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Bloß nicht auffallen. Wenn Geflüchtete bei Schwarzarbeit erwischt werden, drohen Geldstrafen und Entzug der Arbeitserlaubnis.

© imageBROKER/Michael Jaeger

Schwarzarbeit: Schuften für zwei Euro die Stunde

Viele Geflüchtete arbeiten schwarz – weil sie keine reguläre Beschäftigung finden und ihre Familien unterstützen möchten. Unseriöse Jobvermittler profitieren davon.

Mohammed hat nicht viel Zeit. Der kleine, kräftige Mann bestellt einen Tee im Café am Hermannplatz. Er hat nur eine kurze Mittagspause. Der 30-Jährige hat in Damaskus Jura studiert. Jetzt arbeitet er schwarz auf einer Baustelle für vier Euro Stundenlohn. „Im juristischen Bereich konnte ich keine Anstellung bekommen, denn mein Abschluss wird hier in Deutschland nicht anerkannt“, berichtet Mohamed und nippt an seinem Tee. Gleichzeitig braucht seine Familie, die auf der Flucht in der Türkei hängengeblieben ist, Unterstützung. Einen Job als Tellerwäscher hat er schnell aufgegeben – dort bekam der gelernte Jurist nur zwei Euro die Stunde. Über einen Mitbewohner aus dem Wohnheim, wo Mohamed in einem Doppelzimmer lebt, kam er an den Job auf der Baustelle. „Jetzt verdiene ich zusätzlich zur Sozialhilfe, die mir der Staat bezahlt, immerhin etwas, das ich an meine Familie weiterleiten kann.“

Hochgesteckte Erwartungen

Die hochgesteckten Erwartungen, mit denen viele geflüchtete Menschen in Deutschland ankommen, lösen sich oft schon nach kurzer Zeit in Luft auf. Verläuft doch der Alltag hier in ganz anderen Bahnen.Insbesondere das Berufsleben erfordert spezifische Kompetenzen und in vielen Berufen sind die Abschlüsse nicht anerkannt. Hinzu kommen langwierige Wartefristen, bürokratische Prozeduren und vor allem sprachliche Hürden. Hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch nach einem zusätzlichen Einkommen und der Angst vor dem Verlust der Sozialhilfe, die ungefähr 410 Euro beträgt, gerät eine hohe Zahl von Geflüchteten in die Mühlen der Schwarzarbeit.

Eine Studie der Universitäten Tübingen und Linz geht davon aus, dass die Zahl der Schwarzarbeiter unter den Geflüchteten im Jahr 2016 mindestens 100 000, möglicherweise aber auch 300 000 erreicht haben kann. Dabei geht aus den jüngsten Zahlen der Bundesagentur für Arbeit ein Arbeitskräftemangel in Deutschland hervor, vor allem im Dienstleistungssektor. Laut der Arbeitsagentur waren im März dieses Jahres 692 000 Stellen unbesetzt, eine Zunahme um etwa 58 000 Stellen im Vergleich zum Vorjahresmonat. Etwa 425 000 Flüchtlinge suchen jetzt Arbeit. Im Jahr 2016 konnten nur etwa 34 000 in Arbeit vermittelt werden.

Viele Firmen planen Einstellungen

Eigentlich müsste es der gelernte Elektroniker Yassir leichter haben als ein syrischer Jurist, in Deutschland legal Arbeit zu finden. „Ich war der Meinung, meine Sprachkenntnisse wären ausreichend, um hier arbeiten zu können“, erzählt der 25-Jährige aus Damaskus, der in Neukölln in einer WG mit drei anderen Geflüchteten aus seiner Heimat wohnt. „Ich bewarb mich bei vier Firmen, die zu meinem Fachgebiet passten, darunter Siemens. Da stellte sich heraus, dass ich für die Zulassung zu meinem gewünschten Beruf zusätzlich eine sogenannte Fachsprachprüfung ablegen muss. Leider habe ich die nicht bestanden."

