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„Gesundheits- und Fitnessdaten sollten in der Sphäre der Versicherten liegen“, sagt Birgit König.

© Christian Kaufmann/Allianz

Chefin der Allianz Private Krankenversicherung: "Viele Behandlungen sind unnötig"

Birgit König, Chefin der Allianz Private Krankenversicherung, spricht im Interview über unnötige Untersuchungen, die Privilegien für Privatversicherte und den Umgang mit Gesundheitsdaten.

Frau König, zwei Drittel der privat Krankenversicherten müssen seit Jahresanfang mehr zahlen, teilweise deutlich mehr. Wie ist das bei der Allianz?

Bei uns sind die Beiträge zum Jahresanfang um durchschnittlich drei Prozent gestiegen. Das ist zwar mehr als in den vergangenen Jahren, aber verglichen mit den anderen Anbietern ist die Erhöhung noch sehr moderat.

Wie machen Sie das?

Wir profitieren von der Kapitalanlage des gesamten Konzerns, andere Versicherer haben es da deutlich schwerer. Trotz der niedrigen Zinsen hat die Allianz im vergangenen Jahr eine Durchschnittsverzinsung von 3,8 Prozent geschafft. In der privaten Krankenversicherung (PKV) haben wir derzeit knapp zwei Milliarden Euro in unseren Rückstellungen und können einen Teil davon nutzen, um in betroffenen Tarifen Beitragsspitzen zu kappen.

Wird für die Auswahl des Versicherers die Finanzstärke wichtiger als die Leistungen, die ein Unternehmen bietet?

Das Kriterium ist in den vergangenen fünf Jahren immer wichtiger geworden. Eine Krankenversicherung ist eine langfristige Entscheidung. Für die Kunden ist es enorm wichtig zu wissen, dass es ihren Versicherer auch noch in 20 Jahren gibt und dass die Beiträge dann noch bezahlbar sind.

Viele Versicherte können im Alter die Versicherungsbeiträge aber nicht mehr zahlen. Wie viele Menschen fallen aus dem Versicherungssystem heraus?

In Deutschland gibt es ja eine Versicherungspflicht. Wenn jemand keinen Krankenversicherungsschutz hat, so sind das in aller Regel Menschen, die niemals eine Krankenversicherung hatten – weder gesetzlich noch privat. Das ist eine verschwindend kleine Gruppe. Das hat aber nichts mit Beiträgen im Alter zu tun.

Privatversicherer werben mit den besseren Leistungen und dem besseren Service. Die Krankenkassen holen aber inzwischen mächtig auf. Warum sollte man sich überhaupt noch privat versichern?

Vielen Menschen geht es heute auch sehr darum, dass sie in der privaten Krankenversicherung den Tarif so zusammenstellen, wie sie es wollen und brauchen. Das spielt neben Leistungen und Services eine immer größere Rolle.

Was ist Ihren Kunden am wichtigsten? Dass sie beim Arzt eher drankommen als die Kassenpatienten?

Unsere Kunden suchen Sicherheit. Was sie damit verbinden, ist aber ganz unterschiedlich. Für die einen ist es die Gewissheit, dass sie Zugang zur Hochleistungsmedizin haben. Andere wollen sicher gehen, dass sie ihre Behandlungen komplett bezahlt bekommen. Dann gibt es Versicherte, die möchten Unterstützung, um sich im Gesundheitssystem besser zurechtzufinden. Wer kennt das nicht: Der erste Arzt sagt so, der zweite hat eine andere Meinung. Dann suchen Sie im Internet und werden überschüttet mit weiteren Ansichten und Informationen. Am Ende sind sie genauso schlau wie vorher. Wir bieten unseren Versicherten deshalb die Möglichkeit, dass sie ihre Arztbriefe oder Röntgenbilder von einem Netzwerk von Spezialisten bewerten lassen.

Was ist der größte Kostentreiber?

Ich würde die Frage gern anders stellen: Wofür geben wir am meisten unnötigerweise Geld aus? Denn wenn ein innovatives Medikament erstmals eine Krankheit heilen kann oder es eine neue Therapie gibt, die Patienten wirklich hilft, dann ist doch klar, dass wir die Kosten tragen, auch wenn die Behandlung teuer ist. Dafür hat ein Mensch doch eine Krankenversicherung. Aber ist es dagegen notwendig, beispielsweise bei unspezifischen Rückenschmerzen gleich die gesamte Gerätemedizin anzuwerfen? Oft verschwinden solche Beschwerden schnell wieder ganz von selbst. Jedes Jahr geben wir allein bei Rückenschmerzen einen dreistelligen Millionenbetrag aus. Das Geld für die Behandlung könnte man sich sparen und dennoch wären die Patienten optimal versorgt.

