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Von 12,82 auf 13,90 auf 14,60 Euro: Mindestlohn steigt in zwei Stufen
15 Euro, wie es im Koalitionsvertrag steht, werden nicht erreicht. 2026 und 2027 steigt die Lohnuntergrenze um 14 Prozent. Das Ifo-Institut befürchtet Stellenabbau.
Stand:
Das kommt nicht alle Tage vor. Steffen Kampeter, Verhandlungsführer der Arbeitgeber in der Mindestlohnkommission, freute sich über die deftige Lohnerhöhung. Und DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell zog ein langes Gesicht, als die beiden Protagonisten im Juni den Beschluss der Kommission erläuterten.
Das von der Regierung eingesetzte Gremium hatte sich auf eine Lohnerhöhung um 1,78 Euro oder knapp 14 Prozent in zwei Stufen verständigt. Zum 1. Januar 2026 steigt die Lohnuntergrenze von 12,82 auf 13,90 Euro und ein Jahr später auf 14,60 Euro. Das ist nicht wenig, und doch weniger, als die Erwartung der Bundesregierung: 15 Euro seien bereits 2026 „denkbar“, heißt es im Koalitionsvertrag.
Es könnte sein, dass in einigen wenigen Branchen die Mindestlohnerhöhung Profitabilität und Arbeitsplätze gefährdet.
Tom Krebs, vom DGB benannter wissenschaftlicher Berater der Mindestlohnkommission
Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Arbeitgeberverbände (BDA), hatte selbst die Tür in Richtung 15 Euro aufgestoßen, als er sich auf eine neue Geschäftsordnung der Kommission einließ, die auch die Orientierung an der Mindestlohnrichtlinie der EU vorsieht. Im Arbeitgeberlager rumorte es heftig, Kampeter hatte sich in den Augen mancher Verbände desavouiert. Zumal die Hoffnung des BDA-Chefs, dass die Richtlinie vom EuGH gekippt werden würde, sich nicht erfüllte.
Umso größer die Erleichterung, nachdem die Kommission unter 15 Euro geblieben war. Am Ende war den Gewerkschaftsvertretern Einvernehmlichkeit wichtiger gewesen als das Beharren auf der „Fünfzehn“ in Zeiten wirtschaftlicher Krise.

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Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes dürften rund 6,6 Millionen Beschäftigte von der Erhöhung im Januar profitieren. Das heißt auch, dass rund 17 Prozent der Beschäftigten derzeit einen Stundenlohn unter 13,90 Euro erhalten.
Frauen profitieren nach Angaben der Statistiker überdurchschnittlich von der Erhöhung: In rund 20 Prozent der von Frauen ausgeübten Jobs erhöht sich demnach der Stundenverdienst, der Anteil bei den Männern beträgt 14 Prozent. Besonders betroffen sind das Gastgewerbe mit 56 Prozent sowie die Land- und Forstwirtschaft, in der derzeit 43 Prozent der Arbeitsplätze mit einem Stundenlohn unter 13,90 Euro vergütet werden.
Auch regional zeigen sich Unterschiede: In Ostdeutschland liegt der Anteil der Beschäftigungsverhältnisse, die im Januar „teurer“ werden, mit rund 20 Prozent deutlich höher als im Westen mit 16 Prozent. Über alle Bundesländer hinweg weist Mecklenburg-Vorpommern mit 22 Prozent den höchsten Anteil auf, Hamburg mit 14 Prozent den geringsten.
Mindestlohnerhöhungen machen sich insbesondere im Bereich der geringfügig Beschäftigten bemerkbar. Nach Berechnungen des Instituts der Bundesagentur für Arbeit sind etwa 39 Prozent der Minijobs betroffen. Dagegen liegen die Anteile der sozialversicherungspflichtigen Teil- und Vollzeitarbeitsplätze nur bei rund neun beziehungsweise drei Prozent.
Die Minijob-Grenze steigt im Januar von 556 auf 603 Euro. Sozialbeiträge müssen also erst ab einem Monatsverdienst von 604 Euro abgeführt werden.
Die Reaktionen der Unternehmen zeigen, dass die Anhebung in der aktuellen Phase der wirtschaftlichen Schwäche besonders schädlich ist.
Ifo Institut zu angekündigten Stellenstreichungen aufgrund der Mindestlohnerhöhung.
Einer Umfrage des Münchener Ifo-Instituts zufolge möchten 22 Prozent der von der Mindestlohnerhöhung betroffenen Arbeitgeber Stellen streichen. „Die Reaktionen der Unternehmen zeigen, dass die Anhebung in der aktuellen Phase der wirtschaftlichen Schwäche besonders schädlich ist“, heißt es vom Institut.
Der Sprung sei zwar ähnlich groß wie im Oktober 2022, als die Bundesregierung die Lohnuntergrenze an der Mindestlohnkommission vorbei von 10,60 auf zwölf Euro anhob. Doch diesmal planten die Unternehmen „häufiger mit Stellenabbau und Investitionskürzungen“.
Unternehmen wollen Arbeitsplätze abbauen
In der Ifo-Umfrage kündigten vor allem Betriebe aus dem Gastgewerbe (77 Prozent der befragten Unternehmen), dem Einzelhandel (71 Prozent), dem Textil- und Bekleidungsgewerbe (62 Prozent) sowie der Herstellung von Nahrungs- und Genussmitteln (59 Prozent) den Abbau von Arbeitsplätzen an. Am geringsten seien die Auswirkungen für das Baugewerbe, in dem ein höherer Branchenmindestlohn gilt.
„Es könnte sein, dass in einigen wenigen Branchen die Mindestlohnerhöhung Profitabilität und Arbeitsplätze gefährdet“, räumt Tom Krebs ein, der als (vom DGB benannter) wissenschaftlicher Berater der Mindestlohnkommission angehört. Dies sei der allgemein schlechten wirtschaftlichen Lage geschuldet. „Die Antwort kann daher nicht sein, den Beschäftigten das Leben noch weiter zu erschweren und die Krise noch weiter zu verschärfen“, sagte Krebs dem Tagesspiegel.
Die Antwort müsse vielmehr sein, so schlussfolgert der Mannheimer Ökonom, „dass die Politik ihre Hausaufgaben macht und die Wirtschaft endlich wieder zum Laufen bringt“. Der Berliner DIW-Präsident Marcel Fratzscher beurteilt die Entscheidung der Mindestlohnkommission gegen 15 Euro als „verpasste Chance“. „Ein höherer Mindestlohn würde Millionen Beschäftigten helfen, die Produktivität steigern, faire Wettbewerbsbedingungen fördern und den Arbeitsmarkt attraktiver machen.“
Von einer „großen Herausforderung“ spricht dagegen Guido Zöllick, Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga), mit Blick auf die im Januar zu zahlenden 13,90 Euro. Seit 2022 seien die Arbeitskosten im Gastgewerbe mit 2,2 Millionen Beschäftigten um 34,4 Prozent gestiegen, rechnet der Verbandschef vor.
Sinkende Umsätze bei steigenden Kosten machten den Betrieben seit der Coronazeit zu schaffen. Umso wichtiger sei die Absenkung der Mehrwertsteuer für die Branche von 19 auf sieben Prozent ebenfalls ab 1. Januar 2026. Dieser Punkt aus dem Koalitionsvertrag wurde umgesetzt: Kurz vor Weihnachten haben Bundestag und Bundesrat die Steuersenkung beschlossen.
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