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Sieben Lebensversicherer haben nach Angaben der Finanzaufsicht Bafin das Neugeschäft eingestellt. Doch das klingt dramatischer, als es ist. Bei der Bayerischen Beamtenversicherung sind die Lebensversicherungsverträge auf die Tochter Neue Bayerische Beamtenlebensversicherung übergegangen. Bei der Hamburger Leben hat die holländische Mutter Delta Lloyd beschlossen, den Vertrieb in Deutschland einzustellen und sich auf Holland zu konzentrieren. Und der Rückzug der Ergo-Tochter Victoria liegt bereits vier Jahre zurück.

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Lebensversicherung: Reform unter Aufsicht

Die Regierung lässt sich mit der Neuordnung der Lebensversicherung Zeit. Aus gutem Grund: Auf Versicherte kommen zahlreiche Veränderungen zu.

Verunsicherte Kunden, ratlose Unternehmen: Mit der geplanten Reform der Lebensversicherung lässt sich die Regierung mehr Zeit als erwartet. „Die Arbeiten dauern an“, heißt es im Bundesfinanzministerium auf Anfrage. Wann der Referentenentwurf kommt, will im Ministerium niemand sagen, auch in den Fraktionen herrscht Ratlosigkeit. Die Versicherer sehen die Verzögerung mit wachsender Nervosität. „Wir brauchen Zeit, um die Reformen umzusetzen“, sagte ein Ergo-Sprecher dem Tagesspiegel. Und auch SPD-Versicherungsfachmann Manfred Zöllmer warnt: „Es wird zeitlich extrem eng, wenn das normale Gesetzgebungsverfahren bis zur Sommerpause in trockenen Tüchern sein soll“, sagte Zöllmer dem Tagesspiegel.

Während sich Verbraucherschützer Axel Kleinlein vom Bund der Versicherten darüber freut, dass die Regierung nun doch wohl auf Schnellschüsse verzichtet, sieht man in der Versicherungsbranche eine klare Verbindung zur Europawahl Ende Mai. Die Regierung wolle die Bürger vor der Wahl nicht mit Grausamkeiten aus der Altersvorsorge verschrecken, vermutet man in der Assekuranz.

Dafür spricht einiges: Als die schwarz-gelbe Bundesregierung vor gut einem Jahr schon einmal erste Einschnitte durchpauken wollte, hagelte Kritik von Grünen, Verbraucherschützern und selbst von Parteifreunden auf die Union nieder. Das Projekt wurde daher erst einmal auf Eis gelegt – und vor kurzem wieder aus der Schublade geholt. Anfang März stellte Staatssekretär Michael Meister aus dem Bundesfinanzministerium die Eckpunkte der jetzt wieder aus der Ablage hervorgekramten Reform vor.

Es geht um viel Geld

Während die Regierung nun auch – anders als vor einem Jahr – die Aktionäre der Versicherungsgesellschaften bei einer Schieflage des Unternehmens zur Kasse bitten will, bleibt es für die Versicherungskunden bei den schon vor einem Jahr beabsichtigten Einschnitten. Als Reaktion auf die weiter andauernde Niedrigzinsphase, die die Erträge der Versicherer schmälert und die Kurse der alten, hochverzinsten Wertpapiere in die Höhe treibt, will die Regierung die Beteiligung der Kunden an den Bewertungsreserven – den Kursgewinnen – einschränken. Bislang bekommt jeder Versicherte, wenn sein Vertrag endet, die Hälfte der Kursgewinne ausgezahlt. Während das bei Aktien und Immobilien auch in Zukunft so bleiben soll, will die Regierung diese Regelung bei festverzinslichen Wertpapieren ändern. Damit will sie verhindern, dass Versicherer gezwungen sind, die lukrativen Papiere zu verkaufen und damit den Versicherungskunden zu schaden, deren Verträge weiterlaufen.

Es geht um eine Menge Geld. 2,8 Milliarden Euro haben die Versicherer allein im vergangenen Jahr an Bewertungsreserven ausgeschüttet. Für den einzelnen Versicherten kann es um einige tausend Euro gehen. Bei einem 30-Jahres-Vertrag und jährlichen Einzahlungen von 1000 Euro hätte ein Kunde vor einem Jahr 2755 Euro bekommen, hat der Versicherungsverband GDV kürzlich errechnet. Allerdings schwanken die Summen, je nachdem, wie sich die Zinskonditionen an den Finanzmärkten gerade entwickeln. Ende 2013 wäre die Beteiligung in dem Modellfall nämlich bereits auf 1911 Euro zusammengeschrumpft.

