch von anderen Faktoren ab, etwa wie viele Mitfliegende einem sehr nahekommen – und vor allem, was man berührt. Studien zeigen etwa, dass auf Fensterplätzen das Ansteckungsrisiko am geringsten ist, auf Gangplätzen am höchsten. Bei Corona-Verdachtsfällen an Bord gelten lediglich jene Passagiere überhaupt als „Kontaktpersonen“, die bis zu zwei Sitzreihen entfernt sind, so die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Andere Forscher sind allerdings vorsichtiger.

Anfassen sollte man ohne vorherige Desinfektion besser auf allen Plätzen nichts, wenn man gerade risikoscheu ist: Die Klapptische am Vordersitz sind Untersuchungen zufolge besonders Bakterien-belastet. Und auch nach dem Anschnallen kann es sich lohnen, die Hände zu desinfizieren. In den Toiletten steigt das Risiko naturgemäß nochmals an, was auch für Züge oder Fernbusse gilt.

New York will U-Bahn komplett desinfizieren

Bahn- und Busbetreiber sowie Reedereien, deren Verkehrsmittel keine Hepa-Filter haben, sollten während der Corona-Ausbreitung nach Möglichkeit die Klima- und Lüftungsanlagen so einstellen, dass zu hundert Prozent Frischluft in die Kabinen ströme und keinerlei umgewälzte Luft, fordert US-Forscher Qingyan Chen. Ohne die umgewälzte Luft könnten lediglich die Temperaturen etwas zu hoch oder zu tief sein.

Die Klimaanlagen seien aber nur einer unter vielen Faktoren, weshalb man nicht pauschal sagen könne, dass dieses oder jenes Verkehrsmittel riskanter sei als andere. Die WHO etwa stuft das Ansteckungsrisiko auf Kreuzfahrtschiffen bislang nicht höher ein als an anderen Orten mit großen Menschenmengen, weshalb dort die gleichen Vorsichtsmaßnahmen wie anderswo gelten sollten. An Airports wiederum gibt es oft standardmäßig Fieberkontrollen, an Bahnhöfen außerhalb von besonders betroffenen Gebieten kaum.

Nahverkehrsanbieter reagieren auf die Corona-Ausbreitung, indem sie Busse oder U-Bahnen verstärkt desinfizieren. In New York kündigte die Metropolitan Transportation Authority (MTA) am Dienstag an, sämtliche U-Bahnen und Busse alle 72 Stunden zu desinfizieren. An mehr als 700 Haltestellen sollen etwa Drehkreuze und Fahrkartenautomaten täglich gereinigt werden. In der Stadt gibt es bislang einen bestätigten Corona-Patienten

Tesla wirbt mit „Bioweapon Defense Mode“

Mit dem Geely-Konzern hat ein erster Autobauer als Reaktion auf den Coronavirus-Ausbruch die Einführung des neuen Klimasystems IAPS angekündigt, was für Intelligent Air Purification System steht und das seit Anfang März in Neuwagen verbaut wird. Es wurde in 20 Tagen entwickelt und könne Viren und Bakterien aus der Luft filtern, so das Unternehmen, sei aber nur ein erster Schritt. Weiterentwicklungen sollen folgen. 

Die ersten 150 Autos werden als Einsatzfahrzeuge in Corona-Krisenzentren eingesetzt. Das IAPS-System könnte ein Verkaufsargument werden, wenn der Automarkt in China im Laufe des Jahres wieder anzieht. Ob und wann Konzern-Töchter wie Volvo das Upgrade übernehmen, ist noch unklar. Die erste Marke mit vermeintlichem Anti-Viren-Filter ist Geely aber nicht.

Tesla wirbt bereits seit Jahren mit einem Hepa-Filter und in gewohnter Unbescheidenheit mit einem „Bioweapon Defense Mode“. Das Luftfilter-System sei von der Raumfahrt inspiriert. „Wir wollten sicherstellen, dass das System Feinpartikel, Bakterien, Viren, Pollen und Sporen fassen und eliminieren kann“, so Tesla. Das Filtersystem ist angeblich „um mehrere hundert Mal effizienter“ als bei der Konkurrenz. 

Felix Wadewitz

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