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Maschinelle Übersetzungen haben dank Künstlicher Intelligenz riesige Fortschritte gemacht.

© Getty Images/iStockphoto

Sprachsoftware DeepL und Acrolinx: Übersetzer überflüssig?

Deutsche Sprachsoftware ist besser als Google. Sogar professionelle Übersetzer diskutieren schon, ob sie überflüssig werden.

Die Kundenliste von Acrolinx ist beeindruckend: Google, Facebook, Microsoft, Nestlé oder Boeing vertrauen auf die Expertise von Acrolinx. Entstanden ist das Berliner Unternehmen schon 2002 als Ausgründung des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI). Es war damit ein Pionier beim Einsatz von KI, als die Technologie noch keinen Boom erlebte, wie in diesen Tagen. „Vor zehn Jahren wurden wir mit unserer Idee oft noch schräg angeguckt“, erinnert sich Technikchef Ulrich Callmeier. Denn das Unternehmen hat eine Art digitalen Lektor entwickelt, eine Software, um die Sprachqualität zu analysieren und Verbesserungsvorschläge zu machen.

Große Firmen haben eigene Sprachregeln

Wie das funktioniert, demonstriert Mitgründerin Sabine Lehmann. Sie öffnet ein Word-Dokument am Computer, rechts daneben ploppt ein Fenster auf und eine Zahl leuchtet rot: Der Text bekommt von der Acrolinx-Software einen Punktwert von 57. Maximal 100 wären möglich, ab einem Wert von 80 ist die Qualität so gut, dass die Farbe auf Grün wechselt.

Die Probleme am Beispieltext fangen schon bei der Überschrift an. Über drei Zeilen erstreckt sie sich. „Zu lang?“, heißt es in den Anmerkungen im Fenster daneben. Auch sonst sind viele Wörter und ganze Sätze blau markiert. Bemängelt werden dort eine hohe Dichte an Substantivierungen und sogenannte Passivkonstruktionen – typisch für Behördendeutsch. Auch wenn es zu viele Nebensätze gibt, warnt das Programm. Die Nutzer sollten kontrollieren, ob die Formulierungen womöglich schwer verständlich sind. Bei Wörtern wie „letztlich“ fragt die Software, ob diese Floskel nicht verzichtbar sei.

Die Verbesserung von Verständlichkeit und Stil ist jedoch nur ein Aspekt. „Die meisten große Firmen haben eigene Regeln, wie man schreibt“, erklärt Lehmann. Dazu gibt es eigene „tone of voice guidelines“. In diesen Tonfallrichtlinien ist dann beispielsweise festgelegt, ob das Unternehmen in Texten eher „wir“ schreibt oder stattdessen möglichst den Firmennamen. Oder ob die Kunden „customer“, „client“ oder „consumer“ genannt werden. Zudem nutzt eine Bank einen ganz anderen Sprachstil als beispielsweise ein Sportartikelhersteller.

Viele Unternehmen wollen jugendlicher klingen

Allerdings ändern sich solche Vorgaben auch immer wieder. „Oft sagen Firmen, wir klingen zu altmodisch, und wollen sich einen jugendlichen Anstrich geben“, sagt Callmeier. Dann sprechen die Unternehmen beispielsweise ihre Kunden mit Du statt Sie an.

Das Berliner Analyseprogramm hilft dabei, in den teils Tausenden Texten, die täglich in großen Konzernen entstehen, solche Vorgaben umzusetzen und einen einheitlichen Stil zu bewahren. Auch innerhalb eines Textes sorgt Acrolinx für Konsistenz und weist beispielsweise darauf hin, wenn bestimmte Begriffe und Bezeichnungen nicht durchgehend einheitlich geschrieben werden.

Sechs Sprachen beherrscht Acrolinx. Neben Deutsch und Englisch, die im Fokus stehen, noch Japanisch, Chinesisch, Französisch und Schwedisch. Weitere sind derzeit nicht in Planung. „Wir müssen nicht über die Sprachen wachsen“, sagt Callmeier. Drei Viertel der Umsätze kommen aus den USA. Schon mit dem bestehenden Angebot gebe es noch genug Potenzial bei möglichen Kunden. Wichtiger sei es derzeit, die Software an möglichst viele weitere Programme anzubinden, damit dort direkt Texte analysiert werden können.

