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Einkaufsstadt. Das Bild zeigt das Outlet-Center in Elstal (Wustermark).

© promo

Outlet-Center: Schnäppchen vor den Toren der Stadt

Während Läden in den Innenstädten ums Überleben kämpfen, ziehen Outlet-Center immer mehr Besucher an. Dort gibt es nicht nur Markenware zu günstigen Preisen, sondern auch Luxusgüter.

Von Maris Hubschmid

Nicht weit von Berlin, knapp 45 Autominuten vom Potsdamer Platz entfernt, gibt es eine Kleinstadt, in der man Kaugummiflecken vergeblich sucht: Adrette Fachwerkhäuser reihen sich an strahlende Stuckfassaden, unter altmodischen Straßenlaternen sind die Wege frei von Fastfoodresten und Zigarettenkippen. Dafür sieht man feine Dinge im Überfluss – Porzellan und Handtaschen, Krawatten und Kosmetik zu Freundschaftspreisen. Bis zu 70 Prozent Nachlass versprechen die Läden, die mit schmiedeeisernen Schildern zur Einkehr einladen.

In Deutschland gibt es gut ein Dutzend Outlet-Center

Zweistellig wachsende Besucherzahlen im vergangenen Jahr belegen: Das Städtchen ist ein beliebtes Ausflugsziel. Aber dies ist keine Kleinstadt – dies ist eine Kunstwelt. Vor ein paar Jahren fuhren hier Planierraupen und Betonmischer über die grüne Wiese. 2009 eröffnete das McArthurGlen Designer Outlet an der B5. Eines von gut einem Dutzend Outlet-Centern in Deutschland.

Die Center sind meist in der Nähe von Großstädten angesiedelt

Während Innenstädte kämpfen, sechzig Prozent aller stationären Händler über weniger Besucher und den Onlinehandel klagen, erfreuen sich Outlet-Center wachsender Beliebtheit. Nahezu jede deutsche Großstadt hat eins im Umfeld, bei Frankfurt heißt es Wertheim, bei Hamburg Neumünster. In Remscheid wird das nächste geplant. In Brandenburg hat man die Fläche bereits um ein Viertel erweitert, Marken wie Michael Kors, Bogner und Swarovski hat Center-Manager Michael Koelnberger im vergangenen Jahr dazugewonnen. „Wir sind voll vermietet“, sagt er.

In den Regelen liegen Einzelstücke mit Schönheitsfehlern und Vorsaisonware

„Mindestens 30 Prozent Rabatt auf die unverbindliche Preisempfehlung“ garantiert Koelnberger seinen Gästen. Verkauft wird neben Einzelstücken mit Schönheitsfehlern vor allem Vorsaisonware. „Gerade bei Basics wie einem schwarzen Anzug ist es für viele Kunden weniger von Bedeutung, ob ein Stück aus der neuesten Kollektion stammt oder nicht“, sagt Doreen Pick, Marketingprofessorin an der Freien Universität Berlin. Das Schnäppchen ist des Deutschen liebste Trophäe. Großzügige Rabatte aber gibt es auch im Ausverkauf und im Onlinehandel. „Outlet ist nicht gleich Outlet“ sagt Koelnberger. „Jedes Center sieht architektonisch anders aus.“ In Mailand sind die Bauten tempelartig, in Florenz schlängelt sich ein Bach durchs Kunstdorf. Die Anlage in Elstal in der Wustermark, in die 80 Millionen Euro geflossen sind, liegt mit ihren kleinen weißen, gelben und roten Häuschen irgendwo zwischen Potsdam und Disneyland.

Im B5-Center gibt es Bäume, Holzbänke und Pavillons

Als Freizeitparadies – so will Koelnberger sie auch verstanden wissen. Deshalb hat der Investor das B5-Center, ein geschlossenes Gebäude, das zuvor an der Stelle stand, abgerissen und das Gelände neu gestaltet. Es gibt Bäume, Holzbänke und Pavillons, aus denen Crêpes verkauft werden. Hunde dürfen mit rein, Kinder am Eingang abgegeben werden. Je nach Jahreszeit veranstaltet das Management Neujahrs- oder Frühlingsfeste, lockt mit Ausstellungen und Live-Musik. Rund 1000 Mitarbeiter halten die Kulisse am Laufen. Die Privatfirma Securitas ist für die Sicherheit auf den Straßen zuständig, der Dussmann-Konzern für Sauberkeit.

