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Gut bezahlt? Vor allem in den südeuropäischen Krisenstaaten gingen es mit den Löhnen bergab.

© picture alliance / dpa

EU-Konjuktkur: Studie: Euro-Rettung durch höhere Löhne

Die Sparpolitik der EU-Länder und die schwachen Lohnerhöhungen sind Gift für die Konjunktur. Meint die Böckler-Stiftung des DGB.

Die geringe Preissteigerung tut den Arbeitnehmern gut, doch in vielen europäischen Ländern ist das Ende der Bescheidenheit noch nicht erreicht. Zuletzt sind die Löhne und Gehälter in Griechenland, Portugal, Zypern, Kroatien, Polen und Slowenien sogar gesunken. „Europas Arbeitnehmer haben eine lange Durststrecke hinter sich“, resümiert das Wissenschaftliche Institut der gewerkschaftseigenen Hans-Böckler-Stiftung (WSI) eine Untersuchung über die Lohnentwicklung in der EU. Bemerkenswert ist dabei die Rolle Deutschlands: Als einziges Land in Europa hatte es zwischen 2001 und 2009 „erhebliche Reallohnrückgänge“ zu verzeichnen. Die Lohnerhöhungen blieben also hinter der Preissteigerung zurück. In jenen Jahren erfand Gerhard Schröder die Agenda 2010, die Arbeitslosigkeit in Deutschland war hoch und die Durchsetzungskraft der Gewerkschaften bescheiden. Inzwischen hat sich das verändert, seit 2010 sind die „deutschen“ Reallöhne deutlich gestiegen.

Nicht alle Länder können Exportüberschüsse haben

Aber Deutschland respektive die Politik im vergangenen Jahrzehnt hinterlässt Spuren in Europa: „Als Vorbild wird nicht selten Deutschland angesehen, dessen restriktive Lohnentwicklung in den 2000er Jahren zum Kern des erfolgreichen deutschen Exportmodells erklärt wird“, schreibt WSI-Wissenschaftler Thorsten Schulten. Deshalb stehe heute die Lohnpolitik in vielen Ländern „im Zentrum der wirtschaftspolitischen Reformbemühungen“. Für Schulten ist diese Politik, die vor allem in Griechenland, Portugal und Irland auf Veranlassung der Geldgeber der Troika zu erheblichen Lohnkürzungen führt, ein Irrweg. „Nichtpreisliche Wettbewerbsfaktoren“ wie Infrastruktur, Qualität von Produkten und Dienstleistungen oder das Qualifikationsniveau der Arbeitnehmer seien für die Wettbewerbsfähigkeit und damit den Erfolg einer Volkswirtschaft wichtiger als die Höhe der Löhne. Das zeige im Übrigen das Beispiel Deutschland: In den erfolgreichsten Exportindustrien – Fahrzeug- und Maschinenbau – werden hierzulande die höchsten Löhne gezahlt.

Im Übrigen, so argumentiert Schulten weiter, könnten schon „aus Gründen der Logik“ nicht alle europäischen Länder Exportüberschüsse erwirtschaften. Und da die Binnenwirtschaft in allen EU-Ländern der wichtigste Wirtschaftsfaktor sei, plädiere er für höhere Löhne. Der andere Weg sei gescheitert, wie Schulte mit Blick auf die Jahre nach der Finanzkrise 2008/2009 meint: Die vielerorts sinkenden Reallöhne hätten die Nachfrage gedrückt und damit auch zu sinkenden Preisen geführt. In der Folge diskutiere man heute in Europa über „die Gefahr einer großen Deflationskrise“. Immerhin hat der WSI-Wissenschaftler seit 2014 „vorsichtige Anzeichen einer dynamischen Entwicklung“ entdeckt, „die nicht zuletzt auch durch stärkere Lohnzuwächse in Deutschland angetrieben wird“.

2015 sinken die Löhne nur in Kroatien

Preisbereinigt sind die Löhne seit 2010 aber immer noch in elf EU-Staaten gesunken, in neun weiteren lagen die Zuwachsraten unter einem Prozent pro Jahr. Nur langsam geht es aufwärts: Während die Reallöhne 2013 noch in zwölf Ländern sanken, ging es 2014 nur noch in sechs Ländern runter. Und in diesem Jahr werden nur noch in Kroatien sinkende Reallöhne erwartet. Dass es besser wird für die Arbeitnehmer, habe aber weniger mit den kräftigen Lohnsteigerungen als mit der mickrigen Inflationsrate zu tun: Die Preise steigen seit vielen Monaten nur um ein paar Zehntelprozentpunkte. Hier machen sich die niedrigen Energiepreise bemerkbar, aber auch die „strikte Austeritätspolitik“, wie Schulten schreibt. Die Sparmaßnahmen hätten in vielen Ländern „zu einem Einbruch der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage und damit zu stagnierenden oder sinkenden Preisen geführt“.

Die Politik der EZB läuft ins Leere

Die Europäische Zentralbank bemüht sich mit historisch niedrigen Zinsen und dem Kauf von Staatsanleihen um steigende Preise, damit das Ziel einer Inflationsrate von zwei Prozent in Sicht kommt. Bislang ohne Erfolg. Für Schulten ist die Preisentwicklung nicht nur Symptom der wirtschaftlichen Schwäche auf dem Kontinent, sondern auch der Beleg für eine „ problematische Krisenstrategie“. Trotzdem läuft die Konjunktur etwas besser. Nachdem die EU-weite Wirtschaft 2012 um 0,5 Prozent geschrumpft war und 2013 stagnierte, gab es 2014 ein Wachstum um 1,4 Prozent. Für das laufende Jahr erwartet die EU-Kommission 1,8 Prozent. Am stärksten legten zuletzt die meisten osteuropäischen Staaten, Schweden und Großbritannien zu. Nach schweren Krisenjahren wuchs die irische Wirtschaft sogar um 4,8 Prozent.

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