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Wirtschaft: Jetzt droht der Preisschock beim Gas

Auch die Berliner Gasag plant Aufschläge ab Jahresende / Leichte Entspannung an den Ölmärkten

Berlin – Nach dem dramatischen Anstieg der Benzinpreise droht den deutschen Haushalten in Kürze eine weitere Preisrunde beim Gas. „Der Anstieg der Beschaffungskosten führt dazu, dass auch in den nächsten Monaten mit weiteren Gaspreiserhöhungen zu rechnen ist“, sagte der Sprecher des Bundesverbands der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft, Marian Rappl, am Dienstag.

Der Berliner Versorger Gasag wird wahrscheinlich im Winter die Preise erneut anheben. Der Vorstand habe dies bereits beschlossen, jetzt müsse noch der Aufsichtsrat Ende des Monats zustimmen, sagte ein Gasag-Sprecher dieser Zeitung. Wie stark die Preise steigen sollen, will der Konzern erst kommende Woche bekannt geben. Zuletzt hatte die Gasag im Dezember 2004 die Preise erhöht.

Der Bund der Energieverbraucher warf den Gasversorgern hingegen vor, die aktuellen Rekordpreise beim Öl zu unangemessen hohen Preissteigerungen zu nutzen. „Die aktuellen Gaspreiserhöhungen haben nichts mit dem Ölpreisboom zu tun“, sagte Aribert Peters vom Bund der Energieverbraucher. Die derzeitigen Rekordstände beim Ölpreis würden sich im Rahmen der Ölpreisbindung erst mit zeitlicher Verzögerung auf die Importpreise und anschließend auf die Gasverbraucherpreise auswirken. Nach Angaben von Peters sind die Importpreise von Erdgas nach Deutschland seit Jahresanfang um 30 Prozent gestiegen. Die Verbraucherpreise seien im selben Zeitraum aber stärker nach oben gegangen. Das Statistische Bundesamt rechnet anders. Danach sind die Verbraucherpreise beim Gas von Juli 2000 bis Juli 2005 um 31,2 Prozent gestiegen.

Seit den 60er Jahren folgt der Gaspreis mit einem Abstand von etwa sechs Monaten der durchschnittlichen Entwicklung der Rohölpreise. Grund ist die Ölpreisbindung, die die Kosten für den Import von Erdgas nach Deutschland an den internationalen Ölpreis koppelt. Ursprünglich diente dies dem Schutz der Verbraucher vor willkürlichen Gaspreiserhöhungen. Vorschläge, die Bindung abzuschaffen, beurteilte der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering skeptisch. „Wichtigster Ansatz muss sein, den Ölpreis selbst zu reduzieren“, sagte er. Verbraucherschützer empfehlen Kunden, die Erhöhungen nicht ohne weiteres zu akzeptieren, Protestbriefe wurden ins Internet gestellt.

Unterdessen hat sich die Lage an den internationalen Rohölmärkten entspannt. Der Ölpreis fiel am Dienstag an der Rohstoffbörse in New York unter 67 Dollar. Die Notierung für einen Barrel (159 Liter) der Sorte Light Sweet Crude sank um 79 Cent gegenüber dem Schlusskurs vom Freitag und lag bei 66,78 Dollar. Wegen eines Feiertags wurde am Montag in New York nicht gehandelt. Als Grund für die fallenden Ölpreise nannten Händler die Entscheidungen einiger Industriestaaten, ihre strategischen Reserven teilweise freizugeben. Nach den USA und Deutschland will auch Japan von heute an rund 200000 Barrel Rohöl und Raffinerieprodukte abgeben. Die Internationale Energieagentur (IEA) hält darüber hinaus weitere Maßnahmen für denkbar. Der Verwaltungsrat wolle sich Mitte der kommenden Woche damit beschäftigen, sagte der IEA-Direktor Klaus Jacoby am Dienstag.

An den deutschen Markentankstellen kostete der Liter Superbenzin am Dienstag noch durchschnittlich 1,41 bis 1,42 Euro, teilten Sprecher der Mineralölwirtschaft in Hamburg mit. Das sind drei Cent weniger als am Freitag. Auch am Rotterdamer Markt waren die Notierungen leicht rückläufig.

Entwarnung gab es auch vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Die deutsche Wirtschaft sei vom Preisschock beim Öl weit weniger betroffen als andere Industriestaaten. Deutschland habe 2004 nur 1,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Rohölimporte ausgeben müssen, teilte das IW mit.

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) wies darauf hin, dass deutsche Autos derzeit durchschnittlich 6,8 Liter Kraftstoff auf 100 Kilometer verbrauchen – zwei Liter weniger als zu Beginn der 90er Jahre. Gegenüber 1990 sei der Verbrauch um 25 Prozent gesunken. Von den im Jahr 2004 neu zugelassenen Autos deutscher Hersteller benötige jedes zweite Fahrzeug weniger als 6,5 Liter Kraftstoff. Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) kritisierte, die Branche sei weit von ihrem Ziel entfernt, bis 2008 den Benzinverbrauch im Schnitt auf 5,5 Liter zu senken.

Daniel Rhee-Piening

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