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Klima retten, Wirtschaft stützen: Mit Kooperation durch die Krisen
Zur Bewältigung der Krisen braucht es mehr europäische Zusammenarbeit, gemeinsam gedachte Fiskal- und Geldpolitik sowie mehr privates Kapital.
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Wenn man Klimaforscher wie Ottmar Edenhofer fragt, worin derzeit die größte Herausforderung für Europa liegt, dann ist das, logisch, die Rettung Klimas. „Die weltweiten Emissionen sind auf einem Höchststand“, warnte der Direktor des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung im Rahmen der Konferenz „Europe 2023“. Dass die EU inmitten von Corona, Krieg und Inflation zu ihrem 2019 vorgestellten Maßnahmenprogramm, dem „Green New Deal“ stehe, sei für ihn „die beste Nachricht für das Klima“.
Fragt man hingegen die europäischen Bürgerinnen und Bürger, welches Thema sie am stärksten umtreibt, sind es die hohen Preise. Für 54 Prozent der Menschen in Deutschland ist laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey die Inflation aktuell ihre größte Sorge. In Frankreich gilt das sogar für 60 Prozent der Haushalte, so ein Bericht der Banque de France.
Französischer Zentralbanker: „Müssen bescheiden bleiben“
Dabei kamen aus den Statistikbehörden zuletzt gute Nachrichten: Nachdem die Inflation in der Eurozone im Oktober des Jahres 2022 einen Rekordwert von 10,6 Prozent erreichte, kühlte sich die Preisentwicklung zuletzt ab. Im Januar verringerte sich die Teuerung auf 8,5 Prozent. Das ist der niedrigste Stand seit Mai 2022.
„Trotzdem müssen wir bescheiden bleiben“, warnte der Gouverneur der Banque de France, François Villeroy de Galhau, im Rahmen der „Europe 2023“-Konferenz am Dienstag. Die Energiepreise würden weiter steigen, wenn auch weniger stark als in den Monaten zuvor, dagegen könne auch die Geldpolitik der EZB nichts ausrichten. Aber auch die Kerninflation, bei der schwankungsanfällige Preise für Energie und Lebensmittel herausgerechnet werden, verharrte im Januar weiter auf 5,2 Prozent.
Experten wie dem früheren EZB-Chefvolkswirt Ottmar Issing zufolge hat die EZB zu spät auf die Gefahr einer steigenden Inflation reagiert. Während andere Zentralbanken die Zinsen teilweise kräftig erhöhten, zauderte die EZB monatelang und unternahm nichts. Dadurch verteuerte sich der Euro, die Importpreise stiegen und die Preise erhöhten sich wiederum noch stärker.
EU-Kommissar: Geld- und Fiskalpolitik Hand in Hand
Trotzdem gibt sich der Zentralbanker de Galhau zuversichtlich. Die EZB strebe an, die Preisentwicklung in der Eurozone bis Ende 2024, spätestens aber bis 2025 zurück an die Zielmarke von nahe 2 Prozent zu bringen.
Doch während die Zentralbank im Kampf gegen die Inflation das Geld zu verknappen sucht, schießen die Regierungen mit verschiedenen fiskalischen Maßnahmen immer neues Geld nach. Bei einzelnen Geldpolitikern wächst die Sorge, dass staatliche Entlastungspakete, beispielsweise für Energie, die Preisentwicklung noch verstärken könnten, da Bürgerinnen und Bürger dank der Hilfen mehr konsumieren.
Dieses Risiko sieht auch der EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni. Der Italiener hob hervor, dass „Fiskal- und Geldpolitik Hand in Hand gehen müssen“. Dafür müssten die Energiesubventionen in den Mitgliedsstaaten der EU temporär und zielgerichtet sein. Sobald die Energiepreise langsamer stiegen, seien die Subventionen schrittweise zurückzufahren. Gleichzeitig müssten Haushalte mit geringerem Einkommen laut dem EU-Kommissar allerdings weiter unterstützt werden, da diese nachweislich mehr ihres verfügbaren Einkommens für Strom, Wärme und Kraftstoff ausgeben.
Ein positiver Nebeneffekt des Rückfahrens fiskalischer Maßnahmen sieht Gentiloni darin, dass mehr Mittel für die Bewältigung einer noch größeren Krise – der Klimakrise – verfügbar würden. Für den Kampf gegen den Klimawandel sowie die Transformation der Wirtschaft seien massive öffentliche sowie private Investitionen nötig.
Mehr privates Kapital für die ökologische Transformation
Die französische Europa-Staatssekretärin, Laurence Boone, brachte dafür auf der „Europe 2023“-Konferenz und vor dem am Donnerstag stattfindenden EU-Gipfel als „letzten Schritt“ auch neue gemeinsame Schulden ins Spiel, eine Idee, die bisher in Deutschland abgelehnt wird. Auch die Europäische Investitionsbank (EIB) sei gefordert, so die Ökonomin: „Wir nutzen ihr Kapital nicht ausreichend“.
Auch für den Zentralbanker Villeroy de Galhau ist die Frage entscheidend, wie man private Vermögen, von denen es in der EU reichlich gebe, in Investitionen leiten könne, die der ökologischen Transformation der Wirtschaft dienen. Dafür sei die Initiative der Europäischen Union, einen unionsweiten Binnenmarkt für Kapital zu schaffen, weiter voranzutreiben. „Die Kapitalmarktunion müsste viel höher auf der politischen Agenda stehen“, so der Franzose.
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