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Spaß an Didaktik. Zu der beruflichen Laufbahn an der Hochschule gehört auch das Unterrichten. Foto: Picture Alliance

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Forschen und Lehren: Doktortitel – und dann?

Wer Professor werden will, braucht viel Durchhaltevermögen. Der Weg nach oben ist steinig – und die Stellen sind rar.

Stefan Stieglitz hat sich auf virtuelle Welten spezialisiert. Der promovierte Betriebswirtschaftler untersucht, wie soziale Netzwerke wie StudiVZ oder Facebook funktionieren, wie sich virtuelle Gruppen bilden und Blogs oder Twitter genutzt werden. Stefan Stieglitz ist Juniorprofessur für Kommunikationsmanagement an der Universität Münster – und Chef von fünf Mitarbeitern. Im März ging sein Projekt an den Start. Seine Karriere hätte aber auch ganz anders verlaufen können.

Der Wissenschaftler hat nach dem Studium durchaus mit dem Gedanken gespielt, in die freie Wirtschaft zu gehen – und sich dort auch ausprobiert. Er war in einem Unternehmen tätig; dort war ihm aber der Weg bis in die verantwortungsvollen Positionen zu lang. Er gründete ein Start-up; doch das bot ihm nicht genug Sicherheit. „Als Professor habe ich nun ein einzigartiges Jobmodell: Ich bin selbstständig, arbeite mit einem jungen Team, habe die Möglichkeit, internationale Forschungs- und Wirtschaftsprojekte aufzubauen – und eine sichere Stelle“, sagt er.

Dabei schafft es nicht jeder Promovierte so weit wie er. Ob Geisteswissenschaftler, Naturwissenschaftler oder Jurist: Der Weg in die Wissenschaft ist steinig – und der Doktortitel noch lange kein Türöffner für eine Hochschulkarriere. Laut Statistischem Bundesamt erwirbt fast jeder dritte Uniabsolvent und fast jeder zehnte Absolvent einer Fachhochschule einen Doktortitel. Zwar sehen nicht alle ihre berufliche Zukunft in der Wissenschaft, schließlich verbessert der Titel auch in der freien Wirtschaft die Jobchancen. Dennoch bieten die Hochschulen längst nicht für jeden Interessenten berufliche Möglichkeiten. Die Konkurrenz ist groß. Berufliche Alternativen sollte man besser frühzeitig einplanen.

Auch für eine Forscher-Karriere reicht Fachwissen allein längst nicht mehr aus. „Organisation, Projekt-Management, Netzwerken und Kommunikation werden immer wichtiger“, sagt Till Manning von der Graduiertenakademie der Leibniz Universität Hannover.

„Spätestens wenn die Entscheidung zur Promotion ansteht, sollte man sich überlegen, ob man in der Wissenschaft bleiben will – und sich des Risikos bewusst werden, dass es auch schiefgehen kann“, sagt Sabine Behrenbeck vom Wissenschaftsrat: Nur gut sieben Prozent der Promovierten beenden eine Habilitation. Und nur 40 Prozent aller Habilitierten werden auf eine Professur berufen.

Gerade wenn junge Wissenschaftler vor der Wahl stehen, ob sie eine Karriere an der Uni planen oder sich besser in der Verwaltung, bei einem Unternehmen oder einer außeruniversitären Einrichtung bewerben sollen, werden sie alleingelassen. Es gebe zu wenig Beratung für diesen Karriereschritt, sagt Till Manning. Die Graduiertenakademie versucht diese Lücke mit Workshops zur Karriereplanung zu füllen.

An die Promotion schließt die sogenannte Postdoc-Phase an, in der sich junge Akademiker für eine Professur qualifizieren. In der Regel arbeiten die Nachwuchsforscher als wissenschaftliche Mitarbeiter in einer auf zwei bis fünf Jahre befristeten Anstellung. Sie übernehmen Aufgaben in Forschung und Lehre – und schreiben nebenbei an ihrer Habilitation.

Dabei führen viele Wege zur Professur. Postdocs arbeiten als Assistenten, Juniorprofessoren oder Nachwuchsgruppenleiter, finanziert von der Hochschule, durch Stipendien oder Drittmittel. Viele Nachwuchsforscher sammeln Erfahrung an einer Hochschule im Ausland. Solche Aufenthalte werden oft über Stipendien von Stiftungen oder der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.

„Lust und Leidensfähigkeit“ benötige man für eine wissenschaftliche Laufbahn, sagt Till Manning. Durch die Reform der Studienstruktur sei das nicht besser geworden. Laut einer Studie vom Hochschulinformationssystem HIS geht immer mehr Zeit für die Organisation und Verwaltung von Prüfungen sowie für Lehre und Beratung drauf – auf Kosten der Forschung. Das macht es für den Nachwuchs schwerer, sich in seinem Thema zu etablieren.

Die 2002 eingeführte Juniorprofessur soll den Weg zur Professur verkürzen. Wie im Ausland üblich, macht der Juniorprofessor das, was auch zu den Aufgaben des „gewöhnlichen“ Professors zählt, nur dass der Nachwuchsprofessor dafür keine Habilitation vorweisen muss. Er erstellt Lehrmaterialien und konzeptioniert Veranstaltungen, stößt Forschungsvorhaben an, schreibt Projektanträge und wirbt Gelder für die Forschung ein.

Ein Juniorprof arbeitet auf einer befristeten W1-Stelle und erhält ein Gehalt von im Schnitt 3650 Euro im Monat. Nach einer Art Probezeit und einer positiven Bewertung kann aus der Juniorprofessur dann eine Professur werden.

Doch längst nicht jeder Forscher mit Doktortitel hat diese Chance. „An deutschen Unis sind derzeit gerade mal 800 Juniorprofessoren tätig“, erklärt Sabine Behrenbeck vom Wissenschaftsrat. Fast 15 000 Wissenschaftler schreiben dagegen an ihrer Habilitation. Denn: Trotz Juniorprofessur ist sie in vielen Fächern, wie in den Geisteswissenschaften oder in Geschichte, nach wie vor gefordert.

In drei Jahren wird Stieglitz evaluiert und kann sich auf eine Professur bewerben. Er wird dann verbeamtet und nach W2- oder W3-Tarif besoldet. Das sind je nach Bundesland zwischen 4000 und 5000 Euro Grundgehalt. Dazu kommen variable Zulagen, die etwa von Leistungen, dem Wohnort, dem Familienstand oder der Anzahl der Kinder abhängen.

Zum Vergleich: Als Einstiegsgehalt in der Automobilindustrie verdienen Hochschulabsolventen im Schnitt 45 000 Euro jährlich, in der Chemiebranche sind es 53 000 Euro.

Sollte Stieglitz der Ruf auf einen der begehrten Lehrstühle nicht ereilen, könnte er sich als Privatdozent selbstständig machen und akademisch lehren – bis er eine Professur erhält. Die Wahrscheinlichkeit, dass er arbeitslos wird, ist statistisch gesehen gering. Nach den Zahlen vom HIS befinden sich 90 Prozent aller Absolventen, gleich ob sie an einer Hochschule oder in der Wirtschaft untergekommen sind, in einer gut bezahlten beruflichen Position mit einem Brutto-Jahreseinkommen zwischen 38 000 Euro für Sozialpädagogen und 100 000 Euro für Wirtschaftsingenieure.

Für Stefan Stieglitz ist und bleibt die Professur trotz allem ein einzigartiges, kreatives Jobmodell: „Sie ist der Extremfall für all jene, die nicht genug vom Hochschulbetrieb bekommen können.“

Eva Hampl

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