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Wirtschaft: Kollegen gegen die Leiharbeit Wowereit ist sich einig mit Metall-Betriebsräten

Berlin - Selbstkritik kann Stimmen bringen. „Ich bin dankbar, dass Wowereit den Fehler zugegeben hat“, sagte Predrag Savic, Betriebsrat im Berliner Dynamowerk von Siemens.

Berlin - Selbstkritik kann Stimmen bringen. „Ich bin dankbar, dass Wowereit den Fehler zugegeben hat“, sagte Predrag Savic, Betriebsrat im Berliner Dynamowerk von Siemens. Savic gehört zu gut 300 Betriebsräten aus der Metall- und Elektroindustrie, die auf ihrer Jahrestagung am Dienstag den Ausführungen des Regierenden Bürgermeisters zur Lage der Arbeitskraft beiwohnten. Das Instrument der Leiharbeit sei von der rot-grünen Bundesregierung „großzügig eingeführt worden“, blickte Wowereit auf das Jahr 2003 zurück. „Dies ist gründlich in die Hose gegangen.“ Denn immer mehr Menschen gehe es „sauschlecht“, auch Millionen Arbeitnehmern. Und dagegen helfe nur ein gesetzlicher Mindestlohn, für den man wiederum eine neue Bundesregierung brauche. „2013 haben wir die Chance dazu“, glaubt der Wahlkämpfer Wowereit, der in zehn Tagen sehr wahrscheinlich als Wahlsieger gefeiert wird.

Sicher, Wowereit habe recht, doch es passiere ja nichts, klagte René Marx, Betriebsrat im MAN-Turbomaschinenwerk. Rund 460 Personen arbeiten in der Reinickendorfer Fabrik, davon 56 Leiharbeiter, die im gewerblichen Bereich etwa ein Drittel weniger Geld verdienen als die festangestellten Kollegen. Und das nicht nur für eine Einsatzzeit von einigen Monaten. Im Schnitt sind die MAN-Leiharbeiter gut drei Jahre im Betrieb, der Rekordhalter kommt sogar auf 20 Jahre.

Diesen dauerhaften Einsatz eines Instruments, das für konjunkturelle Schwankungen gedacht war, erschwert bei Siemens eine Vereinbarung von Konzernspitze und Gesamtbetriebsrat: Der bei Siemens eingesetzte Leiharbeiter bekommt im ersten Jahr 70 Prozent des Gehalts eines Stammbeschäftigten; zwischen dem 13. und dem 15. Monat sind es 75, danach 100 Prozent. Im Berliner Dynamowerk verdingen sich nach Angaben von Betriebsrat Savic gut zehn Prozent der knapp 700 Beschäftigten als Leiharbeiter. Dabei „machen die spätestens nach einem Jahr denselben Job“ wie die festangestellten und besser bezahlten Stammkräfte.

Das Messgerätewerk von Siemens in Siemensstadt beschäftigt derzeit 1100 Personen, davon 220 Zeitarbeiter. Eine besondere Vereinbarung forciert hier die Übernahme der Billigkollegen in ein echtes Siemens-Arbeitsverhältnis: Bis Ende Januar kommenden Jahres dürfen im Messgerätewerk nicht mehr als zehn Prozent der Belegschaft Leiharbeiter sein. „In diesem Jahr haben wir schon gut 100 übernommen“, sagte Betriebsratschef Wolfgang Walter. Er setzt darüber hinaus auf die Tarifverhandlungen im kommenden Jahr, wenn die IG Metall die Leiharbeit regulieren will. Und wenn das zulasten der Lohnprozente der Stammkräfte geht? „Die würden das akzeptieren.“

Unterstützung gibt es womöglich bald vom Berliner Senat. Gewerkschafter und Wirtschaftspolitiker diskutieren zurzeit die Möglichkeit, die staatliche Förderung von Investitionen an die Leiharbeit zu koppeln. So wie in Thüringen, wo es nur Fördermittel für die Firmen gibt, die eine Quote bei der Leiharbeit nicht überschreiten: Bei mehr als 30 Prozent fließt kein einziger Cent. Vielleicht greift Wowereit das nach dem 18. September auf. Alfons Frese

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