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Tarifentscheidung in der Industrie: IG Metall und Arbeitgeber peilen Kompromiss an
Sieben Prozent hat die IG Metall für fast vier Millionen Industriebeschäftigte gefordert – mitten in der Krise ist das nicht machbar. Dennoch ist eine Einigung wahrscheinlich.
Stand:
Am 11.11. ist Hamburg auf den Beinen. Mit Karneval oder Fasching haben die Hanseaten zwar nichts am Hut, und tarifpolitische Grundlagen werden normalerweise auch nicht im Norden, sondern im Süden oder Westen gelegt. Aber an diesem Montag ist das anders. In drei Demonstrationszügen lässt die IG Metall ihre Mitglieder zum Fischmarkt laufen, wo auf einer Kundgebung für Lohnerhöhungen geworben wird. Es ist die letzte Aktion im diesjährigen Straßenwahlkampf und Warnstreikherbst.
In der Nacht zu Dienstag wollen sich Arbeitgeber und IG Metall auf einen neuen Tarifvertrag verständigen. Die Motivation für eine schnelle und friedliche Einigung ist in der vergangenen Woche nochmals gestiegen. Zumindest tarifpolitisch soll es Klarheit geben für die exportabhängige Autoindustrie und den Maschinenbau, die von Donald Trump nichts Gutes erwarten. Und wie es innenpolitisch weitergeht, ob es zum Beispiel doch noch eine Strompreisentlastung gibt, weiß auch kein Mensch.
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Damit in diesen auch wirtschaftlich bedrückenden Zeiten die Tarifpartnerschaft funktioniert und die Unternehmen Planungssicherheit bei den Arbeitskosten haben, macht die IG Metall Zugeständnisse. Sieben Prozent hatte die Gewerkschaft bereits im Frühsommer für die knapp vier Millionen Industriebeschäftigten gefordert – damals glaubten viele noch an eine Konjunkturwende. Die kam aber nicht, und die ist ebenso wenig in Sichtweite, wie es die sieben Prozent sind.

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Neben dem Geld hatte die Gewerkschaft ein paar Nebenforderungen aufgestellt, weil die in einer Umfrage häufig von den Beschäftigten genannt wurden: Die Wandelmöglichkeit von Geld in Zeit, die für Schichtarbeiter und pflegende Angehörige seit einigen Jahren besteht, sollte ausgeweitet werden auf andere Beschäftigtengruppen. Dazu wird es vermutlich nicht kommen.
Bei der Erhöhung der Ausbildungsvergütung um 170 Euro pro Monat machen die Arbeitgeber dagegen weitgehend mit, anders als bei der „sozialen Komponente“. Damit ist eine überdurchschnittliche Entgelterhöhung für untere Einkommensgruppen gemeint, da diese Beschäftigten besonders unter der Inflation der vergangenen Jahre gelitten haben.
Worin sich IG Metall und Arbeitgeber noch uneinig sind
Die Forderung der Arbeitgeber, für Betriebe in Schwierigkeiten eine Abweichung von bestimmten Tarifbestandteilen zuzulassen, kann die IG Metall in der aktuellen Rezession nicht ablehnen. Bislang gab es die Möglichkeit, bei einer Umsatzrendite von weniger als 2,3 Prozent die Zahlung von 630 Euro zu verschieben und unter Umständen sogar auszusetzen.
Diese Regelung möchten die Arbeitgeber dauerhaft festschreiben, das stößt indes auf erheblichen Widerstand in der IG Metall. Wahrscheinlich verständigt man sich in Hamburg auf eine befristete Fortsetzung.
Wie immer hängt am Geld doch alles. Das Wochenende haben die Chefverhandler auf beiden Seiten genutzt, um Lösungswege zu den weit auseinanderliegenden Vorstellungen auszukundschaften. Die IG Metall fordert sieben Prozent rückwirkend ab Oktober und für eine Laufzeit des neuen Tarifs von zwölf Monaten; die Arbeitgeber haben 1,7 Prozent ab Juli 2025 und weitere 1,9 Prozent ein Jahr später angeboten bei einer Laufzeit von 27 Monaten.

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Wenn die IG Metall sieben Prozent fordert, dann schließt sie normalerweise mit einer vier vor dem Komma ab. Das ist dieses Mal auch nicht anders, die Frage ist nur, ab wann es die vier Prozent gibt.
Die Arbeitgeber wiederum möchten das Krisenjahr 2024 nicht noch mit einer Lohnerhöhung belasten, sodass es für die drei Monate von Oktober bis Dezember entweder nichts gibt oder eine eher bescheidene Einmalzahlung.
Denkbar ist aber auch eine (höhere) Einmalzahlung für mehr als sechs Monate und dann Lohnprozente mit einer drei vor dem Komma im Frühsommer 2025, mit einer Laufzeit von 18 oder 19 Monaten bis März/April 2026.
Sollten die Arbeitgeber auf einer langen Laufzeit über zwei Jahre oder mehr bis in den Herbst 2026 bestehen, müssen sie dafür bezahlen: In dem Fall gibt es 2025 und 2026 jeweils eine prozentuale Entgelterhöhung für die knapp vier Millionen Metaller.
Das ist die wahrscheinlichere Variante, da sie allen Beteiligten Planungssicherheit für einen ziemlichen langen Zeitraum verschafft. In diesen Zeiten ist das ein wertvolles Gut.
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