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Tobias Kollmann, 43, ist Professor für E-Business und E-Entrepreneurship an der Universität Duisburg-Essen. Daneben leitet er den Beirat Junge Digitale Wirtschaft des Bundesministeriums für Wirtschaft. Seit Anfang März ist er zudem der neue Beauftragte der Landesregierung Nordrhein-Westfalen für die digitale Wirtschaft (Foto).

© dpa

Regierungsberater Tobias Kollmann: "Start-ups können der Industrie helfen"

Der Vorsitzende des Beirats Junge Digitale Wirtschaft, Tobias Kollmann, über Start-ups, Gründerförderung und ein neues Wachstumssegment an der Börse.

Herr Kollmann, den Rat für Junge Digitale Wirtschaft hat Philipp Rösler (FDP) eingerichtet. Was ändert sich jetzt unter Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD)?
Herr Gabriel hat unmissverständlich klar gemacht, dass dieses Thema auch für ihn wichtig ist. Das ist auch richtig so, weil die jungen Start-ups in diesem Gebiet die innovativen Vorreiter für die digitale Transformation der gesamten Wirtschaft sind. Auf der Cebit hat der Minister noch einmal betont, dass die neue Führung im Ministerium das Thema genauso intensiv vorantreiben möchte, wie es der Vorgänger getan hat.
Erstaunlich, dass ein Sozialdemokrat das Projekt eines Liberalen fortsetzt, oder?
Überhaupt nicht, weil sich die Wichtigkeit des Themas für die Wirtschaft aber auch für die Gesellschaft insgesamt nicht geändert hat. Gabriel rückt es entsprechend in einen größeren Kontext, in dem er das Thema der digitalen Wirtschaft sehr stark mit der gesamten digitalen Agenda verbindet.
Wie sieht die Verbindung aus?
Es geht neben wirtschaftlichen Aspekten auch um Themen wie Ausbildung, Informationen und Daten und wer über sie bestimmen darf. Diese Themen sind nicht nur für Unternehmen wichtig, sondern betreffen eben auch die gesellschaftliche Diskussion. Kunden müssen verstehen, wofür man ihre Daten braucht. Das können sie aber nur dann, wenn sie eine entsprechende Medienkompetenz haben und digitalen Technologien gegenüber aufgeschlossen sind. Da haben wir in Deutschland noch Nachholbedarf.
Was kann der Rat bewirken?
Wir erfassen die wichtigen Themen aus der digitalen Wirtschaft, zeigen Probleme und Verbesserungen auf und vor allem unterbreiten wir konkrete Vorschläge, wie wir vorankommen können: Eine unserer Initiativen ist zum Beispiel im Herbst eine Reise zu sechs Hochschulen, um über Unternehmertum in der digitalen Welt und die zugehörige Ausbildung zu diskutieren. Staatssekretärin Brigitte Zypries hat am Mittwoch zugesagt, dass sie auch dabei sein möchte. Das finde ich ein starkes Signal.
Was sind die wichtigen Themen?
Wir haben fünf Punkte im Fokus: die Gründerkultur in Deutschland stärken, Gründungen unterstützen, zum Beispiel mit Instrumenten wie dem Investitionszuschuss, das Wachstum fördern, zum Beispiel mit einem Wachstumsfonds oder einem neuen Börsensegment, die Infrastruktur verbessern, denn die digitale Wirtschaft baut auf Netzen auf und deren freier Verfügbarkeit und Geschwindigkeit. Fünftens geht es auch um die Finanzierung, zum Beispiel um die steuerliche Behandlung von Investitionen in Start-ups.

Sie sagen, das Silicon Valley sei ein erfolgreiches Modell, Deutschland müsse aber einen eigenen Weg gehen. Wie sieht der aus?
Wir sollten intensiver darüber nachdenken, wie wir die Start-ups mit dem zusammenbringen, was unsere Stärke in Deutschland ist, nämlich der klassischen Industrie. Die steht vor der enormen Herausforderung der digitalen Transformation. Ich glaube, dass Start-ups ihnen helfen können, die notwendigen digitalen Geschäftsprozesse aufzusetzen. Umgekehrt können die Start-ups die Industrie nutzen, um zu wachsen und aus Deutschland heraus, auch die internationalen Märkte zu erobern. Wenn es uns gelingt beides zusammenzubringen, haben wir auch im digitalen Markt eine echte Chance auf Erfolg.
Brauchen wir dazu auch ein neues Wachstumssegment an der Börse?
Es muss gut überlegt und vorbereitet sein. Denn wir brauchen nicht nur ein wirkungsvolles Segment, sondern auch die entsprechenden qualifizierten Start-ups. Die ersten, die sich wieder mit einem Börsengang über ein neues Segment zeigen, müssen auch entsprechend funktionieren, weil sie Botschafter sind für alle, die danach kommen.
Gibt es passende Kandidaten?
Die gibt es sicherlich. Sie tun sich natürlich im Moment noch schwer sich zu outen, wegen der zum Teil noch kontroversen Diskussion.
Wie viele müssten bereit sein, damit so ein Segment Sinn macht?
Es gibt im Moment verschiedene Listen mit bis zu 60 möglichen Kandidaten. Ich denke, wenn es nur zehn richtig Gute werden würden, dann müsste das im ersten Schritt reichen, um so etwas anzustoßen.
An welche Dimensionen denken Sie?
Ich denke, wir sprechen von Emissionsvolumen von 20 bis 40 Millionen Euro pro Start-up. Gerade in diesem Bereich der Wachstumsfinanzierung ist die Luft in Deutschland sehr dünn.
Wann kann es losgehen?
Entsprechende Gespräche laufen schon und einige Experten und Vertreter von deutschen Börsenmarktplätzen haben sich schon damit befasst. Der Markt und die zugehörigen Player müssen am Ende entscheiden, wann es so weit ist.
Was ist ein realistischer Zeithorizont?
Wir werden das Jahr wohl noch abwarten müssen, um alles vernünftig vorzubereiten und die Spielregeln für ein solches Segment zu definieren, damit der Start ein Erfolg wird. Der nächste Schuss für ein spezielles Börsensegment für Start-ups der digitalen Wirtschaft muss sitzen. Noch eine Geschichte wie der Neue Markt wäre fatal.

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