Auch Übersetzungen sind derzeit kein Thema. Wobei die Künstliche Intelligenz von Acrolinx indirekt dabei helfen kann, wie das Beispiel SAP zeigt. Der Softwarekonzern war einer der ersten Kunden, da dort viele Dokumente in Deutsch und Englisch erstellt werden, dazu kommen 42 weitere Sprachen. SAP beschäftigt daher ein Netzwerk von 100 Übersetzungsagenturen. „Doch wenn die Qualität der Ausgangstexte steigt, sind auch die Übersetzungen einfacher“, sagt Callmeier. Außerdem sinken Aufwand und Kosten, wenn beispielsweise Verständnisfragen wegfallen.

DeepL stellt Google in den Schatten

Doch auch rein maschinelle Übersetzungen machen dank immer besser trainierter Algorithmen enorme Fortschritte. Lasen sich am Computer erstellte Übersetzungen vor wenigen Jahren noch schlimmer als die kryptischste Gebrauchsanweisung aus China, liefern Dienste wie Google Translate inzwischen oft ziemlich brauchbare Ergebnisse. Und der beste Computerdolmetscher kommt derzeit aus Köln vom Start-up DeepL. „Die Übersetzungen sind im Allgemeinen besser als die von Google Translate und Microsofts Bing“, urteilten beispielsweise Tester des renommierten US-Technologieportals Techcrunch. Und sogar professionelle Übersetzer diskutieren bereits, ob ihnen die Software künftig den Job streitig machen kann.

DeepL ist aus Linguee, einer Suchmaschine für Übersetzungen hervorgegangen. Doch statt nur auf möglichst gute Übersetzungen zu verweisen, beschloss Gründer Gereon Frahling 2017, das aus inzwischen zehn Milliarden Suchanfragen gewonnene Know-how für einen eigenen Online-Übersetzer zu nutzen, der in einer Basisversion kostenlos unter deepl.com zur Verfügung steht.

Das Start-up hat seine Algorithmen mit den besonders guten Übersetzungen trainiert. Zudem nutzt es dafür eine andere Art neuronale Netze als Google. Über die Details schweigt sich das Unternehmen aus, auch um die Konkurrenz auf Abstand zu halten. Doch können die Amerikaner das nicht schnell aufholen? „Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir unseren Vorsprung halten können“, sagt Technikchef Jaroslaw Kutylowski. Gerade hat das Unternehmen dafür eine Kapitalspritze erhalten: Ende Dezember ist der renommierte US-Investor Benchmark bei DeepL eingestiegen. „Wir wollen die Forschung und Entwicklung stark erweitern“, sagt Kutylowski. Die Zahl von derzeit knapp 30 Mitarbeitern soll sich in den kommenden zwölf Monaten verdoppeln. Zudem will das Unternehmen auch weltweit noch viel stärker wachsen.

Auch Übersetzer nutzen den Dienst

Auch Google wird seinen Digitaldolmetscher weiter verbessern. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil glaubt daher, dass es Übersetzungen in ein paar Jahren als Dienstleistung nicht mehr geben werde, „weil die technologische Entwicklung das überflüssig macht“. Werden künftig also reihenweise Dolmetscher arbeitslos? „DeepL ist inzwischen oft besser als manche Humanübersetzer“, räumt die Dolmetscherin Andrea Bernard in einem Beitrag für den Verband der Übersetzer und Dolmetscher (DVÜD) ein. Das könne Kunden tatsächlich dazu verführen, die Maschine statt teurer Menschen zu nutzen. Doch die Qualität sei trügerisch. „Bei DeepL glauben viele, man könne dem Ergebnis blind trauen und es unbesehen auf seiner Website oder in der Hochglanzbroschüre veröffentlichen“, warnt Bernard. Doch im Detail mache das System dann doch noch viele Fehler, die nur Muttersprachlern oder Profis auffallen.

„Nicht nur Dolmetscher, die sich mit gesprochenen Texten beschäftigt, aber auch Übersetzer, die mit schriftlichen Texten arbeiten, werden lange nicht überflüssig“, glaubt auch DeepL-Entwickler Kutylowski. Aber auch professionelle Übersetzer würden den Dienst nutzen, um sich die Arbeit zu erleichtern.

Dolmetscher müssen sich noch weniger sorgen, denn gesprochene Sprache zu übersetzen ist noch einmal komplexer - auch wenn Google, Skype und andere auch dabei große Fortschritte machen. Perspektivisch dürfte so gar die Vision von Science-Fiction-Autor Douglas Adams Realität werden: Der beschrieb einst den Babelfisch, der im Ohr eingesetzt alle Sprachen der Welt übersetzen kann. „Ich denke, so etwas wird es irgendwann geben“, sagt Kutylowski. Doch bis es so weit ist und sich auch die Frage stellt, ob man überhaupt noch Sprachen lernen muss, werde es noch eine ganze Weile dauern.

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