zum Hauptinhalt
Volkswagen-Chef Herbert Diess (l.) und Jim Hackett, Vorstandsvorsitzender von Ford, am Freitag in New York.

© Johannes Eisele/AFP

Kooperation bei E-Mobilität und autonomem Fahren: Volkswagen und Ford bilden Fahrgemeinschaft

Die Autohersteller Volkswagen und Ford arbeiten noch enger zusammen. Hohe Investitionen in Zukunftstechnologien und der Wettbewerb zwingen sie dazu.

Volkswagen und Ford rücken noch enger zusammen und weiten ihre Kooperation auf die gemeinsame Entwicklung und Produktion von Elektroautos und autonomes Fahren aus. Zwar sieht das Bündnis keine Kapitalverflechtung vor, die beiden Autobauer investieren aber hohe Summen – und sind offen für weitere gemeinsame Projekte. VW-Konzernvorstand Herbert Diess und Ford-Chef Jim Hackett erläuterten die Kooperation am Freitag in New York.

Volkswagen steigt demnach für insgesamt 2,6 Milliarden Dollar bei der auf autonomes Fahren spezialisierten Ford- Tochter Argo AI ein. Ford erhält im Gegenzug Zugang zu Volkswagens Elektro-Plattform, dem Modularen E-Antriebsbaukasten (MEB), und will darauf 600000 Elektrofahrzeuge für den europäischen Markt produzieren. VW hat nach eigenen Angaben seit 2016 mehr als sechs Milliarden Euro in den MEB investiert, auf dem in den kommenden zehn Jahren rund 15 Millionen Elektroautos gebaut werden sollen. Ford ist der erste große Hersteller – nach dem Start-up eGo –, der den MEB nutzt. Ab 2023 soll das im deutschen Ford-Entwicklungszentrum Köln/Merkenich entwickelte E-Fahrzeug auf den Markt kommen. Für ein weiteres Modell gibt es Pläne.

Kooperation gleicht Defizite aus

Die 2,6-Milliarden-Dollar-Investition von Volkswagen ergibt sich aus einer Milliarde Dollar an Finanzmitteln, zudem bringt VW seine Sparte AID für autonomes Fahren ein, die 200 Mitarbeiter hat und mit 1,6 Milliarden bewertet wird. Der AID-Sitz in München soll künftig als Europazentrale von Argo AI dienen.

Beide Hersteller versuchen, mit der Kooperation auch Defizite auszugleichen – Volkswagen beim autonomen Fahren und im US-amerikanischen Pick-up-Segment, Ford bei der Elektromobilität auf dem europäischen Markt.

Ford und Volkswagen blieben weiter Wettbewerber, betonte Jim Hackett. Die Zusammenarbeit beider mit Argo AI vergrößere aber die Leistungsfähigkeit, die Skaleneffekte sowie die geografische Reichweite auf dem Gebiet des autonomen Fahrens. „Unsere Allianz mit Ford entwickelt sich immer vielversprechender. Wir prüfen auch weitere Möglichkeiten der Zusammenarbeit“, sagte Diess. Hackett deutete an, dass dies im Bereich IT und Software sein könnte.

Volkswagen hatte bereits auf dem Genfer Autosalon im Januar eine engere Zusammenarbeit mit Ford angekündigt. Beide Hersteller entwickeln bislang gemeinsam Pick-ups und Transporter, ein wichtiges Segment auf dem US-Automarkt. Die F-Serie von Ford mit – für europäische Verhältnisse – riesigen, meist einfach ausgestatteten Pritschenwagen ist bei amerikanischen Kunden sehr beliebt. VW hat hier Nachholbedarf. Ford will den Verkaufsschlager F-150 elektrifizieren und hat ein Elektrofahrzeug für Europa angekündigt, das vom Kultmodell Ford Mustang inspiriert wurde.

Marktanteile allein zählen nicht mehr

Generell ist der Wolfsburger Konzern in den USA eher schwach aufgestellt. Gemessen am Anteil der vom Zwölf-Marken-Konzern weltweit verkauften Pkw (2018: 10,8 Millionen) sind China (40 Prozent) und Europa (37 Prozent) für Volkswagen viel wichtiger als die USA (sechs Prozent). Ford wiederum hat bei weltweit rund sechs Millionen verkauften Fahrzeugen auf dem US-Markt einen Anteil von mehr als 14 Prozent, in Europa liegt er bei gut sieben Prozent.

Wichtiger als Marktanteile sind aber die Herausforderungen, die sich der Branche bei der Transformation in die Zukunft stellen. Elektromobilität, Digitalisierung und Vernetzung, die strengere CO2-Regulierung und neue Mobilitätsdienstleistungen verschlingen hohe Investitionssummen. So steckt Volkswagen bis 2022 mehr als 34 Milliarden Euro in neue E-Autos, die Digitalisierung und autonomes Fahren. Ford investiert insgesamt 11,5 Milliarden Dollar in die Elektrifizierung seiner weltweiten Fahrzeugpalette. Neue, große Wettbewerber geben beim autonomen Fahren zugleich den Ton an, die Tech-Konzerne Google mit Waymo, aber auch Apple, Amazon, Uber und neue chinesische Technologiekonzerne.

Die beiden Autobauer folgen deshalb dem Trend zur Zusammenarbeit, um Kosten zu senken und schneller zu werden. In der Autobranche ist von „Frenemies“ die Rede, also Rivalen, die im Wettbewerb stehen, aber in definierten Geschäftsfeldern kooperieren – vor allem in Zukunftstechnologien wie der Elektromobilität und dem autonomen Fahren, die hohe Entwicklungsausgaben erfordern. McKinsey schätzt, dass ein typischer Autohersteller gut 70 Milliarden Dollar investieren müsste, um „zumindest eine gute Position in allen vier Zukunftsbereichen Elektrifizierung, Autonomes Fahren, Connectivity und Shared Mobility zu haben“. Dies könne aber niemand alleine stemmen, deshalb arbeiteten die Autobauer verstärkt zusammen.

Kulturen müssen zusammenfinden

So kooperiert auch Daimler bereits seit 2017 mit dem Zulieferer Bosch beim autonomen Fahren und neuerdings auch mit BMW. BMW wiederum arbeitet mit dem Chiphersteller Intel sowie mit dem Autobauer Fiat Chrysler zusammen, und US-Konkurrent General Motors hat sich mit dem japanischen Autokonzern Honda zusammengetan.

Neben den technischen und finanziellen Fragen einer Kooperation stellt sich immer auch das Problem unterschiedlicher Kulturen. So war jüngst eine Allianz von Fiat Chrysler mit Renault gescheitert. Daimler-Chrysler und Opel-GM zerbrachen. „Die Herausforderungen liegen damit auf der Gestaltung der Zusammenarbeit“, sagte Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer zum VW-Ford-Deal. „Culture matters.“

Zur Startseite