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Update

Abgasaffäre bei Volkswagen: VW wollte Skandal offenbar geheim halten

VW wollte die Abgasaffäre laut einem Medienbericht verheimlichen. Die Bundesregierung setzt auf die weitere Aufarbeitung des Abgas-Skandals.

Der VW-Konzern hat Medienberichten zufolge in der Abgasaffäre darauf gesetzt, den Skandal um manipulierte Messwerte vor der Öffentlichkeit geheim halten zu können. Der Vorstand des Autobauers habe annehmen dürfen, mit den US-Behörden sei eine "Lösung" mit überschaubaren Strafen ohne Informierung der Öffentlichkeit möglich, berichteten die "Süddeutsche Zeitung" sowie NDR und WDR unter Berufung auf eine Stellungnahme von VW für das Landgericht Braunschweig.

"Geheimhaltungsinteresse" des Konzerns

Der damalige VW-Chef Martin Winterkorn und seine Kollegen seien kurz vor der Enthüllung der illegalen Praktiken durch die US-Umweltbehörde EPA über die Verstöße im Bilde gewesen, berichteten die Medien. Es habe damals aber ein "Geheimhaltungsinteresse" des Konzerns gegeben, heiße es in der Stellungnahme für das Gericht.

Der VW-Schriftsatz für das Gericht legt dem Medien-Bericht zufolge nahe, dass der Vorstand sich die Chance offenhalten wollte, die Gesetzesverstöße auf Dauer geheim halten zu können. In dem Papier stehe, in den USA seien bei anderen Unternehmen solche Manipulationen mit "überschaubaren Strafzahlungen" geahndet worden, "ohne dass der Regelverstoß öffentlich bekannt, geschweige denn von den US-Behörden proaktiv in die Öffentlichkeit getragen wurde".

Bundesregierung vertraut dem Konzern

Die Bundesregierung setzt auf die weitere Aufarbeitung des Abgas-Skandals durch Volkswagen. „Wir vertrauen dem Konzern, dass er da lückenlos aufklärt“, sagte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums am Montag in Berlin. Das Verkehrsressort bekräftigte, Volkswagen arbeite konstruktiv mit der vom Ministerium eingesetzten Untersuchungskommission zusammen. Betroffene Fahrzeuge müssten in einen rechtskonformen Zustand versetzt werden, Manipulationen von Abgaswerten dürften nicht wieder auftreten.

Medienberichte vom Wochenende über mögliche frühere Hinweise an die VW-Spitze darüber kommentierten die beiden Ministerien nicht.

Wolfgang Porsche steht hinter Winterkorn

Am Mittwoch war bekannt geworden, dass der damalige VW-Vorstandschef Martin Winterkorn schon im Mai 2014 eine Notiz über Unregelmäßigkeiten beim Motor EA 189 erhalten habe. Ob er sie zur Kenntnis genommen hat, ist aber laut VW nicht dokumentiert. Die „Bild am Sonntag“ (BamS) berichtete unter Berufung auf Verhöre der von VW beauftragten Kanzlei Jones Day, Winterkorn habe die Notiz nach eigener Aussage damals gelesen. Der Konzern ist der Auffassung, Anleger rechtzeitig über die aufgeflogenen Manipulationen informiert zu haben. „Herr Winterkorn hat damals gesagt: „Ich bin mir keiner Schuld bewusst““, sagte VW-Aufsichtsrat Wolfgang Porsche. „Wer ihn als Menschen näher kennt, weiß, dass er davon auch zutiefst überzeugt ist.“

Winterkorn hatte im September wenige Tage nach Bekanntwerden des Abgasskandals seinen Posten als VW-Chef abgegeben. „Wir haben damals hinterfragt, ob gerade er, der so viel für den Konzern geleistet hat, zurücktreten muss“, sagte Porsche. „Er hat es dann getan - und das war sicher die richtige Entscheidung.“ Er selbst stehe noch mit Winterkorn in Kontakt. „Ich telefoniere ab und zu mit ihm und frage ihn, wie es ihm geht. Er hat dem Volkswagen-Konzern fast 35 Jahre gedient, das sollten wir nicht vergessen.“