Dabei planen viele deutsche Firmen, Geflüchtete einzustellen. Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) über die Integration von Geflüchteten in den deutschen Arbeitsmarkt, bei der 1000 Unternehmen befragt wurden, gab ein Viertel davon an, derzeit bereits Geflüchtete zu beschäftigen beziehungsweise in den vergangenen drei Jahren beschäftigt zu haben. Ferner kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass Geflüchtete in 17 Prozent der befragten Unternehmen inzwischen Praktika absolviert haben. In jedem zehnten Unternehmen sind Geflüchtete in regulären Arbeitsverhältnissen beschäftigt.

Wer erwischt wird, muss zahlen

Die Studie thematisiert allerdings auch den Faktor Sprache – aus Sicht der deutschen Unternehmen eins der größten Probleme, wenn es um die Anstellung von Geflüchteten geht. 86 Prozent der befragten Unternehmen betrachten fehlende Deutschkenntnisse als Einstellungshindernis. Und so versuchen zahlreiche Geflüchtete ihr Glück in der Schwarzarbeit – insbesondere in der Gastronomie, im Haushalt und im Baugewerbe. Sie sind gezwungen, teilweise unter unmenschlichen Bedingungen zu arbeiten, stets der Willkür des Arbeitgebers ausgesetzt, der sie mit Hungerlöhnen abspeisen kann. Als Schwarzarbeiter stehen sie zudem ohne Krankenversicherung da. Dennoch versprechen sich viele eine Einkommensquelle, die es ihnen erlaubt, ihre Familien zu unterstützen.

Doch die Gefahren sind groß: Sobald die deutschen Behörden davon Wind bekommen, muss der Geflüchtete mit einer Strafzahlung von bis zu 5000 Euro und einem Entzug seiner Arbeitserlaubnis rechnen. Auch hat er negative Folgen für eine spätere Beantragung der deutschen Staatsangehörigkeit zu erwarten.

Ohne Ausbildung keine Chancen

Besonders betroffen sind die jungen Männer, die überhaupt keine Ausbildung mitbringen. „Ich bin hierher gekommen, um mir eine erfolgreiche Zukunft aufzubauen“, berichtet der 20jährige Ahmed, der bei einem ehrenamtlichen Helfer aus dem Flüchtlingsheim ein Zimmer in Wilmersdorf bekommen hat. Nun ist er enttäuscht: „Ich kann kein reguläres Arbeitsverhältnis bekommen, aber ich will nicht schwarz arbeiten. Von Schwarzarbeit erwarte ich mir keinen sinnvollen Nutzen, und schon gar nicht ein gutes Leben, wie es sich jeder Mensch wünscht.“ Sein Fazit: „Ohne Ausbildung und ohne Sprachkenntnisse brauche ich mir keine Hoffnungen auf eine Stelle zu machen.“

Für die Gruppe dieser jungen Menschen, die wie Ahmed ohne Ausbildung nach Deutschland kommen, wurden zwar die Bestimmungen geändert: Für Geflüchtete im Alter zwischen 21 und 25 Jahren gilt inzwischen, dass sie sich um einen Ausbildungsplatz bewerben dürfen, was ihnen vorher verwehrt war. Aber das klappt oft wegen der mangelnden Sprachkenntnisse nicht.

Unseriöse Jobvermittler schlagen Profit aus der Notlage

Und so versuchen unseriöse Leiharbeitsfirmen und Jobvermittler, aus diesen Notlagen und der mangelnden Vertrautheit der Geflüchteten mit den Arbeitsgesetzen Profit zu schlagen. Sie gehen in die Flüchtlingsheime, um dort Leute für vertragslose Tätigkeiten zu ködern, und streichen dafür Vermittlungsgebühren in Höhe von mehreren hundert Euro ein. Im Gegenzug werden die Geflüchteten, die sich darauf einlassen, mit lächerlich niedrig bezahlten Jobs abgespeist – im Extremfall für 30 Cent die Stunde.

Aus dem Arabischen von Rafael Sanchez. - Die Autorin (40) ist Syrerin und seit anderthalb Jahren in Deutschland. Sie hat in Damaskus Medien studiert und für Magazine und Zeitungen gearbeitet. Dieser Artikel entstand im Rahmen des Projekts "#jetztschreibenwir" von Tagesspiegel und Friedrich-Naumann-Stiftung. Mehr Beiträge von Exiljournalisten finden Sie auf unserer Themenseite.

Zoya Mahfoud

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