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 Staufen im Breisgau: Ein sogenannter Vollernter fährt in einem Weinberg durch die Reben und erntet die dort gewachsenen Trauben von den Rebstöcken.

© dpa

Verbraucher sollen Qualitätswein besser erkennen: Was sich mit dem neuen Weingesetz ändert

Neue Angaben auf Weinflaschen und Beschränkungen beim Anbau sollen die Geschäfte deutscher Winzer verbessern. Es profitieren aber nicht alle Abfüller davon.

Julia Klöckner ist umstritten – aber kaum jemand zweifelt an der Kompetenz der CDU-Landwirtschaftsministerin in Sachen Wein. Sie ist Winzerstochter, war eine fachlich höchst sattelfeste Weinkönigin und Chefredakteurin einer einschlägigen Fachzeitschrift. Deshalb ist mit breiter Unterstützung ihres Entwurfs für ein geändertes deutsches Weinrecht zu rechnen, der am Mittwoch vom Bundeskabinett gebilligt wurde. Es setzt alte Vorgaben der EU um und bestätigt die ohnehin von zahlreichen renommierten Winzern gepflegte Praxis. Widerstand ist allenfalls von Großabfüllern und weniger qualitätsorientierten Genossenschaften zu erwarten.

Das Landwirtschaftsministerium formuliert es für die Presse relativ unverbindlich: Ziel seien „bessere Vermarktungschancen für die deutschen Winzer und mehr Orientierung für die Verbraucher“. Im Text der Novelle selbst, die ihren Kern in einer elfseitigen Lawine von Paragraphen und Querbezügen verbirgt, steht ganz vorne, worum es wirklich geht: „Deutscher Wein verliert im internationalen Vergleich seit Jahren kontinuierlich Marktanteile.“ Und weiter: „Auch der tendenzielle rückläufige Verbrauch führt zu sinkenden Erlösen.“

Verbrauchern fehlte bislang der Überblick

Abzulösen war das in der Tat unübersichtliche und verhängnisvolle Weinrecht von 1971, das auf der damals – ausschließlich in Deutschland – gepflegten Fiktion beruhte, es komme beim Wein nur auf den Zuckergehalt an und nicht auf die Herkunft. So entstand die ominöse „Qualitätswein“-Pyramide vom QbA und Kabinett bis zur Trockenbeerenauslese, während gleichzeitig die viel wichtigere Angabe der exakten Herkunft durch die so genannten „Großlagen“ zerstört wurde: So durfte beispielsweise ein berühmter Lagenwein wie der Piesporter Michelsberg plötzlich aus 37 Einzellagen und neun Gemeinden kommen, untaugliche Gemüsefelder und zweitklassige Rebsorten wie Müller-Thurgau im Zweifel eingeschlossen. Das Resultat: Notorische süße Billigheimer wie das „Niersteiner Gute Domtal“ zerstörten im In- und Ausland den Ruf des höherwertigen deutschen Weins bis heute.

Die komplizierten Etiketten verwirrten aber auch den wenig informierten deutschen Verbraucher, der den „Böbesheimer Pfaffenhügel Grauburgunder Goldkapsel Kabinett halbtrocken“ irritiert im Regal stehen ließ und lieber einen Pinot Grigio oder Primitivo kaufte. Da sagt ihm das Etikett relativ eindeutig, wie der Wein schmecken wird.

Vor allem die Sache mit den uferlosen Großlagen soll nun endgültig geklärt werden. In der EU gilt schon seit 2012 die Unterscheidung zwischen geschützten Ursprungsbezeichnungen („g.U.“) und den weiter gefassten „geschützten geographischen Angaben“ („g.g.A“) – das eine sind die Orte und einzelnen Weinbergslagen, das andere die Anbaugebiete wie Pfalz oder Württemberg. Das will nun auch das Klöckner-Ministerium, das sich auf das Prinzip „Je kleiner die Herkunft, desto größer der Wein“ stützt – wobei „kleiner“ in diesem Fall die kleine, genau definierte Spitzenlage bedeutet. Dies folgt international üblichen Prinzipien und auch der Praxis des einflussreichen „Verbands der Prädikatsweingüter“ (VDP), dem rund 200 deutsche Top-Betriebe angehören.

