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Wirtschaft: Wahlkampf ist ein schlechtes Geschäft

Es ist nur wenig Zeit, daher geben die Parteien wenig Geld aus– das betrübt die Werbeagenturen

An den großen Plakaten kommt man nicht vorbei. Wofür „die anderen“ stehen, fragt die SPD dramatisch-seriös schwarz hinterlegt, die CDU will „Deutschlands Chancen nutzen“, die Grünen fordern „Mach mit“, und die FDP setzt auf „mehr Mut“. Mit diesen Botschaften ist die Bundestagswahl für die Werbewirtschaft schon zum größten Teil gelaufen, denn die Plakate sind der wichtigste Posten im Budget der Parteien für die Werbung.

Printmedien werden kaum genutzt, und ohnehin sind die Budgets diesmal nicht sonderlich groß. „Der Gesamtetat der Parteien für die Werbung beträgt 70 Millionen Euro“, sagt Volker Nickel, Sprecher des Zentralverbands der Deutschen Werbewirtschaft. Und das sind die Gesamtausgaben, also inklusive Großveranstaltungen, Poster und Internet, mit denen die Werbewirtschaft nichts zu tun hat. „Das ist kein dramatisch positiver Impuls für uns“, sagt Nickel. Im Gesamtjahr 2005 werde die Werbewirtschaft einen Nettoumsatz von 20 Milliarden Euro machen, der Wahlkampf mache davon also nicht einmal einen halbes Prozent aus.

Im Vergleich zur Bundestagswahl vor drei Jahren sei das Budget jedoch um 30 Millionen geschrumpft, 2002 hätten die Parteien noch 100 Millionen Euro zur Verfügung gehabt. So zahlt für den Neuwahl-Coup des Bundeskanzlers auch die Werbewirtschaft: „Die Parteien brauchen das vierte Jahr, um Geld anzusparen“, erklärt der ZAW-Sprecher.

Bei der FDP ist der Einbruch wegen der vorgezogenen Wahlen besonders dramatisch: 3,5 Millionen Éuro habe sie insgesamt zur Verfügung, um Stimmen zu sammeln, sagt Hans-Jürgen Beerfeltz, Bundesgeschäftsführer der FDP, dem Tagesspiegel. 2002 seien es noch sechs Millionen gewesen. Die Hälfte des aktuellen Budgets gibt die liberale Partei für die Plakate aus, 3000 überdimensionale Westerwelle-Köpfe hängen in ganz Deutschland. Danach geht der größte Posten in die Großveranstaltungen, dahinter folgt schon die Internetkampagne. Vor allem freiwillige – und kostenlose – Wahlhelfer wollen die Liberalen so rekrutieren.

Auch die Grünen setzen aufs Internet. Die Noch-Regierungspartei hat ein bisschen mehr Geld zur Verfügung als die FDP und will 3,8 Millionen Euro ausgeben. Vor drei Jahren waren es noch 4,2 Millionen Euro. Die reinen Werbeausgaben betragen laut der Sprecherin in diesem Jahr nur 1,6 Millionen Euro. Auch bei den Grünen spielen die Plakate die „zentrale Rolle“, genauso wie das Internet, sagt eine Sprecherin. Billig sollen auch hier Mithelfer rekrutiert werden, deswegen „Mach mit" und direkt daneben die Internetadresse.

Union und SPD haben ein viel größeres Budget. Bei der CDU beträgt das Gesamtbudget 18 Millionen Euro. Davon gehen allein für die Plakate fünf Millionen Euro drauf, sagt ein Sprecher. Für Fernsehen und Hörfunk sind 1,4 Millionen Euro geplant. Vor drei Jahren gab aber auch die CDU mehr aus: 21 Millionen Euro.

Die SPD hat mit 25 Millionen Euro das größte Wahlkampfbudget. „Natürlich spielen die herkömmlichen Werbemittel wie Plakate und Werbespots auch in diesem Wahlkampf eine wichtige Rolle“, sagt Kajo Wasserhövel, Bundesgeschäftsführer der SPD und technischer Wahlkampfleiter, dem Tagesspiegel. „Wir suchen jede Situation, um mit den Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch zu kommen – ob auf der Straße, über das Internet oder durch die Medien.“ Aber auch die SPD sucht freiwillige Helfer: „Vor allem setzen wir da auf die vielen tausend Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer, die vor Ort in ihrer Freizeit den Wahlkampf machen“, sagt Wasserhövel. Die „rote Wahlmannschaft“ habe schon mehr als 2500 Mitglieder. Direkte Zuschüsse vom Steuerzahler als Wahlkampfkostenzuschuss bekommen die Parteien schon seit 1994 nicht mehr. Jedoch bekommen sie Gelder ohne Zweckbindung. Laut Michael Koß von Transparency International finanzieren SPD und CDU 30 bis 40 Prozent ihrer Kosten mit den öffentlichen Geldern. Bei Grünen und FDP liege der Staatsanteil bei über 50 Prozent. „Davon fließt auch etwas in den Wahlkampfetat“, sagt Koß. „Das ist aber ethisch korrekt.“ In Ländern wie Großbritannien, wo Parteien im Wahlkampf viel stärker auf Großspender zurückgreifen müssen, sei die Finanzierung problematisch. „Ob Firmen dann nicht doch ein bestimmtes Anliegen haben, wage ich zu bezweifeln“, sagt der Experte für Parteienfinanzierung.

Ein grundsätzliches Problem hat Volker Nickel vom ZAW mit dem deutschen Wahlkampf dennoch: Die Werbung der Parteien unterliege keinerlei Regelungen. Während Werbung für Wirtschaftsprodukte etwa dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb und gegen die Irreführung unterliege, dürften die Parteien im Wahlkampf auf ihren Plakaten behaupten, was immer sie wollten – ob es nun stimme oder nicht. „Wir brauchen einen Werberat für die Werbung der politischen Parteien“, fordert Nickel. Einen Werberat für Wirtschaftswerbung gibt es bereits. Die selbstregulierende Institution der Wirtschaft stellt Missstände in der Werbung fest. „Eine Art Werberat für Politik-Werbung würde sinnvolle Debatten anregen“, ist sich Nickel sicher.

Flora Wisdorff

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