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Update. 92 Prozent der 2,5 Millionen in Deutschland betroffenen Volkswagen-Modelle haben eine neue Software.

© dpa

Diesel-Affäre: VW-Rebellen droht Totalschaden

Wer sich mit einem Diesel dem amtlichen Rückruf verweigert, riskiert die Stilllegung. Das zeigt ein Fall aus Berlin.

Wir befinden uns im dritten Jahr nach Bekanntwerden des VW-Dieselbetrugs im Herbst 2015. Der Autobauer hat fast alle manipulierten Diesel-Fahrzeuge mit einem Software-Update nachgerüstet. Alle Fahrzeuge? Nein, etliche unbeugsame Fahrzeughalter weigern sich, dem vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) verordneten Rückruf Folge zu leisten. Sie fürchten, dass ihr Auto nach dem Update mehr Sprit verbraucht, weniger Leistung hat, unruhiger läuft oder kaum sauberer ist als vorher. Alle Briefe des Unternehmens, des KBA und der Zulassungsbehörden haben die Rebellen ignoriert – und riskieren nun einen Totalschaden: die Stilllegung ihres Autos.

„Der eine oder andere tut sich schwer, sein Fahrzeug zur Umrüstung zu geben“, räumte VW-Konzernchef Matthias Müller kürzlich ein. 100 Prozent der rund 2,5 Millionen in Deutschland von den Abgasmanipulationen betroffenen Fahrzeuge der Marken VW, Audi, Seat und Skoda werde man wohl nicht umrüsten können. Gut 92 Prozent hat Volkswagen inzwischen geschafft. Doch auf ein Entgegenkommen dürfen die restlichen geprellten Kunden nicht bauen. Im Gegenteil. Sowohl VW als auch die Zulassungsbehörden bleiben auf den letzten Metern hart: Wer am Rückruf nicht teilnimmt, kassiert eine „Betriebsuntersagung“ für sein Fahrzeug nach Paragraf 5, Absatz 1 der Fahrzeug-Zulassungsverordnung.

Autobesitzer wehren sich gegen Stilllegung

„Das grenzt an Enteignung“, ärgert sich der Berliner Versicherungsmakler Ralf Kramer. „Ich fühle mich massiv unter Druck gesetzt.“ Kramer fährt einen VW Caddy, Baujahr 2014, der einen manipulierten Dieselmotor vom Typ EA189 unter der Haube hat. Er ist einer von 74 Berlinerinnen und Berlinern, die in den vergangenen Wochen nach Angaben der Senatsverwaltung Post von der Kfz-Zulassungsbehörde bekommen haben. Nachdem die Fahrzeughalter alle Aufforderungen zur Rückruf-Teilnahme ignoriert haben, setzt das Amt ihnen eine letzte Frist: „Sollten Sie die Behebung des Mangels nicht innerhalb der o.g. Frist nachweisen, werde ich den Betrieb des Fahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr untersagen“, schreibt die Sachbearbeiterin an Ralf Kramer. Er hat vier Wochen Zeit.

Doch der Versicherungsmakler, der den Diesel-Caddy als Firmenwagen nutzt, will nicht klein beigeben. Er ärgert sich nicht nur über den Abgasbetrug und den Wertverlust seines Wagens, der gut 60 000 Kilometer gelaufen ist, sondern will auch dem VW-Konzern nicht glauben, der versichert, das Update werde die technischen Eigenschaften seines Autos nicht verändern. Kramer hat VW aufgefordert, ihm zu garantieren, dass „durch dieses Update der festgestellte Mangel zu 100 Prozent behoben wird“, wie er dem Konzern schreibt. Auch bittet er den Hersteller, „im Rahmen der Gewährleistung alle Nachteile, die sich daraus ergeben“ zu tragen. Eine Antwort aus Wolfsburg bekommt er nicht.

Die Politik reagiert nicht

Auch an die Berliner Verkehrssenatorin Regine Günther wendet sich Kramer und beschwert sich, dass ihm die Zulassungsstelle keinen Aufschub gewähre. Kramer will seinen VW vor dem unvermeidlichen Software-Update prüfen lassen, um verwertbare Abgas- und Verbrauchswerte für eine spätere Auseinandersetzung mit dem Autokonzern zu haben. „Da stimmt doch die Verhältnismäßigkeit nicht. Das ist eine Sauerei“, schreibt der Berliner. Auch die Senatorin bleibt eine Antwort schuldig.

Ralf Kramer hat unterdessen einen Rechtsanwalt eingeschaltet, der eine Klage gegen Volkswagen vorbereitet – auf Rückgabe des Autos gegen Erstattung des Kaufpreises. Die Begründung: Der Kaufvertrag sei wegen des Diesel-Betrugs nichtig. Ähnlich argumentieren viele der Tausenden VW-Kunden, die das Unternehmen bereits verklagt haben. Zuletzt mit Erfolg: Das Hamburger Landgericht verurteilte Mitte März einen VW-Händler dazu, einen Dieselwagen wegen manipulierter Abgaswerte zurückzunehmen und gegen einen Neuwagen zu tauschen. Der Richter befand, dabei sei unerheblich, ob bei dem Gebrauchtwagen bereits eine neue Software aufgespielt sei. „Die Nachbesserung durch das Softwareupdate ist für Kläger unzumutbar“, hieß es in der Urteilsbegründung (Az: 329 O 105/17). VW erwidert, in vielen anderen Fällen habe der Konzern recht bekommen.

Steigt der Spritverbrauch nach dem Update?

Doch Ralf Kramer will kämpfen. Anfang April lässt er die Abgaswerte seines Fahrzeugs von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) messen, um in der gerichtlichen Auseinandersetzung „Beweise“ dafür zu haben, dass sein Caddy weder den vom Hersteller angegebenen Stickoxid-Werten (NOx) entspricht noch nach dem Software-Update so sauber ist wie versprochen. Axel Friedrich von der DUH, der Kramers Caddy prüfen wird, macht dem Berliner nur teilweise Hoffnung: „Das Update bringt maximal zwölf bis 13 Prozent NOx-Reduzierung, nicht 30 Prozent, die VW verspricht.“ Sechs VW-Modelle mit Software-Update hat die DUH unter die Lupe genommen. VW zweifelt die Messungen an. Einen höheren Spritverbrauch oder andere technische Veränderungen konnte die DUH allerdings nicht finden. „Dazu müssten wir die Autos länger testen“, sagt Friedrich. Allerdings: Auch der ADAC hatte Entwarnung gegeben.

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