zum Hauptinhalt
Mehr als heiße Luft. Die Europäische Union will alle internationalen Fluggesellschaften, die EU-Flughäfen anfliegen, in das CO2-Handelssystem einbinden. Airlines aus den USA, Indien und China sehen dadurch ein Abkommen von 1944 verletzt. Foto: picture-alliance/ dpa

© picture-alliance/ dpa

Wirtschaft: Sauber fliegen

Darf die EU nicht-europäische Fluggesellschaften zum Klimaschutz zwingen? Der Streit darüber eskaliert

Berlin - Für Reisende, die im kommenden Jahr den Atlantik überqueren wollen, geht es um rund zehn Euro Mehrpreis je Flugticket. Für manche Fluggesellschaften aber geht es um nicht weniger als eine Verletzung des Völkerrechts: Die Europäische Union will vom kommenden Jahr an ausnahmslos alle Fluggesellschaften, die einen EU-Flughafen anfliegen, in das Handelssystem mit CO2-Zertifikaten einbinden. Sie müssen dann – ähnlich wie Industrieunternehmen heute schon – Zertifikate kaufen oder ersteigern, um eine gewisse Menge des klimaschädlichen Gases ausstoßen zu dürfen. Zumindest in Europa gilt dieses seit 2003 bestehende System als geeigneter Anreiz, stärker in energiesparende Techniken zu investieren. Wer weniger CO2 ausstößt, zahlt deutlich weniger, lautet das Prinzip.

Gegen dieses Vorhaben haben drei große Airlines aus den USA geklagt, zunächst vor dem High Court of Justice in England. Ihr Argument: Der Plan würde gegen internationale Abkommen verstoßen – etwa gegen das Chicagoer Abkommen über die zivile Luftfahrt aus dem Jahre 1944, gegen Völkerrecht also. Die dortigen Richter baten den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg um Hilfe. Der will erst in einigen Monaten abschließend darüber entscheiden. Am Donnerstag gab es aber womöglich eine Vorentscheidung: Juliane Kokott, die Generalanwältin beim EuGH, legte ihr Gutachten vor, an dem sich die Richter in etwa vier von fünf Fällen orientieren. Und Kokott hält die Einbeziehung des internationalen Flugverkehrs in den europäischen Handel mit Emissionsrechten für zulässig (Rechtssache C-366/10).

Der Plan werfe keine rechtlichen Bedenken auf, hieß es. In ihrem Schlussantrag zieht sie das Fazit, dass die Einbeziehung „mit den gerügten Bestimmungen und Grundsätzen des Völkerrechts vereinbar ist“, teilte der EuGH mit. Kokott habe festgestellt, dass die geplante EU-Richtlinie Starts und Landungen innerhalb der EU regele. Start und Landung seien aber so „wesentliche Bestandteile“ eines Fluges, dass jeder EU-Flughafen „ein territorialer Anknüpfungspunkt ist, um den jeweiligen Flug zur Gänze in das EU-Emissionshandelssystem einzubeziehen“. Souveränitätsrechte von Drittstaaten würden nach Meinung der Juristin damit nicht verletzt.

Dem EU-Vorhaben zufolge sollen allen Airlines, die in der EU starten oder landen, zunächst 85 Prozent der Emissionsrechte kostenlos zugeteilt werden – die weiteren 15 Prozent sollen sie bezahlen. Air Berlin teilte vor zwei Wochen mit, man rechne mit Belastungen von etwa 30 Millionen Euro, sollte man keine kostenlosen Zertifikate zugeteilt bekommen. Dort war man allerdings noch optimistisch.

Die auf den Luftverkehr zurückgehenden Emissionen von Treibhausgasen waren ursprünglich nicht von dem Handelssystem erfasst. 2008 änderte die EU-Kommission dies aber, nachdem die Branche mit der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) keine Einigung in der Sache erzielt hatte.

Gegen die Teilnahme geklagt hatten die US-Luftfahrt-Organisation sowie die Fluggesellschaften American Airlines und United Continental. Auch chinesische und indische Fluggesellschaften haben ihren Unmut über den Emissionshandel zum Ausdruck gebracht. Nach Berechnungen der EU-Kommission haben sich die Emissionen von Fluggesellschaften seit 1990 verdoppelt. Bis 2020 könnten sie sich sogar verdreifachen. In anderen Branchen dagegen hat man sich mit dem CO2-Handel bereits weitgehend abgefunden. Er umfasst bereits rund 11 000 Kraftwerke, Zementfabriken und andere Anlagen mit hohem Kohlendioxidausstoß.

Der Internationale Luftverkehrsverband IATA äußerte als Reaktion erneut seine „Enttäuschung“. Allerdings sei der Bericht nur ein Teil eines komplexen Geflechtes. Zudem verwies der Verband auf sein selbstgestecktes Klimaziel. Jährlich solle der Treibstoffausstoß bis 2020 um 1,5 Prozent sinken.Unterstützung erhalten die Airlines aus den USA. Dort bereitet die Regierung angeblich ein Gesetz vor, das es den Gesellschaften sogar verbieten soll, an dem EU-System teilzunehmen. Dort ist sogar von einem „Handelskrieg“ die Rede. mit AFP

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false