Wirtschaft: Staat treibt den Benzinpreis in die Höhe
DÜSSELDORF .Jedesmal, wenn die Rohölpreise purzeln, stellen die Mineralölverbraucher mit Erstaunen fest, daß die Benzin- und Heizölpreise keineswegs mit gleich hohen Prozentsätzen nach unten gehen.
DÜSSELDORF .Jedesmal, wenn die Rohölpreise purzeln, stellen die Mineralölverbraucher mit Erstaunen fest, daß die Benzin- und Heizölpreise keineswegs mit gleich hohen Prozentsätzen nach unten gehen.Ein Vorurteil scheint damit auch immer wieder schnell bestätigt zu sein, daß nämlich die Ölmultis "Windfall Profits" machen können.Doch die Melker sitzen ganz woanders: Der Staat hat seine Mineralölsteuereinnahmen in den vergangenen Jahrzehnten ständig gesteigert und die Autofahrer zu Melkkühen werden lassen.
Die empirischen Fakten belegen eindeutig, daß die fiskalischen Belastungen mittlerweile den wesentlichen Block bei den Ben-zinpreisen ausmachen.Aber auch beim Heizöl wird vom Staat kräftig abkassiert.Dabei besteht eine grenzüberschreitende unheilige Allianz der wichtigsten Ölverbraucherstaaten.Spitzenreiter bei der staatlichen Abschöpfung ist Frankreich mit einem Anteil von mehr als 80 Prozent am Benzinpreis.In Deutschland beträgt dieser Anteilswert rund 75 Prozent.Dagegen sind es in den USA weniger als 30 Prozent.Beim leichten Heizöl ist Dänemark mit einer staatlichen Abschöpfungsquote von mehr als 60 Prozent Spitzenreiter; in Deutschland sind es mit über 30 Prozent etwa halb soviel.In Japan liegt dagegen dieser Anteil der Besteuerung am Endverbraucherpreis für leichtes Heizöl bei deutlich weniger als 5 Prozent; in den USA existiert keine spezielle Verbrauchsbesteuerung.
Wie kräftig die staatliche Belastungsquote beim Autofahrer hierzulande angezogen hat, macht ein Überblick über die vergangenen Jahrzehnte deutlich: 1977 belief sich die fiskalische Belastung beim Normalbenzin (damals verbleit) auf 62 Prozent; zehn Jahre später waren es 67 Prozent und im vergangenen Jahr durchschnittlich 74 Prozent beim bleifreien Normalbenzin.In der Betrachtungsperiode hat gleichzeitig der Einfluß des Rohölpreises erheblich abgenommen, nämlich nach einem Anteilswert von 25 Prozent (1977) auf 13 Prozent im Vorjahr.Die Anteilsrelationen zugunsten der Mineralölgesellschaften haben dagegen nur geringfügig geschwankt: 1977 waren es 13,6, 1987 10,7 und 1997 13,0 Prozent.
In dieser Woche ist mit einer Spotnotierung für sofortige Lieferung beim Nordseeöl Brent mit 11 Dollar je Barrel der niedrigste Wert seit Frühsommer 1986 erreicht worden.Anfang Oktober 1997 betrugen die Brent-Preise in der Spitze noch beinahe doppelt soviel wie heute.Der Preiseinbruch erzwingt bei den vertikal integrierten Mineralölunternehmen völlig neue Planungen.Starke Preisschwankungen sind für das Ölgeschäft allerdings nicht ungewöhnlich.Die hohen Marktrisiken mit kaum kalkulierbaren Preisbewegungen können dann einigermaßen ausbalanciert werden, wenn die Unternehmen Aktivitäten sowohl im Upstream-Bereich (Exploration und Produktion von Rohöl) als auch im Downstream-Sektor (Verarbeitung und Vertrieb von Mineralöl) wahrnehmen.Im Raffineriegeschäft liegen Kuppel-Produktionsprozesse vor; die Mineralölgesellschaften müssen versuchen, über die Gesamtheit ihrer Produkte, die auf unterschiedliche Märkte abfließen, auskömmliche Erträge zu erwirtschaften.
Die Wettbewerbsverhältnisse auf den einzelnen Absatzmärkten - Kraftstoffsektor, Wärmemarkt, Stromerzeugung, Petrochemie - verändern sich ständig.Die lokale und regionale Intensität des Wettbewerbs im Tankstellengeschäft hängt maßgeblich davon ab, inwieweit branchenfremde Anbieter wie die Supermärkte mit Lockvogelangeboten reizen und ob unabhängige Vertriebsfirmen besonders stark vertreten sind.Daß es zwischen den Versorgungsregionen in Deutschland erhebliche Preisspannen gibt, kann daher auch nicht überraschen.Die vor allem während der Ölpreishochphasen in den 70ern und frühen 80er Jahren gestarteten Mißbrauchsverfahren der Kartellbehörden sind ins Leere gegangen, weil sich die Verhältnisse dauernd wandelten.
Die Mineralölgesellschaften wären keine guten Kaufleute, wenn sie nicht versuchen würden, Kostenentlastungen bei den internationalen Ölbezügen nicht sofort vollständig an die Verbraucher weiterzugeben.Wie intensiv ein solcher "Time-Lag" ausfällt, hängt von den Wettbewerbsverhältnissen vor Ort ab.Umgekehrt sind die Mineralölanbieter rascher dabei, internationale Kostenerhöhungen unmittelbar an die Verbraucher weiterzuwälzen.Damit erfolgt jedoch noch keine monopolistische Abschöpfung; denn die Ölgesellschaften müssen immer wieder einkalkulieren, daß bei entsprechenden "Time-Lags" auch Marktanteile verlorengehen.Und der Kampf um Marktanteile wird in Deutschland besonders hart geführt, weil oligopolistische Strukturen mit nachhaltiger Außenseiterkonkurrenz typisch sind.Die deutschen Mineralölpreise hängen maßgeblich von den Konditionen auf dem Rotterdamer Spotmarkt ab.
Eine Zusammenfassung der relevanten Preistrends ergibt seit dem letzten Herbst folgendes Bild: Brent-Öl, das eine Preisführerfunktion in Europa hat, notierte für prompte Lieferung im Oktober 1997 mit durchschnittlich 19,9 Dollar je Barrel; im Januar waren es 15,1, im Juli 12,0 und Mitte dieser Woche 11,3 Dollar.Die Bezugskosten lagen in der Betrachtungsperiode auf DM-Basis je Tonne bei 263, 207, 163, 151.Zwischen Oktober 1997 und heute hat es somit einen Abschlag von 112 DM je Tonne gegeben.In Rotterdam schwankten die Preise für Normalbenzin in der Bezugsperiode folgendermaßen: 334, 299, 258 und 227 DM je Tonne - somit ein Minus von 107 DM pro Tonne.Diese Momentaufnahme läßt erkennen, daß die Wettbewerbskräfte hierzulande durchschlagen.
HEINZ-JÜRGEN SCHÜRMANN (HB)