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Sündenbock Offshore-Windkraft. Windräder auf hoher See erzeugen, anders als an Land, relativ stetig Energie. Die Installation der Anlagen – wie hier in der Nordsee – erfordert Milliardeninvestitionen. Diese tragen die privaten Stromkunden.

© Ingo Wagner/dpa

Strompreis-Prognose für 2019: Privatkunden zahlen extra, Industriekunden erhalten Rabatte

Dieser Tage entscheidet sich, wie sich die Strompreise 2019 entwickeln. Verbraucherschützer erwarten Preistricks der Versorger. Es geht um Offshore-Wind.

Von Jakob Schlandt

Berlin - Die ganze Energiewirtschaft wartet jedes Jahr gespannt auf den 15. Oktober. Dann geben die Netzbetreiber die Höhe der Umlagen bekannt, die für Haushalte und Gewerbe auf den Strompreis aufgeschlagen werden. Normalerweise geht es um die EEG-Umlage, mit der der Betrieb von Windrädern und Solaranlagen finanziert wird. Doch dieses Jahr steht eine andere, neue Belastung im Fokus: Die sogenannte Offshore-Netzumlage, mit der die Netzanbindung der Windparks auf hoher See bezahlt wird. Die ist gleich aus dem Stand hoch: Nach Informationen des Tagesspiegels aus Netzbetreiberkreisen wird sie 2019 etwa 0,45 Cent pro Kilowattstunde betragen – und treibt den Verbraucherschutz auf die Barrikaden.

Denn letztlich handelt es sich dabei um eine massive Umschichtung von Kosten für das Energiesystem zulasten der Verbraucher – und zum Gewinn von Industrieunternehmen, die viel Strom benötigen. Denn diese sind von der neuen Umlage quasi befreit – ähnlich wie bei der Ökostrom-Umlage.

Für einen größeren Haushalt mit 4000 Kilowattstunden Stromverbrauch bedeutet die Umlage Mehrkosten in Höhe von mehr als 21 Euro pro Jahr einschließlich Mehrwertsteuer, für alle deutschen Privathaushalte wären es zusammen rund 700 Millionen Euro. Dem stehen zwar auch Einsparungen gegenüber, weil die Nutzungsgebühren für die Netze sinken. Dort verschwinden die Offshore-Anschlusskosten ab 2019. Doch der Verteilungsschlüssel ist nun deutlich ungünstiger für private Haushalte.

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) ist empört. „Die Bundesregierung treibt die unfaire Verteilung der Stromkosten weiter voran. Private Verbraucher werden über die Offshore-Netzumlage erneut für zusätzliche Industrieausnahmen zur Kasse gebeten“, sagte VZBV-Vorstand Klaus Müller dem Tagesspiegel. Der VZBV hat dazu Berechnungen angestellt, die sogar von einer etwas niedrigeren Offshore-Umlage ausgehen. Selbst in jenem von vier Netzgebieten, wo die Entgelte am stärksten durch die Umschichtung fallen, stehen demnach die privaten Verbraucher und kleineren Gewerbe deutlich schlechter da als zuvor: Im ostdeutschen, Berliner und Hamburger Höchstspannungsnetz von 50Hertz. „Unter dem Strich zahlen die privaten Verbraucher wieder einmal drauf“, so das Fazit des VZBV.

Kritisch aus Verbrauchersicht sei auch die Idee, Verbraucher zusätzlich zum Netzentgelt eine Anschlussgebühr zahlen zu lassen. Diesen Schritt schlage eine aktuelle Studie der Bundesregierung vor. In einer Stellungnahme des VZBV, die noch nicht veröffentlicht ist, heißt es: „Damit kämen zusätzliche und deutliche Kostensteigerungen auf die privaten Verbraucher zu, weil diese zusätzlich zum Netzentgelt ein weiteres, fixes Entgelt pro Netzanschluss bezahlen sollen.“ Dies habe erhebliche Verteilungswirkung und belaste insbesondere Kleinverbraucher. VZBV-Chef Müller sagte, der Vorschlag sei „alarmierend“ und „nicht tragbar“. Nötig sei eine gegenteilige Entwicklung: „Das Netzentgelt für private Verbraucher muss gesenkt und gerechter verteilt werden.“ Die Industrie müsse sich hingegen deutlich stärker an den Kosten des Systems beteiligen.

Wie erwähnt: Die EEG-Umlage wird am Montag ebenfalls bekanntgegeben. Sie liegt viel höher, nach Informationen dieser Zeitung ebenfalls aus Kreisen der Stromnetzbetreiber bei rund 6,6 Cent pro Kilowattstunde. Das ist aber weniger als in diesem Jahr mit 6,79 Cent. Hauptgrund sind die gestiegenen Preise für „grauen“ Strom an den Handelsplätzen. Die Betreiber von Windrädern, Solaranlagen und Biogasanlagen bekommen zwar in der Regel eine weitgehend fixe Vergütung, die der Staat festgelegt hat. Als zusätzliche Kosten bei den Verbrauchern kommt aber nur die Differenz an zwischen Börsenstrompreis und den durchschnittlichen Grünstrom-Vergütungen. Diese Differenz ist gesunken. Der Ökostromanteil in Deutschland lag zuletzt bei nahezu 40 Prozent.

Die weitgehende Befreiung von den Umlagen soll die hiesige Schwerindustrie vor Internationalen Wettbewerbsnachteilen schützen. Jahrelang hatte die Bundesregierung mit der EU-Kommission, die darin eine illegale Subvention sah, um die Bewahrung dieser Ausnahmen gerungen. Nun bestimmt als Kompromiss ein sehr komplexes Regelwerk diese Rabatte, die aber dafür sorgen, dass die Strompreise in Deutschland zumindest für die ganz großen Verbraucher wie Stahl- und Aluminiumwerke in Europa hoch konkurrenzfähig sind. Die privaten Verbraucher zahlen in Deutschland hingegen mit insgesamt rund 30 Cent pro Kilowattstunde schon jetzt, vor der Einführung der Offshore-Netzzulage, die höchsten Preise in Europa. Kürzlich wurde sogar der langjährige Strompreisführer Dänemark überholt.

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