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Teilnehmerinnen und Teilnehmer eines Warnstreiks der Gewerkschaft Marburger Bund nehmen an einer Demonstration teil. In sechs Bundesländern treten Ärzte in einen Warnstreik für eine bessere Bezahlung.

© dpa/Sven Hoppe

Update

Keine Einigung im Tarifkonflikt: Scheitert die Schlichtung, dann drohen ab Mai sechs Wochen Streik

Die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst scheiterten, nun sollen es Schlichter richten. Verdi ist auf einen sechswöchigen Ausstand vorbereitet. In Süddeutschland streiken Klinikärzte.

Die Tarifverhandlungen für rund 2,5 Millionen Beschäftigte im öffentlichen Dienst beim Bund und in den Kommunen sind vorerst gescheitert. Auch die dritte, dreitägige Verhandlungsrunde in Potsdam habe keine Einigung gebracht, teilten die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) und der Beamtenbund am Donnerstag mit.

„Die Arbeitgeber waren trotz deutlicher Bewegung nicht bereit, den Beschäftigten beim Mindestbetrag ausreichend entgegenzukommen“, erklärte Verdi-Chef Frank Werneke. Die Bundestarifkommission seiner Gewerkschaft habe das Scheitern der Verhandlungen erklärt.

Der Chef des Beamtenbundes, Ulrich Silberbach, spielte auf die großen Teuerungsraten und die hohen Energiepreise an. Auftrag der Beschäftigten an die Gewerkschaften sei es gewesen, „dass sie nicht nur einen Inflationsausgleich erhalten, sondern eine Reallohnerhöhung“.

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Er warf Bund und Kommunen vor, sie respektierten die Sorgen und Nöte ihrer Beschäftigten nicht. „Jetzt stehen Schlichtung oder Urabstimmung und Vollstreik im Raum“, erklärte Silberbach.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser und die Verhandlungsführerin der Kommunen, Gelsenkirchens Oberbürgermeisterin Karin Welge (beide SPD), zeigten sich enttäuscht. „Wir hätten uns anderes gewünscht, und ich glaube, dass gerade in diesen Krisenzeiten es gut gewesen wäre, am Verhandlungstisch noch zu bleiben“, sagte Faeser in Potsdam.

Noch in der Nacht erklärte sie, dass nun unabhängige Schlichter nach einer Lösung suchen würden. „Wir werden jetzt die Schlichtung einberufen“, sagte Faeser. Für Tarifrunden im öffentlichen Dienst gilt: Ruft nach dem Scheitern der Gespräche eine der beiden Seiten nach einer Schlichtung, muss diese einberufen werden.

Schlichtungskommission hat bis Mitte April Zeit

Dabei handelt es sich um ein festgelegtes Verfahren samt Fristen. Die Schlichtungskommission hat bis Mitte April Zeit, einen Einigungsvorschlag für das Einkommen der 2,5 Millionen Beschäftigten vorzulegen, die unter den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVÖD) fallen. Vorsitzende der Schlichtungskommission sind der frühere sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt für die Arbeitgeberseite und der ehemalige Bremer Staatsrat Hans-Henning Lühr für die Gewerkschaften, wobei Lühr die entscheidende Stimme hat.

Während einer Schlichtung herrscht Friedenspflicht, damit sind Arbeitsniederlegungen über Ostern ausgeschlossen – zumindest in der Verdi-Tarifrunde.

An diesem Donnerstag aber traten die im Marburger Bund organisierten Ärzte in den kommunalen Kliniken in sechs Bundesländern in einen eintägigen Warnstreik; die Mediziner-Gewerkschaft verhandelt ebenfalls in den öffentlichen Krankenhäusern. Heute fand ab 13 Uhr eine Ärzte-Kundgebung auf dem Marienplatz in Mün­chen statt. Zudem ist der Tarifkonflikt zwischen Marburger Bund und den privaten Helios-Kliniken nicht beigelegt. Weitere Streiks an Krankenhäusern sind also möglich – auch über Ostern.

Wie es nach der Schlichtung in der Verdi-Tarifrunde weitergeht, ist offen. Spätestens am 18. April müssen nach einer Aufstellung der Gewerkschaften, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, die Verhandlungen wieder aufgenommen werden. Der Tarifstreit könnte dann noch gelöst werden – es können aber auch unbefristete Streiks folgen.

Bei Verdi bereitet man sich derweil auf einen alle öffentlichen Sektoren umfassenden Streik vor. Nach Tagesspiegel-Informationen gibt es intern einen Streikplan für sechswöchige Arbeitsniederlegungen. Schwerpunkte dabei wären neben den Abfall- und Verkehrsbetrieben auch die Krankenhäuser.

Aktuelle Verdi-Abfragen unter den Mitgliedern in großen Behörden und öffentlichen Betrieben – auch der kritischen Infrastruktur – hätten ergeben, dass eine „nie dagewesene Streikbereitschaft“ herrsche, wie eine ranghohe Gewerkschafterin sagte.

Quorum von 75 Prozent Zustimmung für einen Streik gilt als sicher

Unter Verdi-Funktionären gilt deshalb folgendes Szenario als wahrscheinlich: Die Schlichtung dürfte zwei, maximal drei Wochen in Anspruch nehmen – je nachdem, wer als Schlichter eingesetzt wird.

Scheitert auch dieser Prozess, riefe Verdi noch Mitte April zu einer Urabstimmung unter den Mitgliedern jener Behörden und Betriebe auf, die unter den TVÖD fallen. Das dauert laut Szenario ebenfalls drei Wochen. Das unter Gewerkschaften übliche Quorum von 75 Prozent Zustimmung für einen Streik gilt als sicher. Hunderttausende Angestellte könnten sich dann ab Mitte Mai bundesweit im Ausstand befinden.

Verdi verhandelt federführend für alle DGB-Gewerkschaften für die fast 2,5 Millionen Beschäftigten, die unter den TVÖD fallen. Dazu gehören unter anderem Kita-Beschäftigte, Angestellte von Bädern, Klärwerken, Wasserbetrieben, öffentlichen Verkehrsunternehmen, Feuerwehrleute sowie das Personal in den kommunalen Kliniken, Pflegeheimen, Verwaltungen und Ämtern.

Die Beschäftigten fordern 10,5 Prozent mehr Gehalt, mindestens aber ein monatliches Plus von 500 Euro. Zuletzt boten die kommunalen Arbeitgeber fünf Prozent Entgelterhöhung in zwei Schritten und eine steuerfreie Einmalzahlung von 2.500 Euro an. In der Nacht zu Donnerstag boten die Arbeitgeber laut Ministerin Faeser schließlich acht Prozent Lohnplus und einen Mindestbetrag von 300 Euro, dazu eine steuerfreie Einmalzahlung von 3000 Euro mit einer Teilauszahlung bereits im Mai.

Schon vor einigen Tagen sprach Verdi-Chef Frank Wernecke auf einer Kundgebung in Köln von einer „extrem hohen Streikbeteiligung“, allein in Nordrhein-Westfalen hätten sich Zehntausende an tagesweisen Ausständen beteiligt. Die Warnstreiks der letzten Wochen führten etwa dazu, dass planbare Behandlungen in vielen Kliniken verschoben werden mussten. (mit Reuters und dpa)

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