"Matthias Müller macht einen wirklich guten Job"

An dem neuen VW-Chef Müller hat er nichts auszusetzen. „Ich finde, dass Matthias Müller einen wirklich guten Job macht“, sagte Porsche. „Ich hoffe, er macht den Job noch lange.“ Der VW-Konzern und Aufsichtsrat sollten nicht von externen Managern geleitet werden, die das Unternehmen nicht kennen. „Man muss die Strukturen in Wolfsburg verstehen, sonst hat man keine Chance.“

Vom neuen Aufsichtsratsvorsitzenden Hans Dieter Pötsch erwarte er sich ganz generell eine starke Führung. „Und es hängt jetzt ziemlich viel von ihm ab.“ Die Familie hatte sich im Oktober für den ehemaligen VW-Finanzchef als neuen Aufsichtsratschef stark gemacht.

Laut „BamS“ hatte Pötsch bereits am 8. September 2015 als damaliger VW-Finanzchef Kenntnis darüber erhalten, dass der Autobauer US-Behörden gegenüber eine Betrugssoftware eingeräumt hat. Pötsch informierte VW-Anleger jedoch nicht sofort darüber. Nun werden Juristen entscheiden müssen, ob das richtig war oder ob Pötsch damit gegen die Regeln der Ad-Hoc-Publizität verstoßen hat. Wolfgang Porsche und die Familie stünden fest hinter Pötsch und Müller, hatte ein Sprecher der Porsche SE am Sonntag betont.

Es muss eine neue Gesprächskultur geben

Porsche sprach sich auch für eine neue Gesprächskultur in den Führungsgremien aus: „Wir müssen mehr miteinander reden statt übereinander. Und das ist etwas, was wir im Konzern noch verbessern müssen“, sagt Porsche. Die Familie trete heute geschlossener und mehr als Gesamtfamilie auf als das vielleicht früher der Fall gewesen sei, sagte der VW-Kontrolleur. Neben Porsche sitzen sein Neffe Ferdinand Oliver Porsche, sein Cousin Hans Michel Piëch und dessen Nichte Louise Kiesling in dem Kontrollgremium bei VW.

Die Abgas-Affäre bei VW blieb nach Darstellung des Konzerns auch wegen der kostengünstigen Programmierung der illegalen Software lange unentdeckt. „Diese Programmierung konnte insbesondere ohne Kostengenehmigung durch übergeordnete Stellen erfolgen, so dass es nicht verwundert, dass der Volkswagen-Vorstand erst Jahre später von der Softwareveränderung erfuhr“, heißt es in einer Erwiderung auf Anlegerklagen, die der Deutschen Presse-Agentur am Sonntag vorlag.

Klagen mit einem Musterverfahren begegnen

Volkswagen will Klagen von Anlegern in der Abgas-Affäre mit einem Musterverfahren begegnen. Vor dem Oberlandesgericht Braunschweig beantragte der Autokonzern ein entsprechendes Verfahren, wie aus einer Erwiderung des Konzerns auf Anklagen hervorgeht, die der Nachrichtenagentur AFP am Montag vorlag. VW selbst äußerte sich nicht dazu und verwies auf eine vergangenen Mittwoch veröffentlichte Mitteilung.

Mit dem Musterverfahren will VW die Klagen von diversen Aktionären des Autobauers zurückweisen. Rechtsanwalt Andreas Tilp, dessen Kanzlei VW-Anleger vertritt, begrüßte den Vorstoß des Konzerns: Der Vorteil durch ein Musterverfahren sei für Kläger "besonders hoch, er erhöht die Siegchancen", sagte Tilp AFP. In Musterverfahren habe seine Kanzlei bereits gegen die Telekom und HRE vor Gericht gewonnen. (AFP, dpa)

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