Eine vorzeitige Kündigung kann bei einigen Verträgen Sinn machen

Sieben Lebensversicherer haben nach Angaben der Finanzaufsicht Bafin das Neugeschäft eingestellt. Doch das klingt dramatischer, als es ist. Bei der Bayerischen Beamtenversicherung sind die Lebensversicherungsverträge auf die Tochter Neue Bayerische Beamtenlebensversicherung übergegangen. Bei der Hamburger Leben hat die holländische Mutter Delta Lloyd beschlossen, den Vertrieb in Deutschland einzustellen und sich auf Holland zu konzentrieren. Und der Rückzug der Ergo-Tochter Victoria liegt bereits vier Jahre zurück.
Sieben Lebensversicherer haben nach Angaben der Finanzaufsicht Bafin das Neugeschäft eingestellt. Doch das klingt dramatischer, als es ist. Bei der Bayerischen Beamtenversicherung sind die Lebensversicherungsverträge auf die Tochter Neue Bayerische Beamtenlebensversicherung übergegangen. Bei der Hamburger Leben hat die holländische Mutter Delta Lloyd beschlossen, den Vertrieb in Deutschland einzustellen und sich auf Holland zu konzentrieren. Und der Rückzug der Ergo-Tochter Victoria liegt bereits vier Jahre zurück.

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Kunden, die sich die bestehende Regelung zunutze machen wollen, sollten sich daher zeitnah von ihren Versicherungen ausrechnen lassen, wie viel Geld sie aus den Bewertungsreserven bei einer Kündigung des Vertrags bekämen. Vor allem für Versicherte, deren Vertrag ohnehin nur noch ein oder zwei Jahre läuft, könnte eine vorzeitige Kündigung Sinn machen, sagt Verbraucherschützer Peter Grieble von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Dies gelte auch, wenn man sich mit einer vorzeitigen Kündigung um den Schlussüberschuss bringt, den die Versicherungen nur treuen Kunden zahlen, die bis zum Ende der Laufzeit dabei bleiben.

Wer allerdings erst vor ein paar Jahren eingestiegen ist und gerade einmal mit seinen Beiträgen die Vertreterprovision bezahlt hat, sollte dabei bleiben. Auch weil sich die Durchschnittsverzinsung von vier Prozent für das laufende Jahr verglichen mit dem, was Tages- oder Festgeldkonten abwerfen, noch immer sehen lassen kann.

Das Neugeschäft läuft weiter

Das Interesse der Kunden an einer individuellen Berechnung hält sich derzeit aber in Grenzen. „Wir bekommen rund 50 Anrufe am Tag“, berichtet Udo Rössler von Deutschlands größter Lebensversicherung, der Allianz Leben. Bei rund zehn Millionen Policen im Bestand ist das nicht viel. Auch bei der Nummer zwei der Branche, der Ergo, ist der Andrang übersichtlich. Und auch im Neugeschäft läuft es zumindest beim Branchenführer Allianz derzeit noch recht gut. Im vergangenen Jahr kletterten die Neubeiträge um knapp 24 Prozent auf 8,2 Milliarden Euro, allerdings lag die Allianz damit deutlich über dem Branchenschnitt. Sollte die Garantieverzinsung von derzeit 1,75 Prozent, wie erwartet, zum Anfang kommenden Jahres sinken, könnte das der Branche in diesem Jahr jedoch ein paar zusätzliche Abschlüsse bringen.

Zumindest denen, die im Geschäft bleiben. Sieben Lebensversicherer haben nach Angaben der Finanzaufsicht Bafin das Neugeschäft nämlich bereits eingestellt. Doch das klingt dramatischer, als es ist. Bei der Bayerischen Beamtenversicherung sind die Lebensversicherungsverträge auf die Tochter Neue Bayerische Beamtenlebensversicherung übergegangen. Bei der Hamburger Leben hat die holländische Mutter Delta Lloyd beschlossen, den Vertrieb in Deutschland einzustellen und sich auf Holland zu konzentrieren. Und der Rückzug der Ergo-Tochter Victoria liegt bereits vier Jahre zurück.

Die Finanzaufsicht will noch genauer hinschauen

Akut gefährdet sei derzeit kein Versicherer, heißt es bei der Finanzaufsicht Bafin. „Die Lebensversicherer werden kurz- bis mittelfristig ihre Leistungsversprechen erfüllen können“, betont Kathi Schulten von der Bafin. Allerdings will die Finanzaufsicht in der zweiten Jahreshälfte noch genauer hinschauen. „Dann muss jeder Lebensversicherer in Deutschland eine ,As if‘-Berechnung seiner Solvenzkapitalanforderungen vornehmen – so, als ob Solvency II, gegebenenfalls inklusive der dann geltenden Übergangsvorschriften, schon gelten würde.“

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