Erneuerbare: Ökonomische Energie im Blickpunkt
Erneuerbare Energien haben mittlerweile großes ökonomisches Potenzial. Die Branchenvertreter treffen sich diese Woche in Berlin. Wie bewerten sie das Ringen der Bundesregierung um ein neues Energiekonzept?
Während die beiden Bundesminister für Umwelt und Wirtschaft am Montag live in die TV-Kameras erklären, warum Deutschlands Atomkraftwerke länger laufen sollen, steht ein ehemaliger Minister in einem Hotel am Ku’damm hinter einem Tresen und verkauft Wind: Walter Döring, FDP-Mitglied und acht Jahre lang Wirtschaftsminister in Baden-Württemberg, verteilt Merkblätter für die Windreich AG, deren Aufsichtsratschef er nun ist. Auf dem Tresen liegen Schlüsselbänder und Wind-Energy-Drinks in Dosen, auf dem Zettel stehen technische Daten für einen Windpark in der Nordsee: 80 Räder mit 116 Metern Rotordurchmesser, aufgestellt in bis zu 33 Metern Tiefe. Den Park gibt es noch nicht, er soll erst ab 2013 gebaut werden, aber darum geht es ja: Investoren werben.
Das tat Döring gestern am Rande der zweitägigen „Handelsblatt Jahrestagung Erneuerbare Energien“, auf der etwa 300 Branchenvertreter in Berlin über ihre gemeinsame Zukunft und das entstehende Energiekonzept der Bundesregierung berieten. Meistdiskutierte Komponente darin ist die Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken, die nach dem Willen der Kanzlerin zehn bis 15 Jahre betragen soll. Döring kratzt das wenig: „Wir wären mit unter zehn Jahren glücklicher gewesen, aber es ist, wie es ist“, sagt er. Neben seinem Stand steht ein Plakat, das für Investitionen in ein anderes Windprojekt wirbt. Es verspricht eine 6,5-prozentige Verzinsung pro Jahr für Investitionen ab 1000 Euro. Da werden sogar FDP-Anhänger grün. Entgegen einigen Klischees geht es den meisten Vertretern aus den Branchen der erneuerbaren Energien nicht um Ökologie-Ideologie, sondern schlicht ums Geld.
Dementsprechend warnen ihre Lobbyisten nicht mit Worten wie „Tschernobyl“ oder „Asse“ vor eine Akw-Laufzeitverlängerung, sondern mit Begriffen wie „Investitionshemmnis“ und „Wettbewerbsverzerrung“. Dietmar Schütz, der Präsident des Bundesverbandes Erneuerbarer Energien (BEE), nannte die Laufzeitverlängerung in einem am Montag erschienenen Tagesspiegel-Interview „Gift für die Erneuerbaren“. Sein Argument: Die Meiler sind wegen ihrer geringen Flexibilität bei der Stromproduktion technisch nicht geeignet, natürlich schwankende Strommengen aus Windrädern oder Fotovoltaikanlagen auszugleichen. Viele Investitionen, auch kommunale Stadtwerke, würden sich nicht mehr rechnen, wenn die Akw mit ihrem Strom die Netze verstopften.
Technisch und ökonomisch ist eine geplante Akw-Laufzeitverlängerung ein Hemmnis für die Entwicklung der Erneuerbaren – da sind sich die meisten Teilnehmer auf dem Branchentreffen am Ku’damm einig. Dass die Meiler aber eine Verlängerung bekommen, wird allgemein erwartet. Und so bekommt selbst Katherina Reiche (CDU), parlamentarische Staatssekretärin im Umweltministerium, am Ende ihrer Rede keine Pfiffe, sondern einen müden Höflichkeitsapplaus, obwohl auch sie dem Plenum erklärt, dass die Kernkraft eine „Brückentechnologe“ in die Zukunft sei.
Die Schlacht um die Atomkraft scheint verloren. Und Unternehmer mit FDP-Hintergrund wie Walter Döring finden sich besonders schnell damit ab, da sie keine ideologischen Bauchschmerzen quälen. Auch andere Akteure schauen jetzt nach vorn und wollen in Zukunftstechnologien investieren. So fordert der Verband der neuen Energieanbieter, der die Konkurrenten der großen Atomkonzerne vertritt, in einer ersten Reaktion: „Kollateralschäden verhindern!“ Als Kompensation für eine Laufzeitverlängerung sollen die vier großen Erzeuger Eon, RWE, Vattenfall und EnBW jetzt andere Kraftwerke abgeben – sie verkaufen, um Bewegung in den Markt zu bringen.
So oder so. Wirtschaftlich ist die Bedeutung der Atomkraft gering: Nur ein Drittel der Energie in Deutschland entsteht in der Stromerzeugung. Davon nicht mal ein Viertel in Atomkraftwerken. Wichtiger ist die Wärmeerzeugung, in der 40 Prozent der Energie gebraucht werden. Da sehen viele Unternehmer das nächste große Betätigungsfeld.