Dieser Verband hat in langer, zäher Arbeit eine Qualitätspyramide etabliert, die vom Basis-Wein des Erzeugers, dem „Gutswein“ über den aus Lagen eines einzigen Orts stammenden „Ortswein“ zur „Ersten Lage“ und zum „Großen Gewächs“ reicht, Weinen also, die nur aus Trauben einer einzelnen, exakt vermessenen und klassifizierten Lage sowie bestimmten, regional dafür zugelassenen Rebsorten gekeltert werden dürfen. Mit der Ausnahme einiger Traditionalisten haben sich inzwischen über den VDP hinaus die meisten ehrgeizigen deutschen Winzer diesem Prinzip angeschlossen, wenngleich nur Mitglieder die Bezeichnung „Großes Gewächs“ verwenden dürfen.

Die Bezeichnungen sind vielfältig

Die Angabe einer einzelnen Lage bezeichnet deshalb in aller Regel nur noch die besten Weine eines Gutes, während sich bei den Gutsweinen ein bunter Wildwuchs von Bezeichnungen breitgemacht hat. Viele tragen sachlich geologische, für den Geschmack kennzeichnende Begriffe wie „Riesling vom Kalkmergel“, andere geben sich exzentrisch zeitgeistig wie „ If you are a racist, a terrorist or just an asshole, don’t drink my Sauvignon blanc!“, kurz „Asshole“, von Emil Bauer in der Pfalz.

Julia Klöckner (CDU), Bundeslandwirtschaftsministerin, ist die Tochter eines Winzers.
Julia Klöckner (CDU), Bundeslandwirtschaftsministerin, ist die Tochter eines Winzers.

© picture alliance/dpa

Der VDP hat mit seiner eigenen Klassifizierung schon recht deutlich unter Beweis gestellt, dass sein Weg auch wirtschaftlich erfolgreich ist. Denn während der Durchschnittspreis des in Deutschland verkauften deutschen Weins (Marktanteil etwa 50 Prozent) zuletzt nur leicht auf 3,39 Euro gestiegen ist, gibt es VDP- Güter, die unter zehn Euro bestenfalls noch einen Gastronomie-Literwein in der Liste haben. Mehr noch: Immer mehr Güter legen in winzigen Mengen Top- Weine in Rot und Weiß auf, die um 50, in Einzelfällen über 100 Euro pro Flasche kosten.

Damit dringen sie in Preisregionen vor, die über Jahrzehnte berühmten französischen oder kalifornischen Winzern vorbehalten waren – trockene Weine wohlgemerkt, denn deutsche edelsüße Weine höchster Qualität konnten ihre mikroskopisch kleine Marktnische über alle Kriege und Gesetze hinweg verteidigen. Egon Müller von der Saar erzielte 2015 bei einer Versteigerung für eine Trockenbeerenauslese vom Scharzhofberg, einen jungen Wein, satte 14 566 Euro – für eine Flasche.

Der Ruf deutscher Spitzenwinzer wirkt inzwischen sogar auf den Lebensmittelhandel und die Discounter zurück, die beachtliche Markterfolge erreichen mit Weinen beispielsweise von Wilhelm Weil (Edeka), Fritz Keller oder Johannes Leitz (beide bei Aldi, dem größten deutschen Wein-Einzelhändler). Gemessen am Sortiment der Märkte sind sie mit Preisen zwischen fünf und acht Euro sogar teuer – aber sie kommen natürlich wegen der nötigen großen Mengen in aller Regel nicht aus den Rebflächen des Weinguts selbst, sondern werden nach dessen Vorgaben aus zugekauften Reben gekeltert.

Die Bezeichnung „g.g.A“, so ist es gedacht, steht dann den Großabfüllern offen, die sich beim Produzieren für Supermärkte und andere Großabnehmer nur noch an den Grenzen des jeweiligen Weinanbaugebiets orientieren müssen. Statt einer tönenden Weinlage nennt das Etikett dann beispielsweise nur „Rheingau Riesling trocken“, was dem leidlich informierten Kunden einen klaren Eindruck vermittelt. Allerdings scheint es hinter den Kulissen noch reichlich Abstimmungsbedarf speziell wegen des Wegfalls der Großlagen zu geben, von denen sich viele Großabfüller nicht trennen wollen. Kein Wunder, denn offenbar haben die tönenden Namen historischer deutscher Weinorte immer noch einen guten Klang. Nun haben die Weinbauverbände das Wort, bevor der Bundestag dann voraussichtlich Ende Oktober eine endgültige Fassung der Novelle berät. Auch der Bundesrat muss zustimmen.

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