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Wirtschaft: Neues Kaufrecht: Die Hersteller fürchten die Macht der Kunden

Haben Sie Ihren neuen Fernseher am vergangenen Mittwoch gekauft? Oder schon zwei Tage zuvor, am Montag?

Haben Sie Ihren neuen Fernseher am vergangenen Mittwoch gekauft? Oder schon zwei Tage zuvor, am Montag? Dann haben Sie leider Pech. Denn manchmal kann ein Tag alles verändern: Sollte Ihr Montagsgerät trotz bester Pflege nämlich im Sommer den Betrieb einstellen, braucht sich der Händler auf nichts einzulassen. Denn nach altem Recht endet seine Pflicht, für Mängel einzustehen, sechs Monate nach dem Kauf. Danach bleibt bestenfalls der Regress beim Hersteller. Seit dem 1. Januar dieses Jahres ist dagegen alles anders: Jetzt dürfen enttäuschte Kunden zwei Jahre lang ihre defekten Waren in den Laden zurückbringen.

Bedanken können sich Deutschlands Verbraucher bei der EU-Kommission. Die EU-Richtlinie zum Verbrauchsgüterkauf hatte die europaweite Harmonisierung der Gewährleistungsfristen zum Jahresanfang vorgeschrieben und so den Gesetzgeber unter Zugzwang gesetzt. Dabei sind die Deutschen am unteren Ende der Skala geblieben, sehr zur Verärgerung der Verbraucherschützer. "Wenn die Bundesregierung den Verbraucherschutz wirklich stärken will, dann ist es unverständlich, warum Deutschland nicht wie andere EU-Staaten den möglichen Spielraum genutzt hat und Gewährleistungsfristen von bis zu zehn Jahren vorgesehen hat", kritisiert Edda Müller, die Chefin des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) in Berlin.

Die Hersteller sehen das anders. Sie befürchten schon durch die Minimallösung hohe Zusatzkosten, weil die Unternehmen viel länger als bisher mit Reklamationen rechnen müssen. "Die Preise müssten steigen", sagt Gotthard Graß, Geschäftsführer des Zentralverbands Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI). Doch ob sich Preiserhöhungen durchsetzen lassen, erscheint zweifelhaft. Seit Jahren gehen die Preise für Fernseher, CD-Spieler und Computer vor allem in eine Richtung - abwärts.

Kein Wunder, dass die Branche durch das neue Kaufrecht nicht noch weiter in die Zange genommen werden möchte. Deshalb versucht sie, den Handel auf Kurs zu bringen. In einer Informationsschrift für die Verkäufer warnen die Elektro-Hausgeräte-Hersteller vor unnötiger Kulanz gegenüber den Verbrauchern. Unsachgemäße Bedienung, Verschleiß oder Eigenverschulden seien keine Fehler im Sinne des Gesetzes und berechtigten keinesfalls zu Reparatur, Umtausch, Preisnachlass oder Rücktritt, schreiben die Produzenten. Selbst wenn ein Reklamationsfall vorläge, müsse der Handel nicht gleich das ganze Gerät umtauschen. Das sei unverhältnismäßig, heißt es im ZVEI-Verhaltenskodex. Und auch wenn der Handel das defekte Gerät selbst reparieren sollte, wollen sich die Hersteller nicht unbegrenzt zur Kasse bitten lassen. Dem Händler werde nur die "wirtschaftlichste Variante" erstattet, Aufwendungen für Kulanzregelungen müsse der Verkäufer selber tragen.

Vor allem zwei Horrorszenarien machen den Produzenten zu schaffen. Was passiert, wenn plötzlich Tausende von Kunden ihre Waren nach monatelanger Nutzung zurückbringen, um sie kurz vor Toresschluss gegen niet- und nagelneue umzutauschen? Und werden sich die Händler wirklich unberechtigten Reklamationswünschen der Käufer verweigern? "Auf den Handel kommt es an", räumt ZVEI-Geschäftsführer Graß ein. Letztlich geht es darum, wer den stärkeren Druck auf die Händler ausübt: Die Lieferanten, die ihren Vertragspartnern damit drohen, Aufwendungen für Reparatur und Umtausch genauestens zu prüfen, oder die Kunden, die angesichts des harten Wettbewerbs im Einzelhandel Kulanz erwarten und notfalls mit den Füßen abstimmen.

Der Handel scheint sich auf die Seite der Verbraucher zu schlagen. Viele Unternehmen haben die neue Zwei-Jahres-Frist schon im November und damit rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft eingeführt. Während Karstadt und Kaufhof die ausgeweitete Reklamationsfrist von Anfang an für das gesammte Sortiment gewährten, beschränkte sich die Praktiker-Baumarktkette zunächst auf ihre Eigenmarken. Was für den Konkurrenten neu ist, erlaubt OBI seinen Kunden dagegen schon seit vielen Jahren. "Bei uns können die Käufer seit jeher zwei Jahre lang reklamieren", heißt es. Dennoch bereitet das neue Gesetz den OBI-Leuten Kopfzerbrechen. Denn nach dem neuen Recht kann man Fehler bei Baustoffen fünf Jahre lang rügen - vorausgesetzt, das Baumaterial ist mit dem Gebäude fest verbunden. Konsequenz: Baut man Badezimmer-Armaturen in Neubauten ein, gilt die Fünf-Jahres-Frist, bei einer Montage in Altbauten sind es zwei Jahre.

Angst vor Reklamationen haben die Händler aber nicht. "Warum?", fragt Karstadt-Sprecher Elmar Kratz, "wir führen gute Produkte, und wir haben ein gutes Qualitätsmanagement." Schwierigkeiten, so vermutet man in der Branche, werden ohnedies eher die Anbieter von Billigprodukten bekommen. Viele Billigwaren dürften die neue 24-Monats-Gewährleistungsfrist nicht überleben. Verbessern die Produzenten die Qualität, werden jedoch die Preise für die Discountware anziehen. Das, so meint auch ZVEI-Mann Graß, sei eine Chance für die deutschen Markenhersteller und Fachhändler: "Qualität zahlt sich aus". Na eben.

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