Kunden finden Stadtzentren immer weniger attraktiv

Den Innenstädten von Berlin, Leipzig und Co hat die Anlage damit einiges voraus. Einer Umfrage des Instituts für Handelsforschung Köln zufolge finden Kunden die Stadtzentren immer weniger attraktiv. Im Durchschnitt vergaben sie die Note drei plus – „überhaupt kein gutes Ergebnis“, urteilt Michael Reink, Standortexperte beim Handelsverband (HDE). Die Befragten kritisieren mangelnde Sauberkeit und Sicherheit, schlechte Verkehrsanbindungen und überteuerte Parkplätze. Im Designer-Outlet an der B5 gibt es 2300 kostenlose Parkmöglichkeiten und einen Shuttlebus, der bis zum Centertor fährt. „Auch, wenn man erst anreisen muss, hat man gefühlt wenig Aufwand“, sagt Professorin Pick.

Outlet-Center als Gegenbewegung zum wachsenden Onlinehandel

Mango, Esprit oder Tom Tailor – viele der 100 Marken auf den 21 000 Quadratmetern sind typische Innenstadtadressen, denen das Outlet im schnelllebigen Modemarkt eine willkommene neue Absatzchance bietet. Gerade angesichts des wachsenden Onlinehandels: „Zwischen 30 und 50 Prozent der bestellten Ware wird von den Kunden zurückgegeben“, sagt Pick. Ehe die vom Händler wieder aufbereitet und mit neuem Etikett versehen sei, habe in den Läden oft schon die nächste Kollektion Einzug gehalten.

Auch Edelmarken sind in den Einkaufsmeilen vertreten

Doch auch traditionsreiche Edelmarken wie Calvin Klein, Hugo Boss und Lacoste setzen auf Outlets. „Sie erschließen so neue Zielgruppen: Die Barrieren des Besuchs eines Luxusgeschäfts sind im Outlet-Center deutlich niedriger“, sagt Pick. Von Ramsch und Resterampe kann dabei keine Rede sein. Im Hilfiger-Store stapeln sich akkurat gefaltete Pullover vor weißen Hochglanzflächen, Villeroy und Boch offeriert Teller aus Knochenporzellan wie sonst auch. Was also ist anders? In den Outlets würden „häufig keine kompletten Serien angeboten, auch Neuheiten und exklusive Sortimente“ vertreibe man dort nicht, heißt es beim Unternehmen. Lindt verkauft im Outlet „Überproduktion“. Schließlich könne niemand „genau voraussagen, wie viel Schokolade von den Einzelhändlern pro Saison geordert wird“, sagt der Center-Manager.

In der Wustermark sind die Mieten niedriger als in der Stadt

Michael Reink vom HDE ist skeptisch, ob überall die Definition von Outlet eingehalten wird. „Kontrollieren müssen das die Kommunen. Aber ich glaube nicht, dass die durch die Läden gehen und sagen: Ja, dieses Hemd ist eindeutig aus dem letzten Jahr.“ Beim Verband betrachtet man den Outlet-Trend nicht ohne Sorge. Den Einzelhändlern erwächst zusätzliche Konkurrenz durch die eigenen Lieferanten. Der Hersteller wird Händler – und spart sich so die Handelsspanne. „Die Unternehmen machen sich unabhängig vom bestehenden Einzelhandel, sie können Warenpräsentation, Preise und Angebote viel besser steuern“, sagt Pick. „Solche Center in der Peripherie bedeuten verlorene Kaufkraft für Innenstädte“, sagt Reink. Die Hersteller hätten dabei mehr als nur den Vorteil, dass Mieten in der Wustermark niedriger seien als am Ku’damm. „Für die Outlet-Center werden Baugenehmigungen an Orten erteilt, wo man herkömmliche Einkaufscenter nicht dulden würde“, kritisiert er.

Branchenexperten sehen den herkömmlichen Handel nicht bedroht

Thomas Roeb, Branchenexperte von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, sieht den herkömmlichen Handel aber nicht ernstlich bedroht. „Diese Center werden ihren Zenit bald erreicht haben – auch, weil mit wachsendem Angebot die Exklusivität sinkt“, sagt er. Wahre Luxushersteller könnten es sich nicht leisten, größere Mengen verbilligt abzugeben. Prada, Burberry und Gucci, die in Europas etabliertestem Outlet im holländischen Roermond nahe Düsseldorf Millionen anlocken, sucht man im Berliner Outlet bereits vergebens. Die immerhin 700 Quadratmeter für einen deutschen Nobelhersteller hat Centermanager Koelnberger lange freigehalten. „Solche Namen braucht es dringend, um die Komplexe am Laufen zu halten“, sagt Roeb. „Wegen 30 Prozent auf Jack and Jones fährt keiner 200 Kilometer.“

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