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22.07.2024, Baden-Württemberg, Ellwangen: Über der Zentrale des Batterieherstellers Varta ziehen dunkle Wolken auf. Varta will verhindern, dass das Unternehmen in die Pleite rutscht. Foto: Stefan Puchner/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

© dpa/Stefan Puchner

Varta will sich radikal sanieren : Aktionäre sollen leer ausgehen

Der angeschlagene Batteriehersteller kämpft ums Überleben. Derzeit liegen zwei Rettungspläne vor. Auch Porsche könnte mit einer Kapitalspritze helfen. Die Aktie bricht dramatisch ein.

Von
  • Martin-W. Buchenau
  • Axel Höpner

Stand:

Der schwäbische Batteriehersteller Varta will mit einem radikalen Schnitt finanziell wieder festen Boden unter die Füße bekommen. Das hochverschuldete Unternehmen aus Ellwangen hat am Montag beim Amtsgericht Stuttgart ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren angemeldet, wie das Gericht dem Handelsblatt bestätigte.

Anleger reagierten am Montag mit einem Ausverkauf der Aktien. Zur Eröffnung brachen die Titel um fast 80 Prozent auf ein Rekordtief von 2,10 Euro ein. Am Freitag waren die Anteile der Aktionäre noch 440 Millionen Euro wert gewesen.

Die fast 500 Millionen Euro schwere Schuldenlast müsse deutlich reduziert werden, dazu sei frisches Kapital von knapp 100 Millionen Euro nötig, sagte der als Sanierer an Bord geholte Vorstandschef Michael Ostermann. Einer von zwei konkurrierenden Vorschlägen sei eine gemeinsame Kapitalspritze des bisherigen Großaktionärs Michael Tojner sowie des Sportwagenbauers und Varta-Kunden Porsche. Der andere komme von den Gläubigern.

Unter Gläubigern regt sich Widerstand

Welche der beiden Lösungen zum Tragen komme, sei noch offen, sagte Ostermann, der im Mai zu dem Unternehmen gekommen war. „Am Ende ist mir wichtig, dass wir eine gute Lösung für Varta haben.“ Die bisherigen Aktionäre würden in beiden Fällen leer ausgehen.

Bei einigen Gläubigern regt sich Widerstand gegen die Pläne. Ihnen schwebt vor, dass Schulden gegen Unternehmensanteile getauscht werden, heißt es aus Gläubigerkreisen. Das hätte allerdings zur Folge, dass die Anteile des österreichischen Großaktionärs Tojner verwässert würden. Tojner selbst äußerte sich bislang noch nicht, steht aber wohl wie in der Vergangenheit im Kontakt mit der Unternehmensführung.

Ziel ist ein Schuldenschnitt

„Ich bin angetreten, Varta zu retten. Das ist mir eine Herzensangelegenheit“, erklärte Ostermann. Ohne eine Reduzierung der Schulden könne das Unternehmen nicht angemessen investieren: „Ziel ist ein Schuldenschnitt.“ Doch dabei müssen die Banken und die Hedgefonds mitspielen, die sich in einen Konsortialkredit über 235 Millionen Euro eingekauft haben. 250 Millionen Euro hat sich Varta mit Schuldscheindarlehen geliehen.

Eine hohe zweistellige Millionen-Kapitalspritze sei die Voraussetzung dafür, dass das Unternehmen von den Gutachtern eine positive Fortführungsprognose bekomme, sagte Ostermann. Diese wiederum ist die Basis, um eine Insolvenz zu vermeiden.

Der österreichische Investor Michael Tojner, der gut 50 Prozent der Varta-Anteile hält, würde gut die Hälfte dazu beisteuern und damit die Mehrheit behalten, der Rest könnte von Porsche kommen. Damit wäre Varta bis 2027 durchfinanziert.

„Wir können bestätigen, dass Porsche in Verhandlungen (mit Varta) steht“, sagte ein Sprecher des Sportwagenbauers. Der Volkswagen-Tochter geht es vor allem um die großen Lithium-Ionen-Batteriezellen, die im nächsten Porsche 911 GTS verwendet werden sollen. „Das Ziel unseres Engagements wäre, diese Schlüsseltechnologie am Standort Deutschland zu erhalten.“

Porsche hatte signalisiert, die Mehrheit an der Varta-Tochter V4Drive zu übernehmen, die Auto-Batterien bislang ausschließlich für Porsche herstellt. Es geht dabei um sogenannte Booster-Batterien, die durch Zuschaltung zusätzliche Leistung und damit Fahrdynamik bringen und deshalb ein wichtiges Element bei der schrittweisen Elektrifizierung des 911er sind.

Geschäft mit Autobatterien wurde zur Belastung

Doch eine Beteiligung an der Tochter allein reicht offenbar nicht aus. „Unter bestimmten Umständen könnten wir uns daher vorstellen, uns auch an einer finanziellen Neuaufstellung der Varta AG insgesamt zu beteiligen“, erklärte der Autobauer. Die Gespräche dazu liefen aber noch.

Grund für die Schieflage von Varta sind laut Ostermann Investitionen aus den Jahren 2021 und 2022, die sich bisher nicht ausgezahlt hätten – in die großen Lithium-Ionen-Batterien, aber auch in die Mini-Akkus für Kopfhörer.

250
Millionen Euro hat sich Varta mit Schuldscheindarlehen geliehen

V4Drive war der große Hoffnungsträger für Varta, entpuppte sich aber als Belastung. Mangels Aufträgen legte das Unternehmen den Bau einer Fabrik für große Lithium-Ionen-Batterien auf Eis.

Einen Jahresabschluss für 2023 hat das Unternehmen bisher nicht vorgelegt – wegen eines Cyberangriffs im Frühjahr, aber auch wegen der unsicheren Zukunft. Bis das Sanierungskonzept umgesetzt sei, werde es mindestens bis in die zweite Augusthälfte dauern, erklärte Varta.

StaRUG-Verfahren: Leoni gilt als Vorbild

Das Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) gibt es seit drei Jahren in Deutschland. Mit diesem Verfahren soll verhindert werden, dass ein operativ lebensfähiges Unternehmen in die Pleite rutscht. Dabei kann der Widerstand einzelner Gläubiger, aber auch der Aktionäre ausgehebelt werden.

Als „Blaupause für ein erfolgreiches StaRUG-Verfahren“ sehen die Berater von Deloitte den Fall Leoni an. Beim Nürnberger Autozulieferer verloren die Aktionäre alles, was auf heftige Kritik von Anlegerschützern stieß. Leoni hatte sich auf seinem Wachstumskurs übernommen. Für die Autoindustrie galt der Bordnetzspezialist als systemrelevant, daher waren viele Seiten an einer Rettung interessiert.

Im Zuge des Verfahrens stellte Großaktionär Stefan Pierer 120 Millionen Euro frisches Kapital zur Verfügung und übernahm einen Teil der Bankschulden. Die freien Aktionäre gingen wegen eines Kapitalschnitts komplett leer aus. Anders als bei Leoni ist Varta für die Autoindustrie insgesamt allerdings nicht systemrelevant.

Das neue Verfahren wurde anfangs nur vereinzelt angewandt und galt daher lange Zeit als Ladenhüter. Allerdings gibt es neben Leoni inzwischen mehrere größere Fälle wie den Hemdenhersteller Eterna und den Modekonzern Gerry Weber, in denen es durchlaufen wurde.

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