Werden Privatpatienten häufiger untersucht und therapiert, weil der Arzt deutlich mehr abrechnen kann?

Dafür haben wir keine Belege. Es geht eher darum, dass in Deutschland gern noch die eine oder andere Untersuchung zusätzlich gemacht wird, um ganz sicher zu gehen. Das betrifft die GKV, also die gesetzliche Krankenversicherung, aber genauso wie die PKV.

Bekommen Menschen, die im billigeren Basis- oder Standardtarif versichert sind, von den Ärzten dieselbe Aufmerksamkeit wie klassische Privatpatienten?

In Einzelfällen mag das nicht so sein, aber ein systematisches Problem ist das nicht. Das haben wir untersucht.

Ihr Konkurrent Generali belohnt gesundheitsbewusstes Leben mit Beitragsrabatten. Wäre das auch was für Sie?

Die Generali macht das im Bereich der Lebensversicherung, aber bislang nicht in der Krankenversicherung. Hier wäre ein solches Vorgehen aus meiner Sicht auch systemfremd. Wir führen eine Risikoprüfung beim Abschluss der Versicherung durch und dann nie wieder. Wir dürfen auch nicht die Beiträge erhöhen, wenn jemand, der am Anfang fit ist, später mit dem Sport aufhört. Das ist gesetzlich untersagt, und wir wollen das auch nicht. Bei uns zahlt niemand höhere Beiträge, weil er es nicht mehr schafft, drei Mal in der Woche zu joggen.

Wie zahlt sich bei Ihnen gesundes Verhalten aus?

Wenn unsere Kunden mindestens ein Jahr lang keine Rechnungen einreichen, können sie eine Beitragsrückerstattung von 30 bis 45 Prozent bekommen. Das sind oft mehr mehr als 1000 Euro im Jahr. Für unsere Versicherten lohnt es sich deshalb, auch langfristig in die eigene Gesundheit zu investieren. Zudem bekommen unsere Kunden Rabatte auf Sportartikel und Urlaubsangebote – bis zu 40 Prozent bei über 30 Partnern. Und die gibt es für jeden, nicht nur für Sportliche. Jeder soll den Anreiz bekommen, sich mehr zu bewegen.

Bei der Generali tracken die Versicherten ihre Gesundheits- und Fitnessdaten und belegen damit ihre gesunde Lebensweise. Datenschützer kritisieren das.

Gesundheits- und Fitnessdaten sollten in der Sphäre der Versicherten liegen. Ein Versicherter muss jederzeit entscheiden können, wem er diese sensiblen Daten gibt oder nicht, ohne dafür mit Beitragserhöhungen bestraft zu werden. Hinzu kommt, dass man in der privaten Krankenversicherung nicht einfach Abschläge nach Gusto geben kann, wir haben keine freie Preisfindung. Die Tarife richten sich nach dem Versichertenkollektiv, also nach der Versichertengruppe, die dort zusammengefasst sind. Es wäre unsinnig, ein Kollektiv nur mit Joggern zu bilden. Das wäre viel zu klein.

Viele nutzen die PKV als Zusatzversicherung. Ist die Vollversicherung ein Auslaufmodell?

Nein, im Gegenteil. Wir von der Allianz haben in der Vollversicherung und in der Zusatzversicherung im Neugeschäft jeweils ein Wachstum von 8,4 Prozent. Die Nachfrage ist also in beiden Geschäftsbereichen gleich hoch. Sowohl die Voll- als auch die Zusatzversicherungen sind gleich wichtig.

In der SPD gibt es starke Sympathien für die Abschaffung der privaten Krankenversicherung und die Einführung einer Bürgerversicherung. Hoffen Sie auf einen Wahlerfolg der Union?

Die Bürgerversicherung war in den letzten drei Bundestagswahlkämpfen Thema, und wir haben sie bis heute nicht. Das ist doch kein Zufall. Die Menschen in unserem Land profitieren vom Wettbewerb zwischen privater und gesetzlicher Krankenversicherung: Die Gesundheitsausgaben sind im OECD-Vergleich durchschnittlich, die Leistungen sind zugleich aber deutlich besser.

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