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Mit aller Kraft. Eine chinesische Firma baut ein Teilstück der Autobahn zwischen Berlin und Warschau. Deutsche Bauunternehmer befürchten, dass die Regierung in Peking das Unternehmen mit Beihilfen dabei unterstützt, in der EU Fuß zu fassen. Foto: AFP

© AFP

Geschäfte in Zentralasien: Kampfpreise aus Peking

Chinesische Unternehmen machen aggressiv Geschäfte in Zentralasien und Osteuropa. Die deutsche Wirtschaft fürchtet die Konkurrenz.

Berlin - Wer als Manager vor zwei oder drei Jahren in Kasachstans Hauptstadt Astana ein Zimmer buchte, konnte von dort aus in aller Ruhe seinen Geschäften nachgehen, erzählte der Chef eines deutschen Unternehmerverbandes vor ein paar Tagen in Berlin. Heute seien in den Hotels der rohstoffreichen Republik in Zentralasien immer mindestens die Hälfte der Zimmer mit Gästen aus China belegt. „Die haben jetzt auch dort mehr als einen Fuß in der Tür“, sagte der Manager.

Nun steht Kasachstan mit vier Stunden Zeitverschiebung zu Deutschland nicht direkt im Fokus deutscher Handelsinteressen. Könnte man denken. Doch kasachische Banken, allesamt staatlich kontrolliert, schulden deutschen Firmen in der Summe immerhin rund 500 Millionen Euro, 300 Millionen davon sind über Hermes-Bürgschaften abgesichert. Das heißt: Sollten die Banken nicht zahlen, müsste es der deutsche Steuerzahler tun.

Was das mit China zu tun hat? Wegen dieser Schulden sind westliche Gläubigerbanken vorsichtig geworden und mögen kaum noch Geschäfte in dem Land finanzieren. Kasachische Unternehmen nehmen deshalb bereitwillig Angebote chinesischer Banken an, die natürlich chinesische Geschäfte finanzieren. „China stieg auch aus diesem Grund zum zweitgrößten Handelspartner des Landes nach Russland auf. Ein Großteil der kasachischen Ölindustrie ist inzwischen von Chinesen kontrolliert.“ Dieses Fazit und die Zahlen stammen aus einem Dossier, das der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft jetzt veröffentlicht hat. Der vor 58 Jahren gegründete Ausschuss unterstützt deutsche Firmen in Osteuropa und den ehemaligen Sowjetrepubliken.

Das Papier soll anhand konkreter Fälle aus mehreren Ländern belegen: China sticht deutsche und europäische Unternehmen überall systematisch aus – und das zum Teil mit Mitteln, die mit fairem Wettbewerb nichts zu tun haben. „Die Chinesen können antizyklisch mit vollen Taschen handeln und auf Einkaufstour gehen. Sie nutzen dabei unsere vorübergehende Schwächephase durch die Wirtschaftskrise aus“, erklärte der nach zehn Jahren im Amt jetzt abgetretene Ausschussvorsitzende Klaus Mangold.

Die Chinesen machen immer mehr Geschäfte im Ausland, auch in Europa. Mit Weißrussland hat Peking schon 70 bilaterale Handelsabkommen geschlossen, den Serben finanzieren sie den Bau einer zweiten Donaubrücke in Belgrad. In Bulgarien soll auf einem ehemaligen Militärgelände nahe Sofia eine chinesische Industriezone errichtet werden, die als Drehkreuz für chinesische Waren dienen könnte, heißt es in dem Dossier. Und den Rumänen versprachen Chinas Gesandte insgesamt rund eine Milliarde Euro in die Sektoren Energie, Landwirtschaft und Bergbau zu investieren. Zudem finanziert eine chinesischen Bank den Ausbau der Windenergie in Transsilvanien.

Manch einer mag sich auch gewundert haben, warum Chinas Premierminister Wen Jiabao vor zwei Wochen ausgerechnet in Athen zum zweitägigen Staatsbesuch auftauchte. Das finanziell angeschlagene EU-Land hat schon 2007 eine „strategische Partnerschaft“ mit dem Riesenreich geschlossen. Geplant ist ein Wirtschaftsabkommen mit einem Volumen von einer Milliarde Euro. Premier Wen stellte zudem den Kauf griechischer Anleihen im Wert von 25 Milliarden Euro in Aussicht. Der chinesische Großkonzern Cosco hat bereits Griechenlands wichtigsten Hafen für 35 Jahre gepachtet.

Nun sind chinesische Investitionen grundsätzlich willkommen. Und kaum ein deutscher Unternehmer würde öffentlich vor China warnen – vielleicht auch aus Angst, selbst mal auf Hilfe aus Peking angewiesen sein. Ein Fall aus Polen aber machte deutschen Bauunternehmen deutlich, dass es im Wettbewerb um Aufträge ein massives Ungleichgewicht gibt.

Es ging um den Bau von 50 Kilometern der Autobahn A2 zwischen Warschau und Lodz. Die China Overseas Engineering Group (Covec), eine Tochter der Staatsbahn, gewann im September 2009 zwei öffentliche Ausschreibungen zum Bau von Teilabschnitten. Das Projekt, das zur Fußballeuropameisterschaft 2012 abgeschlossen sein muss, wird mit einem 500-Millionen-Kredit der Europäischen Investitionsbank gefördert. Beim Hauptverband der Deutschen Bauindustrie heißt es, dass Covec die vorab von der polnischen Autobahnverwaltung errechneten Baukosten um jeweils mehr als die Hälfte unterboten hat und jeweils ein Drittel unter dem Angebot des nächstgünstigen Anbieters lag. Beworben hatten sich auch polnische, spanische, portugiesische und deutsche Baufirmen.

Der europäische Bauverband Fiec vermutet, dass das chinesische Unternehmen diese Kampfpreise nur anbieten konnte, weil die Regierung in Peking direkte Beihilfen geleistet hat, um erstmals ein öffentlich ausgeschriebenes Bauprojekt in der EU in chinesische Hände zu bekommen. „Derartige Beihilfen zur Stützung der Bauwirtschaft sind EU-Regierungen verboten“, erklärt Ulrich Paetzold, Hauptgeschäftsführer der Fiec. „Warum das für Chinesen erlaubt sein soll, leuchtet mir nicht ein.“ Die EU-Kommission sei keine Hilfe gewesen. Die Behörde habe ihm noch im Dezember erklärt, dass es kein Indiz für Verstöße gegen die Vergaberichtlinien gebe. Doch auch zwischen Berlin und Brüssel setzt nun langsam ein Umdenken ein: So gab der wirtschaftsliberale EU-Kommissar Karel De Gucht der französischen „Le Monde“ vergangene Woche ein Interview, in dem er sagte, dass er jetzt bei den Chinesen auf das „Prinzip der Gegenseitigkeit“ pochen wolle. EU-Baufirmen müssten also auch Zugang zu China bekommen, der ihnen derzeit faktisch versperrt ist.

Ob dieser marktwirtschaftliche Vorschlag bei der chinesischen Staatsführung Gefallen findet? Bis das geklärt ist, dürften noch viele Chinesen ein Zimmer in Astana buchen. Kevin P. Hoffmann

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