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Alt und neu: Matthias Wissmann, Bernhard Mattes und VW-Chef Matthias Müller (v.l.) beim Neujahrsempfang der Autoindustrie.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Neujahrsempfang der Autoindustrie: Nur einer ist den Abgas-Skandal bald los

Neuer Ärger, neuer Präsident: Die Autoindustrie trifft sich in Berlin – zum Feiern gibt es keinen Grund. Dafür sind viele Beteuerungen zu hören.

Der Lack hat Kratzer, der Glanz ist verblasst – oder bestenfalls Kulisse. In der „Classic Remise Berlin“, einer alten Industriehalle voller chromglänzender Autos früherer Tage, begrüßt der Verband der deutschen Automobilindustrie (VDA) traditionell das neue Jahr mit einem fröhlichen Fest. So sollte es auch am Dienstagabend sein. Doch seit dem Wochenende wird die Branche wieder in die Diesel-Krise zurückgeworfen. Dubiose Abgastests mit Affen und Menschen zerrütten das ohnehin ramponierte Image der deutschen Hersteller.

Matthias Wissmann, seit 2007 VDA-Präsident, dürfte deshalb nicht unglücklich darüber sein, dass er sein Amt am 1. März Bernhard Mattes übergeben kann. Der frühere deutsche Ford-Chef und aktuelle Präsident der AmCham wurde am Dienstag einstimmig als Wissmanns Nachfolger an die Spitze des Lobbyverbandes gewählt.

„Nur wenn man aus Fehlern lernt, wird man die Zukunft gewinnen“, kommentierte Wissmann (68) den jüngsten Affen-Skandal und die „Herausforderungen“ seit Aufdeckung des Diesel-Skandals Ende 2015. „Es war nicht immer einfach, uns zur Seite zu stehen“, sagte er. „Der ein oder andere hat es uns nicht leicht gemacht – auch in den letzten Tagen.“ Doch es gebe in der Industrie nach wie vor einen „ethischen Kompass“, ein „starkes Bewusstsein für Rechtstreue“. Es sei deshalb nicht gerechtfertigt, die Branche unter Generalverdacht zu stellen. Von den „Fehlern einzelner“ ist im Verband die Rede. Und: „Wenn es darauf ankommt, stehen wir zusammen“, sagte Wissmann.

Sein Nachfolger Bernhard Mattes (61) sei ein „ausgewiesener Kenner“ der Automobilindustrie, erklärte VDA-Vize und Daimler-Chef Dieter Zetsche in einer Mitteilung. Ein durchaus zweischneidiges Lob, müssen doch die besten Kenner der Branche fürchten, als Mitwisser der vielen Skandale der Vergangenheit überführt zu werden. Wie Thomas Steg, Generalbevollmächtigter des VW-Konzerns.

Er wurde am Dienstag beurlaubt, weil er schon 2013 von den schändlichen Affenversuchen in den pseudowissenschaftlichen Labors erfahren und diese gebilligt hatte. Der frühere Regierungssprecher, der bei VW für Außenbeziehungen und Nachhaltigkeit zuständig ist, wusste damals auch, was der von den Autokonzernen gegründete EUGT-Verein noch im Schilde führte, um den Diesel mit gesteuerter wissenschaftlicher Rückendeckung in der Öffentlichkeit reinzuwaschen.

Thomas Steg übernimmt die Verantwortung

Dafür übernehme Steg „die volle Verantwortung“, sagte VW- Chef Matthias Müller. Als „unethisch und abstoßend“ hatte Müller die Tierversuche bezeichnet und sich entschuldigt. „Mit Interessenvertretung oder wissenschaftlicher Aufklärung hatte das nichts, gar nichts zu tun“, sagte er am Montagabend in Brüssel. Der Vorfall mache zudem deutlich, dass noch ein langer Weg vor der Branche liege, um Vertrauen zurückzugewinnen. „Es gibt Dinge, die tut man schlicht nicht. Punkt!“, sagte Müller. Dass Thomas Steg bis zur Aufklärung der Affäre beurlaubt ist, wird auch vom VW-Miteigentümer Niedersachsen begrüßt. Er halte die Entscheidung für „folgerichtig und unausweichlich“, teilte Ministerpräsident und VW-Aufsichtsrat Stephan Weil (SPD) mit.

Der amtierende Bundesverkehrsminister Christian Schmidt (CSU) sprach beim VDA-Neujahrsempfang mit Blick auf die Skandal-Bilanz der Autoindustrie von „Verhalten, das in keiner Weise in Ordnung ist“. Für die Branche gelte: „Wir sind noch nicht durch.“ So hätten die Kommunen beim Thema Luftreinhaltung „noch eine Menge Arbeit“ vor sich. Hier müsse auch auf technische Lösungen gesetzt werden. Das in der Industrie verhasste Wort „Hardware-Nachrüstung“ verwendete Schmidt nicht.

Viel Lob für Matthias Wissmann

Zu den wichtigsten Aufgaben des neuen VDA-Präsidenten wird die Beziehungspflege gehören, etwa in Brüssel. Die künftige CO2-Regulierung, strengere Auflagen bei der Abgasmessung, Luftreinhaltung in den Städten – Bernhard Mattes, der von einer „neuen, spannenden Aufgabe“ sprach, wird als Lobbyist viel zu tun haben. Und die Mächtigen im VDA – Volkswagen, Daimler, BMW, Bosch –, die in der Diesel-Krise unter massivem Druck stehen, werden von ihm das gleiche Engagement wie bei Vorgänger Wissmann erwarten. „Ob in Berlin oder Brüssel – stets haben Sie die Interessen von Herstellern und Zulieferern glaubwürdig vertreten und der deutschen Automobilindustrie eine starke Stimme verliehen“, würdigte DaimlerChef Zetsche Wissmann, der als früherer CDU-Verkehrsminister einen direkten Draht ins Kanzleramt hatte.

Wissmanns Vertrag war erst im November 2016 um zwei Jahre verlängert worden. Zuletzt war es mehrfach zu Unstimmigkeiten zwischen den Autobauern und dem Verband gekommen – etwa nach dem ersten Dieselgipfel mit der Bundesregierung oder im Kontext der Kartellvorwürfe gegen die deutschen Autobauer.

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