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In der Kantine des Bundesernährungsministeriums gibt es nur einmal pro Woche ein veganes Essen.

© Michael Pöppl

Exklusiv

Viel Fleisch, kaum Vorgaben: So nachhaltig ist das Kantinenessen der Behörden

Sieben von zehn Großküchen des Bundes bieten kein veganes Essen an. Die Opposition sieht darin ein Glaubwürdigkeitsproblem.

Von Laurin Meyer

Weniger Fleisch, weniger Lebensmittelabfälle, weniger Verpackungen: Geht es nach den Vorstellungen einiger Politiker, müssten viele Verbraucher ihre Essgewohnheiten drastisch umstellen. Das könnte vor allem für Kantinen zur Herausforderung werden. Denn die müssten zunehmend offenlegen, woher sie ihre Produkte beziehen.

Ausgerechnet die 144 Kantinen der Bundesbehörden nehmen es mit der nachhaltigen Ernährung allerdings nicht ganz so genau. Für die Menüs der Mitarbeiter müssen sich die Betreiber nämlich an keinerlei verpflichtende Vorgaben halten, etwa für regionale Produkte oder Biofleisch. Das geht aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion hervor, die dem Tagesspiegel vorliegt. Und auch bei der Auswahl der Gerichte hapert es. So bieten knapp 70 Prozent der Kantinen nie ein veganes Gericht an, und in nur gut jeder zehnten Kantine bekommen Mitarbeiter auch Essen, das koscher oder halal ist.

Dafür gibt es vor allem eines in den Großküchen des Bundes: viel Fleisch und Fisch, durchschnittlich in zwei von drei Gerichten der Behördenmensen. Im vergangenen Jahr haben die vom Bund betriebenen Kantinen deshalb mindestens 406 Tonnen Fleisch und mehr als 60 Tonnen Fisch beschafft. Die exakten Mengen dürften noch deutlich höher ausfallen, da nicht alle Behörden ihre Zahlen offengelegt haben. Woher die Großküchen ihr Fleisch beziehen, ist jedem Betreiber offenbar selbst überlassen. Denn der Bundesregierung ist unklar, wie groß etwa der Anteil an Biofleisch in den Behördenkantinen ist oder unter welchen Bedingungen die Tiere gehalten worden sind.

Ändern will die Bundesregierung daran vorerst nichts. So sei derzeit nicht geplant, das staatliche Tierwohlkennzeichen in die Beschaffungsrichtlinien aufzunehmen, heißt es in der Antwort auf die Kleine Anfrage. Im kommenden Jahr will Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) ein Verpackungssymbol auf den Markt bringen, das den Verbrauchern zeigen soll, unter welchen Bedingungen die Tiere gehalten wurden. Zwar haben sich bereits jetzt große Supermarktketten auf eine einheitliche Kennzeichnung geeinigt. Im Gegensatz zu den Siegel-Plänen des Bundesernährungsministeriums sind die Anforderungen beim Label der Supermärkte allerdings weniger strikt.

Mancherorts kommen Vegetarier und Veganer besonders selten auf ihre Kosten. In der Berliner Kantine des Bundesfamilienministeriums gibt es vegetarische Gerichte teils täglich, teils nur wöchentlich. Die Küchen des Bundesernährungsministeriums bieten nur einmal pro Woche ein veganes Essen an. Und in den Menüs einiger Bundeswehrkasernen findet sich nahezu immer eine Fleischbeilage.

Opposition mahnt Vorbildrolle an

Die Opposition sieht in den Angeboten ein großes Glaubwürdigkeitsproblem: „Die Beteuerungen der Bundesregierung zu mehr Nachhaltigkeit fallen mit Blick auf die bundeseigene Beschaffung zusammen wie ein zu früh aus dem Ofen geholter Windbeutel“, sagt Renate Künast, ernährungspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion dem Tagesspiegel. Dabei sollten gerade die Kantinen des Bundes Vorreiter in Sachen nachhaltiger Ernährung sein.

„Der Bund muss bei der Gemeinschaftsverpflegung alle Einkaufslisten in Bewegung setzen, um den eigenen Ökologischen Fußabdruck zu minimieren“, sagt Künast. Die Fleischproduktion trägt maßgeblich zur Erderwärmung bei. Laut UN-Landwirtschaftsorganisation FAO stammen mehr als 14 Prozent aller weltweiten CO2-Emissionen aus der Haltung und Verarbeitung von Tieren. Doch auch die weiten Transportwege von importiertem Obst und Gemüse schaden dem Klima nachweislich.

Vorgaben seien "nicht zielführend"

Was in den vegetarischen Gerichten der Behördenkantinen steckt, scheint ebenfalls oft unklar zu sein. So weiß die Regierung nicht, wie viele Bioprodukte die Großküchen verarbeiten, oder wie häufig Lebensmittel aus der Region bezogen werden. Verbindliche Vorgaben für die Kantinen seien laut Bundesregierung jedoch „nicht zielführend“. Schließlich seien die Großküchen je nach Region, Auslastung, Betreiber und Kunden höchst unterschiedlichen Herausforderungen ausgesetzt.

Einzelne Kantinen haben sich allerdings freiwillig verpflichtet, sich an bestimmte Richtlinien zu halten – etwa an die Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Diese geben Empfehlungen, was Küchen beim Einkauf oder der Zubereitung von Lebensmitteln beachten sollten. Außerdem nutzen einige Kantinen des Bundes verschiedene Ernährungssiegel, darunter das Bio-Siegel, das Fairtrade-Siegel oder das MSC-Zertifikat für artgerechte Fischerei.

Kein Protokoll über Lebensmittelverschwendung

Allein mit nachhaltigen Produkten lässt sich ein anderes Problem jedoch nicht lösen: die Verschwendung von Lebensmitteln. Laut Umweltverbänden landen jedes Jahr rund 18 Millionen Tonnen Essen im Müll. Wie viel davon die Großküchen der Behörden wegschmeißen, wird allerdings nicht protokolliert. Lediglich eine der 144 aufgeführten Bundeskantinen hat ein Pilotprojekt zur Vermeidung von Abfällen gestartet.

Unter dem Titel „Nachhaltig Bund Gesund“ hat sich die Bonner Kantine des Bundesernährungsministeriums zum Ziel gesetzt, den Anteil von Bioprodukten zu steigern und Lebensmittelabfälle zu reduzieren. Die Verschwendung in anderen Kantinen aufzuzeichnen, sei darüber hinaus nicht geplant, auch gibt es keine verpflichtenden Vorgaben. „Im Kampf gegen Lebensmittelverschwendung sieht Julia Klöckner bisher nur die Kühlschränke der Bevölkerung als Problem“, kritisiert die Grünen-Politikerin Künast. Wer auf Plastikflaschen verzichten will, hat es ebenfalls schwer. Denn kostenloses Trinkwasser aus der Leitung bietet nur etwa jede vierte Behördenmensa an.

Essen der BND-Mitarbeiter ist streng geheim

Auf die Frage, was die Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) essen, gibt es übrigens keine Informationen. Die Antwort darauf ist mit dem Geheimhaltungsgrad „Nur für den Dienstgebrauch“ vermerkt – zum Staatswohl, wie es heißt. Denn aus den Mittagsmenüs ließen sich Rückschlüsse auf Personalstärke, finanzielle Ausstattung und die Standortverteilung der BND-Dienststellen ziehen. Und das müsse geheim bleiben.

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