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Vorkasse odern nicht?: Was der Arzt verdient

In Süddeutschland häufen sich Fälle, in denen Ärzte aus Protest über die Honorarreform ihre Patienten nur gegen Vorkasse behandeln. In Berlin hat es noch keine Klagen gegeben, heißt es bei Verbraucherzentrale und Senat. Doch viele Patienten fürchten, dass das nur eine Frage der Zeit ist. Zu Recht?

WANN DÜRFEN ÄRZTE VON KASSENPATIENTEN GELD VERLANGEN?

In genau drei Fällen. Erstens, wenn ein Versicherter keine Versichertenkarte vorlegt. Zweitens, wenn er ausdrücklich verlangt, auf eigene Kosten behandelt zu werden – etwa weil er mit seiner Kasse einen Kostenerstattungstarif vereinbart hat. Und drittens, wenn es sich um Leistungen handelt, die nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zählen. Dazu zählen etwa die sogenannten individuellen Gesundheitsleistungen (Igel).

DÜRFEN ÄRZTE AUS PROTEST PATIENTEN WIEDER NACH HAUSE SCHICKEN?

Im Mantelvertrag der Kassenärzte steht, dass einem Versicherten nur in „begründeten Fällen“ die Behandlung verweigert werden darf – etwa wenn er keine Chipkarte vorlegt oder die Praxisgebühr verweigert. Allerdings gilt dies nicht, wenn der Patient „akut behandlungsbedürftig“ ist. Wenn ein Arzt einem Patienten unter Hinweis auf zu geringe Vergütungen die nötige Behandlung oder auch nur einen Termin verweigert, verstößt er gegen seine vertragsärztlichen Pflichten – und riskiert seine Zulassung.

PASSIERT DAS OFT?

Bisher sprechen die Kassen von Einzelfällen. „Nur ganz selten“ gebe es Ärger, sagt AOK-Sprecher Udo Barske. Die Barmer Ersatzkasse hat seit Januar 700 Beschwerden registriert, die mit den Ärzteprotesten zusammenhängen. Die DAK berichtet von knapp 1500 Fällen, in denen gesetzlich Versicherte gar nicht oder nur gegen Vorkasse behandelt wurden. Die Techniker Krankenkasse (TK) kommt auf etwas mehr als 100.

WAS SOLLEN PATIENTEN TUN, WENN IHR ARZT VORKASSE VERLANGT?

Keinesfalls zahlen oder eine entsprechende Verpflichtung unterschreiben, sagen Verbraucherschützer (siehe Interview). Versicherte sollten sich an ihre Krankenkasse wenden. Die könne „auf Augenhöhe“ mit den Medizinern verhandeln und Druck machen, rät auch Ann Marini vom Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Die Arbeiterwohlfahrt hat eine kostenlose Hotline eingerichtet (0800/588 79 58), von dort werden Beschwerden an die zuständigen Kassen weitergeleitet. Die Kassen suchen dann, wenn die Versicherten einverstanden sind, das Gespräch mit den Medizinern und erinnern sie an ihre Pflichten. Schon das bewirke einiges, sagt Stefan Holl, der mit vier Kollegen in Nürnberg eine eigens für Patientenbeschwerden eingerichtete Hotline der TK betreut. Allerdings gebe es auch Ärzte, die auf ihrem Vorgehen bestünden und die man der Kassenärztlichen Vereinigung melden müsse. „Spätestens wenn die bei dem Mediziner anruft, kommt der Rückzieher.“ Geben die Ärzte nicht klein bei, drohen – je nach Schwere der Verfehlung – Verwarnung, Verweis oder eine Geldbuße von bis zu 10 000 Euro. Außerdem kann angeordnet werden, dass die kassenärztliche Zulassung bis zu zwei Jahre ruht oder ganz entzogen wird.

SOLLTE MAN DEN ARZT WECHSELN?

„Wenn Vorkasse verlangt wird, dreh dich um und geh“, sagt Gesundheitsministerin Ulla Schmidt. Aber was ist mit den Patienten, die schnelle Hilfe brauchen oder die ihren vertrauten Arzt nicht aufgeben möchten? „Wir werden den Deubel tun und den Patienten drängen, sich gleich einen anderen zu suchen“, sagt Barmer-Sprecher Thorsten Jakob. „Erst wenn alles nicht fruchtet, raten wir zum Arztwechsel.“ Der Wechsel ist selbst dann möglich, wenn man einen Hausarzttarif abgeschlossen hat oder sich in einem speziellen Behandlungsprogramm eingeschrieben hat. Der neue Mediziner muss jedoch als Teilnehmer des jeweiligen Programms registriert sein, und der Patient muss sich neu einschreiben.

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